Menschenrechtsorganisationen wollen Rückführungen in die Türkei durch Eilanordnungen des EGMR stoppen. Außerdem in der Presseschau: BVerwG zum Rundfunkbeitrag, Freispruch für ehemalige Porsche-Manager und ein misslungener Puffbesuch.
Thema des Tages
EU-Türkei-Abkommen: Nach Informationen der Samstags-SZ (Daniel Brössler/Thomas Kirchner) wollen Menschenrechtsorganisationen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die beschlossenen Rückführungen von Flüchtlingen in die Türkei vorgehen.
Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei stellen unter anderem die Montags-SZ (Nico Fried/Alexander Mühlauer), die Montags-taz (Theodora Mavropoulos), die FAS (Thomas Gutschker) und zeit.de (Lenz Jacobsen) dar. Ab Sonntag sollen alle Flüchtlinge, die nach Griechenland einreisen, zurück in die Türkei gebracht werden. Die Türkei muss hierfür zum sicheren Drittstaat erklärt werden. Im Gegenzug will die EU ein Kontingent von Flüchtlingen direkt aus der Türkei aufnehmen. Die Einzelfallprüfung von Asylanträgen soll trotzdem stattfinden, es gebe aber Probleme bei der Umsetzung.
Rechtspolitik
Ton- und Bildaufnahmen im Gerichtssaal: Die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg hat sich gegen die Übertragung von Urteilen der Bundesgerichte im Fernsehen und Radio ausgesprochen, schildert die Montags-taz (Christian Rath). Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) in der Ressortabstimmung, der die Übertragung aus den Gerichtssälen vorsieht. Alle Bundesrichter seien dagegen, weil sie um das Ansehen der Justiz besorgt sind.
Hinterbliebenenentschädigung: Der Spiegel (Melanie Amann/Gerald Traufetter, spiegel.de-Zusammenfassung) stellt einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) vor, der die Hinterbliebenenentschädigung regeln soll. Vor dem Hintergrund der Germanwings-Katastrophe will die Bundesregierung einen eigenen Schmerzensgeldanspruch für nahe Angehörige von Verunglückten schaffen. Die SPD will einen Betrag von 20.000 bis 60.000 Euro in die Gesetzesbegründung aufnehmen.
Abgeordnetenimmunität: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) tritt für die Abschaffung der Abgeordnetenimmunität ein, berichtet unter anderem der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Das Immunitätsverfahren schade den Abgeordneten, denn es bewirke wegen der breiten Öffentlichkeit eine Vorverurteilung. Alternativ könne das umgekehrte Modell des Brandenburger Landtags angewandt werden, wo die Ermittlungen lediglich auf Antrag von Landtagspräsident, einer Fraktion oder eines Abgeordneten eingestellt werden.
Zigarettenverpackungen: Heribert Prantl (Samstags-SZ) sieht in der beschlossenen Pflicht zum Abdruck von Schockmotiven auf Zigarettenpackungen einen staatlichen Exzess: "Das staatliche Ermessen bei Reglementierungen ist nicht uferlos. Es gilt das Übermaßverbot."
Justiz
BVerwG zu Rundfunkbeitrag: Das Bundesverwaltungsgericht hält den Rundfunkbeitrag für verfassungskonform und hat die Klagen mehrerer Beitragszahler abgewiesen. Unter anderem taz.de (Christian Rath), die Samstags-SZ (David Denk/Claudia Tieschky) und die Samstags-FAZ (Michael Hanfeld) stellen die Hintergründe und das Urteil dar. Die Ansicht der Kläger, wonach der Beitrag eine Steuer sei und die Länder somit keine Gesetzgebungskompetenz hätten, habe sich nicht durchsetzen können.
Nach Reinhard Müller (Samstags-FAZ) sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf einen Kernauftrag beschränken und nicht durch Expansionen die mediale Vielfalt "schleifen".
LG Stuttgart zu Wiedeking: Am Freitag hat das Landgericht Stuttgart den ehemaligen Porschechef Wendelin Wiedeking und den Leiter der Finanzabteilung Holger Härter vom Vorwurf der Markmanipulation im Zusammenhang mit der versuchten VW-Übernahme freigesprochen. Es berichten unter anderem die Samstags-SZ (Max Hägler), die Samstags-FAZ (Susanne Preuß) und spiegel.de (David Böcking).
