Der BGH beanstandete die von VW mit Managern und Versicherern abgeschlossenen Vergleiche. Ein afghanischer Richter mit Aufnahmezusage pocht beim BVerfG auf Vertrauensschutz. Jian G. erhielt eine lange Haftstrafe wegen Spionage für China.
Thema des Tages
BGH zu VW-Dieselskandal/Managerhaftung: Die Klagen von Aktionärs-Schutzvereinigungen gegen die vom VW-Konzern mit früheren Managern abgeschlossenen Vergleiche zur Beendigung zivilrechtlicher Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal waren erfolgreich. Der Bundesgerichtshof urteilte nun, dass die Vereinbarungen mit Martin Winterkorn und Rupert Stadler erneut vom Oberlandesgericht Celle geprüft werden müssen, da vor dem entsprechenden VW-Hauptversammlungsbeschluss die finanzielle Leistungsfähigkeit der Manager nicht hinreichend dargelegt wurde, wodurch das Informationsrecht der Aktionär:innen verletzt wurde. Die mit D&O-Versicherungen abgeschlossenen Deckungsvergleiche sind dagegen aufgrund formaler Fehler bei der Einberufung der Hauptversammlung nichtig. In der Tagesordnung war nicht deutlich genug angekündigt worden, dass die Vergleiche zu einem völligen Verzicht auf Forderungen gegen 170 weitere Organmitglieder führen. Insgesamt sollten auf der Grundlage der Vergleiche fast 290 Millionen Euro an VW fließen – der Großteil von den beteiligten Versicherungen. VW kündigte allerdings an, dass man anstrebt, die aufgehobenen Vergleiche unverändert erneut abzuschließen. FAZ (Marcus Jung), Hbl (Volker Votsmeier), LTO (Stefan Schmidbauer), tagesschau.de (Kolja Schwartz) und beck-aktuell berichten.
Joachim Jahn (beck-aktuell) begrüßt die Entscheidung als "gut nachvollziehbar und im Ergebnis sehr erfreulich". Erneut habe sich die Karlsruher Expertise, "ein fettiges Haar in einer vermeintlich schmackhaften Suppe zu finden", als nützlich erwiesen. Volker Votsmeier (Hbl) sieht durch das Urteil Aktionärsrechte gestärkt. Die Anteilseigner könnten zwar auch ein Interesse am raschen Abschluss unsicherer Verfahren haben, bedürfen vor einer Entscheidung aber ausreichender Informationen.
Rechtspolitik
Internationale Rechtshilfe: Das Justizministerium legte einen Referentenentwurf zur Novellierung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vor. Der Entwurf stützt sich auf Vorarbeiten der Ampel-Regierung. Er regelt erstmals ausdrücklich die polizeiliche Rechtshilfe, was Fahndungsmaßnahmen vereinfachen soll. Der Rechtsschutz im Auslieferungsverfahren soll dadurch verbessert werden, dass Betroffene eine erneute gerichtliche Entscheidung und unter bestimmten Umständen auch eine Vorlage an den Bundesgerichtshof beantragen können. Der DAV hält die Verbesserung für nicht ausreichend. Über Pläne und Kritik schreibt LTO (Hasso Suliak/Joschka Buchholz).
Anwaltliches Berufsrecht: Eine weitere vom Bundesjustizministerium ins Auge gefasste Neuerung betrifft das anwaltliche Berufsrecht. Neben redaktionellen Klarstellungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung sind vor allem Rechtswegsregelungen für Aufsichtsmaßnahmen bedeutsam, so LTO (Martin W. Huff). Verpasst worden sei im Entwurf dagegen die erforderliche Vereinfachung der anwaltlichen Vertreterbestellung.
Anschlags-Vorbereitung: Nach Informationen der Welt (Ricarda Breyton) berät das Kabinett am heutigen Mittwoch über einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, der auch die Vorbereitungen für einen Anschlag mit einem gefährlichen Werkzeug in § 89a StGB unter Strafe stellt. Dies umfasse Fälle wie jenen des Messerattentäters von Solingen, in der Praxis dürfte allerdings der erforderliche Nachweis einer terroristischen Absicht zu Problemen führen.
