Der abgesetzte katalanische Präsident sieht in Brüssel einer Anklage aus Madrid entgegen. Außerdem in der Presseschau: erfordert Seniorendelinquenz eine neue Straftheorie? Justizreform in Polen und Gleichberechtigung in Saudi-Arabien.
Thema des Tages
Spanien – Katalonien: In Brüssel hat der abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont bekräftigt, sich weiterhin für den "legitimen Präsidenten" des Landesteils zu halten. Die von ihm angeführte Regierung arbeite "trotz der ihr auferlegten Beschränkungen" weiter, ein Asylantrag in Belgien sei von ihm nicht geplant, so die taz (Francois Misser) über Puigdemonts Auftritt vor Journalisten. Die gegen ihn erhobene Anklage wegen Rebellion sei unbegründet. Der spanische Zentralstaat habe "den Weg der maximalen Gewaltbereitschaft eingeschlagen", in die aufgestellte "Falle der Gewalt" würde Puigdemont jedoch nicht tappen. Der Bericht der FAZ (Hans-Christian Rößler u.a.) legt Einzelheiten der "abenteuerlichen Flucht" des Politikers sowie der gegen ihn erhobenen Anklage dar. Gemeinsam mit dem katalanischen Parlamentspräsidium solle er ab dem morgigen Donnerstag vor dem Obersten Gericht zur Anklage Stellung nehmen. Nach einer Meldung von faz.net sollen die Angeklagten zudem binnen drei Tagen 6,2 Millionen Euro, die geschätzten Kosten des Referendums vom 1. Oktober 2017, hinterlegen.
Reinhard Veser (FAZ) bezeichnet die "Reise" oder "Flucht" nach Brüssel als einen "Akt der Feigheit und Verantwortungslosigkeit". Auch gegenüber den Anhängern der katalanischen Separatisten seien es Puigdemont "und seine Leute" schuldig, für Folgen einzustehen, "auch wenn es unangenehm wird". Ähnlich argumentiert Claus Hecking (spiegel.de). Anders als zu Franco-Zeiten sei Spanien ein moderner Rechtsstaat. Einen Prozess könne Puigdemont dazu nutzen, "um Spaniens Vorgehen anzuprangern."
Rechtspolitik
Polizeigesetz B-W: Die baden-württembergische Landesregierung steht vor dem Abschluss "eines der schärfsten Landespolizeigesetze", schreibt die taz (Benno Stieber). Nicht nur innerhalb der grünen Regierungspartei rege sich Widerstand gegen geplante Bestimmungen wie jene, die den polizeilichen Einsatz von Explosivmitteln auch gegen Menschen erlauben sollen. In einem weiteren Beitrag stellt die taz (Christian Rath) die Aufgaben der Polizei und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der diesbezüglichen Befugnisse dar.
Neue Gesetze: bild.de stellt zum neuen Monat in Kraft tretende Gesetzesänderungen, etwa zur Notwendigkeit eines Sachkundenachweises im Bewachungsgewerbe, vor.
Justiz
LAG B-B zu Stasi-Mitarbeit: Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich ein Rechtsmediziner erfolgreich gegen seine Kündigung aus dem Landesdienst zur Wehr gesetzt. Zwar habe der Kläger 1991 und dann anlässlich der Bewerbung auf eine höhere Stelle Fragen zu seiner Stasi-Mitarbeit wahrheitswidrig beantwortet. Seine Verstrickung sei jedoch als eher gering einzuschätzen und könne dem Land eine Weiterbeschäftigung aufgrund der langen, unbeanstandeten Tätigkeit im Landesdienst zugemutet werden. Über das Urteil von Mitte Oktober berichtet community.beck (Christian Rolfs).
LG Memmingen zu Seniorendelinquenz: Die Verurteilung einer hochbetagten Ladendiebin zu einer Haftstrafe ohne Bewährung durch das Landgericht Memmingen nimmt der Wissenschaftliche Mitarbeiter Sven Großmann auf lto.de zum Anlass, "Fragen grundsätzlicher Natur" aufzuwerfen. Diese entzündeten sich weniger am Bagatellcharakter der abgeurteilten Straftat, vielmehr am Alter der Verurteilten. Tatsächlich stelle Seniorendelinquenz "ein wachsendes Phänomen in unserer Gesellschaft" dar und dürfte angesichts des demographischen Wandels auch noch bedeutender werden. Da aber bei älteren Häftlingen Resozialisierungsaspekte eher zu vernachlässigen sein dürften, sei eine neue Straftheorie erforderlich.
