Die juristische Presseschau vom 1. Juli 2014: Religion, Unternehmen und Verhütung – Diätenerhöhung auf dem Prüfstand – Mindestlohn mit Ausnahmen

01.07.2014

Der US-Supreme Court entscheidet gegen die Gesundheitsreform des Präsidenten und für die Glaubensfreiheit von Unternehmen. Außerdem in der Presseschau: Gesetz zur Diätenerhöhung in der Warteschleife, Ausnahmen zum Mindestlohn, neuer Verfassungsrichter, Entscheidung zu Rock am Ring, EGMR zu Burka-Verbot und keine gerichtliche Gnade für eine pfiffige Geschäftsidee.

Thema des Tages

USA – Glaubensfreiheit: US-amerikanische Unternehmen können sich auf die religiösen Überzeugungen ihrer Eigentümer berufen und nicht verpflichtet werden, ihren Angestellten Verhütungsmittel zu finanzieren. Dies entschied der Oberste Gerichtshof des Landes in einem Urteil zu der von Präsident Barack Obama eingeleiteten Gesundheitsreform.

Nach dem Bericht der FAZ (Patrick Bahners) erklärte das Gericht Ausführungsbestimmungen des Gesetzes für die Krankenversicherungspflicht für verfassungswidrig. Diese hätten keine Ausnahme für die Geschäftsinhabern obliegende Pflicht, Angestellten Verhütungsmitteln zu finanzieren, vorgesehen. Dies verstieße gegen den Religious Freedom Restoration Act von 1993. Nach diesem Gesetz dürfe sich die Regierung über religiöse Skrupel Betroffener nur dann hinwegsetzen, wenn ein zwingendes Staatsinteresse verfolgt wird und die Maßnahme erforderlich ist. Die kostenlose Empfängnisverhütung erfülle zwar die erste Anforderung, ihre Umsetzung hätte jedoch auch grundrechtsfreundlicher erreicht werden können, etwa durch eine Finanzierung durch die Regierung selbst oder einem Zwang der Krankenversicherungen zur Kostenübernahme. Die mit fünf zu vier Richterstimmen ergangene Entscheidung gelte allerdings nur für Familienunternehmen. Auch die SZ (Nicolas Richter) berichtet über die "kontroverseste" Entscheidung des Jahres.

Rechtspolitik

Rente: Am heutigen Dienstag tritt das Gesetz zur abschlagsfreien Frühverrentung mit 63 Jahren in Kraft. Rechtsanwalt Hermann Plagemann stellt für lto.de die wichtigsten Neuregelungen vor und prognostiziert, dass Klagen, die wegen der vom neuen Gesetz vorausgesetzten 45-jährigen Einzahlungen erhoben werden, erfolglos bleiben würden. Entgegen einem behaupteten Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz räume das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber regelmäßig einen großen Gestaltungsspielraum ein.

Rechtsprofessor Christian Rolfs (beck-blog.de) macht auf eine Lücke des Gesetzes aufmerksam. Weil mittlerweile auch für Minijobber eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, könne die vom Gesetz vorgesehene Wartezeit vor dem Renteneintritt auch mit mit einem derartigen Beschäftigungsverhältnis überbrückt werden. Der Kommentar des Autors: "Das kommt halt davon, wenn Gesetze im Schnelldurchlauf verabschiedet werden."

Verbraucherinsolvenz: Einen Überblick zu den wesentlichen Änderungen des ebenfalls zum 1. Juli in Kraft tretenden neuen Rechts der Verbraucherinsolvenz bringt lto.de.

Diätenerhöhung: SZ (Nico Fried) und FAZ (Günter Bannas) zeichnen den Weg des derzeit beim Bundespräsidialamt geprüften Gesetzes zur Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten nach. Nach der Billigung des Gesetzentwurfes durch den Bundesrat sei bei einer Überprüfung durch das Innenministerium ein redaktioneller Fehler entdeckt worden. Nach dessen Berichtigung habe das Präsidium des Bundestages die erforderliche Zustimmung aber - vermutlich osterpausenbedingt - erst verspätet erteilt.

Nach Reinhard Müller (FAZ) bestehen gute Gründe für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit. Es sei denkbar, dass die im Gesetz vorgesehene Bestätigung durch jeden neuen Bundestag gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 verstoße. Eine gründliche Prüfung dieser Frage beweise dagegen, dass der Bundespräsident die ihm gerade in Zeiten einer "sehr großen Koalition" obliegende Rolle als Hüter der Verfassung erfülle.

Mindestlohn: Das Gesetz zur Einführung eines allgemeinverbindlichen Mindestlohn soll am kommenden Donnerstag beschlossen werden. Nach dem Kommentar von Barbara Dribbusch (taz) enthülle die anhaltende Debatte über etwaige Ausnahmen vor allem, "wie breit der Billiglohnsektor in einem der reichsten Länder der Erde geworden ist." Die jetzigen Verhandlungen seien "Ausdruck von Lobbyismus und nicht etwa von Gerechtigkeit."

Das Handelsblatt gibt in Gastbeiträgen von Katja Mast (SPD) und der früheren DGB-Vizevorsitzenden Ursula Engelen-Kefer Pro und Contra der Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen wieder.

Drohnen: Über die Experten-Anhörung im Verteidigungsausschuss des Bundestages zur rechtlichen Zulässigkeit der Anschaffung von Kampf-Drohnen berichtet die Welt (Thorsten Jungholt). "Einige Juraprofessoren" hätten darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundeswehr mit derartigen Gerätschaften nicht im deutschen Luftraum üben dürfe.

Reinhard Müller (FAZ) begrüßt das Bekenntnis von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), keine "autonome Killer-Drohnen" anschaffen zu wollen. Diese wären schlicht verboten und überschritten, da sie Menschen von der Verantwortung für das Töten entbinden würden, auch eine rechtsstaatliche Grenze.

Landesmediengesetz NRW: Am Mittwoch soll der nordrhein-westfälische Landtag ein neues Landesmediengesetz beschliessen, das auch die Gründung einer Journalismus-Stiftung vorsieht. Weil dieses "Journalismusrettungsinstrument" über den Rundfunkbeitrag finanziert werden soll, erkennt die FAZ (Reiner Burger) in dem Vorhaben einen "verfassungswidrigen Paradigmenwechsel." Durch eine Umwidmung des Rundfunkbeitrags in eine allgemeine Medienabgabe solle die deutsche Presselandschaft zu einem "öffentlich-rechtliches Mediensystem" umgebaut werden.

Luxusautos: Die Welt (Manuel Bewarder, Zusammenfassung) berichtet über Pläne der Regierungskoalition, die Beschlagnahme von Luxusautos bei der Strafverfolgung im Bereich der Organisierten Kriminalität zu erleichtern.

Verfassungsrichter: Die taz (Christian Rath) stellt Ulrich Maidowski vor, der aller Voraussicht nach am kommenden Donnerstag auf Vorschlag der SPD als Richter in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt wird. Maidowski amtierte seit 2009 als Richter am Bundesverwaltungsgericht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Juli 2014: Religion, Unternehmen und Verhütung – Diätenerhöhung auf dem Prüfstand – Mindestlohn mit Ausnahmen . In: Legal Tribune Online, 01.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12402/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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