Bundestags-Wahlrecht: Robert Roßmann (SZ) beklagt einen "fahrlässigen Umgang mit dem Wahlrecht", der mittlerweile dem Ansehen des Parlaments schade. Der Kommentar zieht zur Bekräftigung eine Linie von der jahrelangen Untätigkeit der Merkel-Jahre über die "vergleichsweise schnell" gefundene Lösung der Ampelkoalition, bei der die Opposition "außen vor" gelassen wurde. Ähnliches zeichne sich auch nun ab, das Vorgehen der Regierungskoalition ebne damit den Weg für den Verlust von Vertrauen “in die Fairness des Wahlrechts”.
Bürgergeld: Der Sozialrichter Udo Geiger kritisiert laut Hbl (Barbara Gillmann) die Forderung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, dass es nicht mehr möglich sein soll, als EU-Ausländer nach Deutschland zu kommen, um mit Minijobs den Anspruch auf aufgestocktes Bürgergeld und die Übernahme der Wohnkosten in überteuerten Schrottimobilien zu erhalten. Die Diskussion sei "nicht seriös", so Geiger. Auch das geltende Recht biete Sanktionsmöglichkeiten bei missbräuchlichem Bezug, die Durchsetzung scheitere aber am mangelnden Personal. So könnten Jobcenter Vollzeitstellen anbieten und den Zustand von Wohnungen inspizieren. Wenn Minijobber von ergänzenden Bürgergeld-Leistungen ausgeschlossen werden sollen, müsse dies auch für Deutsche gelten, sonst sei EU-Recht verletzt. Besser sei es, Minijobs generell abzuschaffen, weil sie Fehlanreize böten.
Containern: SPD-Fraktionsvize Esra Limbacher hat vorgeschlagen, das sogenannten Containern zu entkriminalisieren. zdf.de (Louisa Hadadi) stellt die Rechtslage sowie das Schicksal bisheriger Versuche der Entkriminalisierung dar und wirft einen rechtsvergleichenden Blick nach Frankreich. Größere Lebensmittelanbieter unterlägen dort der Pflicht, noch essbare Ware zu spenden.
BVerfG-Richterwahl: Die Vorgänge und das schließlich erreichte Ergebnis der Wahl für die offenen Richterpositionen am Bundesverfassungsgericht rekapituliert der ARD-RadioReportRecht (Klaus Hempel) mit Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz.
Justiz
BVerfG – Aufnahme von Afghan:innen: Ein afghanischer Richter hat eine mit einem Eilantrag kombinierte Verfassungsbeschwerde gegen einen Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von Ende August erhoben. Die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützte Verfassungsbeschwerde soll dem Juristen die Einreise nach Deutschland ermöglichen. Am OVG war er diesbezüglich erfolglos, da die von der Bundesregierung erhaltene Aufnahmezusage im Rahmen eines früheren Aufnahmeprogramms (Übergangsliste) nicht verbindlich gewesen sei – im Gegensatz zu Zusagen aus dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan. Der afghanische Richter beruft sich nun vor allem auf Vertrauensschutz in Verbindung mit dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. LTO (Christian Rath) berichtet.
OLG Dresden zu Spionage durch AfD-Mitarbeiter: Wegen geheimdienstlicher Tätigkeit für eine fremde Macht in einem besonders schweren Fall hat das Oberlandesgericht Dresden den Deutschen Jian G. zu knapp fünf Jahren Haft verurteilt. Nach den Feststellungen des Gerichts hat G. im Rahmen seiner Tätigkeit für den damaligen Europaparlamentarier Maximilian Krah (AfD) Informationen und Dokumente an chinesische Stellen weitergeleitet. Die ebenfalls. angeklagte Chinesin Yaqi X. wurde zu einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. X. hatte Informationen über den Leipziger Flughafen an ihre Auftraggeber weitergeleitet. Es berichten FAZ (Markus Wehner), taz (David Muschenich), Welt (Frederik Schindler), zdf.de (David Heymann/Leon Fried) und LTO.