VG Berlin – Zweckentfremdungsverbot: Das gesetzliche Zweckentfremdungsverbot soll verhindern, dass Berliner Wohnungen gewerblich an Touristen vermietet werden. Der Streit über die Anwendung des Gesetzes beschäftigt zur Zeit das Verwaltungsgericht Berlin in knapp 160 Verfahren, weiß lto.de zu berichten. Eine gute Hälfte dieser Verfahren ist gegenwärtig ausgesetzt, weil das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt hat, ob die Bestimmungen auch rückwirkend anzuwenden zu sind.
ArbG Berlin – Air Berlin: community.beck.de (Christian Rolfs) macht auf einen Anhörungstermin des Arbeitsgerichts Berlin am morgigen Donnerstag aufmerksam. Die Personalvertretung Kabine wolle der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagen lassen, Kündigungen auszusprechen und Flugzeuge aus dem Betrieb herauszunehmen.
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: lto.de (Annelie Kaufmann) gibt einen Überblick zum gegenwärtigen Stand der Justizreform in Polen. Die Alternativvorschläge des Präsidenten Andrzej Duda beinhalteten gegenüber den ursprünglichen Plänen der Regierungspartei bestenfalls punktuelle Änderungen. Sie beseitigten ebenso wie letztere die Unabhängigkeit der Richterschaft vor politischer Einflussnahme.
Frankreich – Ausnahmezustand: In einer Rede vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat der französische Präsident Emmanuel Macron dafür geworben, bei anhaltender Terrorismusbedrohung ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit zu finden. Der Auftritt habe auch der Inszenierung des Inkrafttretens des neuen Anti-Terror-Gesetzes, verbunden mit der Aufhebung des seit zwei Jahren geltenden Ausnahmezustandes gedient, erläutert die FAZ (Michaela Wiegel). Dessen weitreichende Befugnisse, etwa bei der Verhängung von Hausarrest gegenüber Gefährdern, seien zuletzt immer weniger häufig angewendet worden.
Türkei – Cumhuriyet/Deniz Yücel: Im Verfahren gegen Mitarbeiter der türkischen Zeitung Cumhuriyet bleiben die bislang inhaftierten Angeklagten weiterhin in Haft. Das Verfahren werde voraussichtlich am 25. Dezember fortgesetzt, schreibt die Welt (Veronika Hartmann), die zudem über eine parlamentarische Anfrage eines Oppositionspolitikers in Sachen Deniz Yücel berichtet. Der Justizminister solle hiernach erklären, warum gegen den Journalisten nach wie vor keine Anklage vorliege und er in Isolationshaft gehalten werde.
USA – Sonderermittler: Nach einem halben Jahr Arbeit hat Robert Mueller, US-Sonderermittler zur Aufklärung möglicher russischer Einflussnahme auf den Präsidentschaftswahlkampf 2016, drei Haftbefehle bekannt gemacht. Die Betroffenen waren Mitarbeiter des jetzigen Präsidenten Donald Trump, die Vorwürfe bezögen sich jedoch größtenteils auf vorherige Tätigkeiten, schreibt die taz (Bernd Pickert). Einen Überblick zu den jüngsten Entwicklungen gibt auch lto.de. Nach dem Kommentar von Moritz Koch (Hbl) offenbarten die jetzigen Erkenntnisse nicht nur eine weitere Lüge des US-amerikanischen Präsidenten, die Ermittlungen seien darüber hinaus auch "ein Zeichen für die Stärke der rechtsstaatlichen Immunabwehr der amerikanischen Demokratie".
USA – Bosch: Ein US-amerikanisches Gericht in San Francisco hat die vom deutschen Autozulieferer Bosch beantragte Abweisung einer Sammelklage von VW-Händlern verworfen. Die Kläger werfen Bosch eine Verschwörung zum Abgas-Betrug durch Lieferung entsprechender Software vor, schreibt die FAZ.
Sonstiges
Auschwitz-Prozess: Akten und Tonbandaufnahmen des zwischen 1963 und 1965 am Landgericht Frankfurt/M. geführten ersten Auschwitz-Prozesses werden nun von der UNESCO als Weltdokumentenerbe ausgezeichnet, meldet zeit.de.
Das Letzte zum Schluss
Gleichberechtigung: Nachdem Frauen in Saudi-Arabien ab dem kommenden Juni auch selbst am Steuer eines Autos sitzen dürfen, meldet zeit.de einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung im arabischen Königreich. Ab Beginn des kommenden Jahres ist ihnen der Besuch dreier bestimmter Sportstadien in Begleitung ihrer Familien erlaubt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. November 2017: Anklage gegen Puigdemont / Straftheorie für Senioren / Justizreform in Polen . In: Legal Tribune Online, 01.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25321/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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