In einem Videobeitrag kommentiert Giesela Friedrichsen (spiegel.de), das Urteil sei für die Staatsanwaltschaft "eine Ohrfeige mit Anlauf". Für Joachim Jahn (Samstags-FAZ) lässt die Häme des Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung an der Unvoreingenommenheit des Gerichts zweifeln. Volker Votsmeier (Hbl) meint, der Staat solle die "Schlagkraft der Ermittler erhöhen, um die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern".
Die FAS (Georg Meck) spricht mit Wendelin Wiedeking über die Vorwürfe und den Prozessausgang.
Bayerischer Verfassungsgerichtshof - Privatdozenten: Die Montags-SZ (Rudolf Neumaier) befasst sich mit der Klage eines Privatdozenten vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gegen das bayerische Hochschulpersonalgesetz. Dieses sieht wie in den meisten Bundesländern vor, dass habilitierte Wissenschaftler ohne Entgelt lehren müssen, wenn sie den Titel eines Privatdozenten oder Außerplanmäßigen Professors tragen und Vorlesungen halten wollen. Die Lehrerfahrung sei für die Bewerbung auf planmäßige Stellen unerlässlich.
Dienstgericht NRW - Sozialrichter: Die Montags-Welt (Kristian Frigelj) schildert ein Disziplinarverfahren gegen den Richter Jan-Robert von Renesse, der jahrelang für die Ghetto-Renten von Holocaust-Überlebenden am Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen zuständig war. Weil er auf Missstände beim Landessozialgericht bei der Bearbeitung der Ansprüche hinwies, leitete das Gericht und das Justizministerium ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein.
BGH zu WEG: Der Notar und Rechtsprofessor Herbert Grziwotz analysiert auf lto.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das sich mit Immobilienerwerb durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft befasst. Es ging dabei um die Frage, ob der Erwerb eines nahen Parkplatzgrundstücks zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört und damit durch einen Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann. Der BGH habe sich der Unterscheidung der Rechtsprechung nach interner und externer Anschaffung angeschlossen und den Kauf in diesem Fall für rechtens erklärt.
BAG zu Frühverrentung: Nun erläutert Rechtsanwältin Dagmar Husmann auf lto.de das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, ob das Modell zur Frühverrentung von Daimler eine Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz darstellt. Das BAG hat die Entschädigungsklage abgewiesen, weil es in dem Modell eine zusätzliche Leistung sah, die der Kläger freiwillig angenommen habe.
BVerfG zu Akkreditierung: Die Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Akkreditierung neuer Studiengänge verstößt gegen die Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes. Das entschied das Bundesverfassungsgericht, wie lto.de meldet. Die Vorgaben für die Akkreditierung waren nicht im Gesetz konkretisiert, sondern wurden von einer Stiftung und privaten Agenturen festgelegt. Das genügte nicht dem Gesetzesvorbehalt.
Schadensersatzforderungen gegen VW: Nach Berichten der FAS (Corinna Budras) und der WamS (Tina Kaiser/Philipp Vetter) wollen immer mehr Fahrzeugbesitzer und Aktionäre Volkswagen auf Schadensersatz wegen des Abgasskandals verklagen. Neben dem amerikanischen Staranwalt Michael Hausfeld beziffert auch der deutsche Anlegeranwalt Andreas Tilp die Forderungen auf über drei Milliarden Euro.
LG Traunstein zu Schleusern: Vergangenen Donnerstag hat das Landgericht Traunstein in einem Schleuserprozess die Strafen gegen drei Angeklagte verhängt. Unter anderem eine Frau aus Syrien wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die FAS (Corinna Budras) die Arbeit und Organisationsweise von Schleusernetzwerken.
LG München und Vollverschleierung: Nun schildert auch der Spiegel (Dietmar Hipp/Conny Neumann) die Auseinandersetzung um eine Zeugin in einem Strafverfahren vor dem Landgericht München, die ihr Niqab erst auf Drängen des Gerichts abnahm. Der wegen Beleidigung gegenüber der Zeugin Angeklagte wurde wie in der Vorinstanz freigesprochen.
LG Berlin - Mord in Neukölln: Die Montags-taz (Patrick Grosse) bringt einen Prozessbericht zu einem Mord-Verfahren vor dem Landgericht Berlin. Der Angeklagte Rolf Z. könnte aus rassistischen Motiven getötet haben, weil bei ihm NS-Devotionalien aufgefunden worden sind. Es bestehen zudem Parallelen zum Mord an Burak B. in Neukölln.