BVerwG zu BND-Hintergrundgesprächen: Auch im Hauptsachverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der BND keine inhaltlichen Angaben über Hintergrundgespräche mit Journalist:innen machen muss, in denen die militärische Lage im Ukraine-Krieg behandelt wurde. Dies berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof) in eigener Sache. Es ging um den Verdacht, der BND stelle die Lage der Ukraine in solchen Hintergrundgesprächen schlechter dar als sie ist.
BVerwG zu Pension für Mörder: In einer Analyse des Anfang September verkündeten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, das einem in Spanien als Doppelmörder verurteilten pensionierten Beamten sein Ruhegehalt beließ, verweist Rechtsanwalt Robert Hotstegs auf beck-aktuell auf das geltende Recht. Der Gesetzgeber habe das Bundesdisziplinarrecht erst im vergangenen Jahr novelliert und es für nicht erforderlich gehalten, die automatische Aberkennung bei Strafurteilen ausländischer Gerichte aufzunehmen.
OLG München – Umsturzpläne/Reuß: Eine der am Oberlandesgericht München als Mitglied der Gruppe Reuß Angeklagten ist verstorben. Das Verfahren gegen Hildegard L., die Astrologin der Gruppe, war krankheitsbedingt bereits Ende Juni abgetrennt worden, so zeit.de (Martin Steinhagen).
LAG Köln zu Ulrike Guérot: Die Auseinandersetzung zwischen der Politologin Ulrike Guérot und der Universität Bonn endete auch am Landesarbeitsgericht Köln mit einer Niederlage der Wissenschaftlerin. Ihre Kündigung ist wirksam, weil sie im Rahmen ihres Bewerbungsverfahrens an der Uni eine Arbeit eingereicht hatte, die sich später als plagiatsbehaftet erwies. Guérot hatte sich in ihrer Kündigungsschutzklage darauf berufen, dass das beanstandete Werk eine lediglich populärwissenschaftliche Schrift gewesen sei. Das LAG hielt aber auch hier die Einhaltung wissenschaftlicher Redlichkeit für erforderlich. LTO berichtet. Die FAZ (Patrick Bahners) konzentriert sich in ihrem Bericht auf die neue Karriere der Klägerin als Sprachrohr für Verschwörungstheorien.
OVG S-A zu Polizei-Chat: Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hob die Entlassungsverfügung eines Polizeibeamten auf Probe auf, der während seiner Ausbildungsphase – als Beamter auf Widerruf – in einem Gruppenchat mit anderen Anwärtern ein frauenverachtendes und behindertenfeindliches Bild gepostet und entsprechend kommentiert hatte. Das Posting stelle zwar eine Pflichtverletzung dar, so das OVG. Als "einmaliger, unüberlegter jugendlicher Fehltritt" rechtfertige es diese jedoch nicht, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit von vornherein auszuschließen. beck-aktuell berichtet.
LG München I – KI-Training/OpenAI: Die SZ (Andrian Kreye) berichtet über den Auftakt im Verfahren um die Klage der Gema gegen OpenAI. Die Verwertungsgesellschaft wirft Open AI vor, dass in den Trainingsdaten von ChatGPT ganze Songtexte wie "Atemlos" von Helene Fischer enthalten sind, die auf Anfrage wiedergegeben werden. Dies sei eine unlizensierte Vervielfältigung, weshalb die Gema Schadenersatz und ein Lizenzmodell fordert. OpenAi argumentierte, dass ungeschützt im Netz veröffentlichte Songtexte von einem Large-Language-Modell genutzt werden dürfen. In der neuesten Version ChatGPT 5 sei die Ausgabe ganzer Songtexte ohnehin nicht mehr möglich. Das Landgericht München I hat den Verkündungstermin auf den 11. November datiert. Die Vorsitzende Richterin Elke Schwager habe einstündig in das Verfahren eingeführt und sei dabei eher den Argumenten der Gema gefolgt. Denkbar sei auch eine Vorlage an den EuGH.
VG Berlin zu CDU-Parteispende: Die Berliner CDU darf eine Spende in Höhe von 800.000 Euro behalten. Nach Bericht von beck-aktuell wies das Verwaltungsgericht Berlin eine von der Partei "Die Partei" gegen die Bundestagsverwaltung erhobene Klage ab. Das Gericht hatte sich davon überzeugt, dass der Spender, ein Berliner Unternehmer, mit der Zuwendung keine Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils verbunden habe, wie dies das Parteiengesetz verbietet. In einem Radio-Interview unmittelbar nach der Spende hatte der Unternehmer eben dies behauptet, hierbei aber gelogen, so seine Aussage im Verfahren.
VG Karlsruhe zu Einstellungsverfahren bei der Polizei: Die Verwendung eines digitalen "Selbsteinschätzungstests" bei Bewerbungen für den baden-württembergischen Polizeivollzugsdienst verletzt das Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz. Nach nun veröffentlichtem, Ende Juli verkündeten Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ist dabei nicht nur der Anspruch auf Beurteilung allein nach leistungsorientierten Kriterien entscheidend, diese müssten darüber hinaus auch hinreichend dokumentiert werden, um eine spätere gerichtliche Überprüfung der getroffenen Entscheidungen zu ermöglichen. Diesen Ansprüchen genügte der beanstandete Test nicht, wie beck-aktuell ausführlich darstellt.
GBA – Nord-Stream-Anschlag: In Polen ist ein weiterer Tatverdächtiger im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Nord-Stream-2-Pipeline festgenommen worden. Der ukrainische Taucher Vladimir Z. wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls gesucht, nun steht eine gerichtliche Entscheidung über ein deutsches Auslieferungsersuchen an. FAZ (Stefan Locke) und LTO berichten.
Recht in der Welt
USA – Donald Trump vs Youtube: Die gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit der Sperrung des Accounts von Donald Trump durch YouTube nach den Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021 ist vergleichsweise beendet worden. Der Mutterkonzern Alphabet verpflichtet sich hiernach zu einer Zahlung von knapp 25 Millionen US-Dollar. Nach Darstellung von netzpolitik.org (Tomas Rudl) dürfte der Vergleich eher politisch begründet sein, denn angesichts des relativ weitreichenden Providerprivilegs in den USA seien die Erfolgsaussichten der Klage Trumps gering gewesen.
Israel - Krieg in Gaza: Aus Anlass des Plans von US-Präsident Donald Trump, den Gaza-Krieg zu beenden, analysiert die Doktorandin Lisa Wiese auf LTO das "ius post bellum", das Recht der Nachkriegszeit. Die Autorin unterscheidet zwischen den Instrumenten Friedensplan, Waffenstillstandsabkommen und Friedensvertrag und legt dar, dass deren Implementierung und Durchsetzung häufig von asymmetrischen Interessen entsprechend bestehender Machtverhältnisse geprägt sind.
DR Kongo – Ex-Präsident Kabila: Das Oberste Militärgericht der Demokratischen Republik Kongo hat den früheren Präsidenten Joseph Kabila in Abwesenheit wegen Hochverrats und Kriegsverbrechen zum Tode und darüber hinaus zu einer Schadensersatzzahlung von 33 Milliarden US-Dollar verurteilt. Kabila, der seit zwei Jahren im Exil lebt, sei als intellektueller Urheber für den Aufstand der oppositionellen Miliz M 23 im Ostkongo verantwortlich, so das Gericht laut spiegel.de.
Sonstiges
KI in der anwaltlichen Praxis: Die sinnvolle Nutzung von KI-Tools in der anwaltlichen Praxis setzt entsprechende Prompts voraus. Rechtsanwalt Marc Ohrendorf plädiert auf beck-aktuell für "solides Prompt-Management", das Datenschutz gewährleistet und gleichzeitig "versioniert, kategorisiert, validiert und sicher verwahrt".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Mediums.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
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Die juristische Presseschau vom 1. Oktober 2025: . In: Legal Tribune Online, 01.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58282 (abgerufen am: 14.11.2025 )
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