GBA - Sofia S.: Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen im Fall der 15-jährigen Schülerin aus Hannover übernommen, die einen Polizisten mit einem Messer attackiert und schwer verletzt hatte. Es bestehe der Verdacht, dass die Gymnasiastin Kontakte zum Islamischen Staat unterhielt, schildert der Spiegel (Hubert Gude, spiegel.de-Zusammenfassung). Vor der Tat gingen bei der Polizei mehrere Hinweise auf die Radikalisierung des Mädchens ein.
Justizvollzug: Der Spiegel (Beate Lakotta) führt ein Interview mit dem Direktor der Justizvollzugsanstalt Zeithain Thomas Galli, der für die Abschaffung von Gefängnisse eintritt. Der Justizvollzug richte mehr Schaden an als dass er nütze und belaste den Steuerzahler.
U-Haft für Straßendiebe: Wie die Montags-SZ (Kristiana Ludwig) berichtet, ordnen Richter immer häufiger Untersuchungshaft bei Diebstahls- und Drogendelikten an, wenn die Täter in einem Asylbewerberheim gemeldet sind. In Nordrhein-Westphalen sei die Lage angespannt, weil die Gefängnisse voll ausgelastet sind und die Personen häufiger durch Aggressivität auffallen.
Friedrich Wilhelm Wagner - Biografie: Bundesverfassungsrichter Reinhard Gaier rezensiert in der Montags-SZ die neu erschienene Biografie zu Friedrich Wilhelm Wagner. Der Verfasser Andreas Marquet zeichnet das Leben des ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Verfassungsrichters detailliert nach. Wagner gehörte nach seinem Exil dem Parlamentarischen Rat an und setzte sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein.
Recht in der Welt
Norwegen - Breivik: Am Freitag fand in Norwegen der letzte Verhandlungstag über die Menschenrechtsklage des Rechtsterroristen Anders Breivik statt. Der wegen Mordes an 77 Menschen verurteilte Attentäter beruft sich auf die Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, weil er seit fast fünf Jahren in der Isolationshaft sitzt, erläutert die Montags-SZ (Silke Bigalke). Die norwegische Journalistin Åsne Seierstad berichtet in einem Essay im Spiegel über den Prozess und Breiviks Auftreten vor Gericht.
GB - Euribor-Manipulationen: Die britische Behörde für schwere Wirtschaftskriminalität hat gegen vier ehemalige Deutsche Bank-Mitarbeiter einen Europäischen Haftbefehl wegen Manipulationen am Zinssatz Euribor, von dem Finanzgeschäfte im Wert von Hunderten Billiarden Dollar abhängen, erwirkt. Der Auslieferung könnte aber ein Ermittlungsverfahren der Frankfurter Staatsanwaltschaft entgegenstehen, das seit drei Jahren läuft, berichtet das Hbl (Katharina Slodczyk/Laura de la Motte).
Frankreich - Ausbürgerung: Die von Staatspräsident François Hollande forcierte Verfassungsänderung zur Ausbürgerung von Terroristen wird voraussichtlich nicht kommen, weil der Senat seine Zustimmung verweigert hat. Der parlamentarische Prozess wäre zu langwierig, erläutert die Samstags-taz (Rudolf Balmer).
Sonstiges
Juli Zeh - Unterleuten: Die Montags-SZ (Jörg Magenau) rezensiert den neuen Roman von Juli Zeh "Unterleuten". Im Kriminalroman zeichne die Autorin "in einem ungebrochenen Vertrauen auf die realistische Erzählweise" einen Mikrokosmos eines fiktiven Dorfes in Brandenburg.
Das Letzte zum Schluss
Puff-Panne: Ein 16-Jähriger wollte in Dortmund sexuelle Dienstleistungen mit Falschgeld bezahlen und rannte davon, als die Fälschung erkannt wurde. Auf die Fahndung der Polizei hin meldet sich sein Vater und gab dessen Identität preis. Nun wird gegen den Jugendlichen wegen Inverkehrbringens von Falschgeld ermittelt, meldet justillon.de (Andreas Stephan).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 19. bis 21. März 2016: Flüchtlingsdeal / BVerwG zum Rundfunkbeitrag / Freispruch für Wiedeking . In: Legal Tribune Online, 21.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18779/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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