Die juristische Presseschau vom 1. Februar 2019: Bran­den­burg erhält Pari­täts­ge­setz / "Pakt für Rechts­staat" be­schlos­sen / Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu Sol­da­ten­haaren

01.02.2019

Landtag Brandenburg beschließt Gleichstellungsgesetz. Außerdem in der Presseschau: Bund und Länder haben sich nun auf den "Pakt für den Rechtsstaat" geeinigt und das BVerwG fordert eine gesetzliche Grundlage für den Bundeswehr-Haar-Erlass.

Thema des Tages

Paritätsgesetz Brandenburg: Der Brandenburger Landtag hat gestern ein Gesetz beschlossen, wonach alle Parteien bei Landtagswahlen gleich viele Frauen und Männer als Kandidaten auf ihren Listen aufstellen müssen. Ausgenommen sind die Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Die Regelung soll im Sommer 2020 in Kraft treten, also erst nach der anstehenden Landtagswahl. Weil das Gesetz unzulässigerweise in das Wahlrecht der Bürger eingreife, halten es die Oppositionsfraktionen der CDU und AfD für verfassungswidrig. Es wurden bereits Verfassungsbeschwerden angekündigt wie lto.de und zeit.de weiter berichten.

Jasper von Altenbockum (FAZ) sieht den Vorstoß skeptisch und verweist darauf, dass in einer repräsentativen Demokratie das Parlament alle Bürger des Landes vertreten müsse, anderenfalls wäre "der Bundestag nur noch als Delegiertenversammlung bestimmter Gruppen zu verstehen".

Rechtspolitik

Pakt für den Rechtsstaat: Wie lto.de berichtet, wurde ein erster Teil des sogenannten "Pakts für den Rechtsstaat" am Donnerstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Regierungschefs der Bundesländer besiegelt. Dieser sieht eine Bezuschussung der Länder durch den Bund in Höhe von insgesamt 220 Millionen Euro vor, um die Länder bei der Einstellung von 2.000 neuen Richtern und Staatsanwälten zu unterstützen. Ebenfalls im Pakt, der im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, vorgesehen sind einige Änderungen der Strafprozessordnung, die zu einer Beschleunigung von Strafverfahren führen sollen. Gesetzesvorschläge aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz dürften hierzu bald zu erwarten sein.

Die Übereinkunft wird von Heribert Prantl (SZ) begrüßt:"Es werden nicht Gesetze verschärft, sondern die Zahl der Stellen in der Justiz wird vermehrt. Es wäre gut, wenn so ein neues Kapitel der Rechtspolitik aufgeschlagen würde."

"Mietendeckel": In einem ausführlichen Beitrag auf lto.de (Markus Sehl) wird ein Vorschlag der Berliner SPD beleuchtet, wonach sich aus dem Grundgesetz eine bisher unentdeckte Länderkompetenz zur Regulierung der Mieten ergeben könnte. So liegt die zivilrechtliche Kompetenz für das Mietrecht unbestritten beim Bund, bei der Föderalismusreform 2006 sei den Ländern aber die Zuständigkeit für das "Recht des Wohnungswesens" übertragen worden. Die Diskussion, ob darunter auch das Mietpreisrecht fallen könnte, wird in dem Beitrag beschrieben.

Transparenz beim EU-Lobbyismus: Wie zeit.de und netzpolitik.org (Alexander Fanta) berichten, hat das Europäische Parlament gestern in einer geheimen Abstimmung für die Änderung der eigenen Parlamentsordnung gestimmt. Die neuen Transparenzregeln sehen vor, dass künftig alle Ausschlussvorsitzenden und die sogenannten Berichterstatter im Internet offenlegen, welche Lobbyisten sie für ihre Arbeit treffen, die Einfluss auf die Entstehung neuer Gesetze haben. Diese Angaben waren bisher freiwillig.

Implantateregister: Wie die SZ (Kristiana Ludwig/Frederik Obermaier) berichtet, hat die Bundesregierung nun ein Gesetz zur Schaffung eines Implantateregisters vorgelegt. Diese Datenbank soll ab 2020 der besseren Kontrolle von implantierten Medizinprodukten, beispielsweise Hüftgelenken, dienen und bei dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information eingerichtet werden, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht.

Justiz

EGMR zu Holocaust-Leugner: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine von dem Briten Richard Williamson eingelegte Beschwerde abgelehnt. Der konservative Geistliche Williamson hatte im Jahr 2008 in einem in Deutschland geführten Interview mit dem schwedischen Fernsehen die Existenz von Gaskammern in Konzentrationslagern geleugnet und war dafür schließlich vom Landgericht Regensburg wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Williamson hatte daraufhin den EGMR angerufen, weil er sich durch das Urteil in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt sah. Seine Aussagen seien nur für die schwedische Öffentlichkeit gedacht gewesen, wo Holocaustleugnungen nicht strafbar sind, so die Argumentation Williamsons. Es berichten taz.de (Christian Rath) und lto.de.

BSG zu "angemessenen" Unterkunftskosten: Arbeitslosengeld-II-Bezieher haben Anspruch auf die Übernahme von "angemessenen" Unterkunftskosten, wobei häufig umstritten ist, was als angemessen gilt. Nun hat das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen vom Mittwoch die Praxis der Jobcenter für unzulässig befunden, bei der die Behörden in einem festgelegten Gebiet unterschiedliche Grenzen für die Unterkunftskosten bestimmten, berichtet die SZ. Hartz-IV-Bezieher könnten nun in Flächenlandkreisen einfacher umziehen und die Jobcenter müssten bei ihrer Berechnung auf mehr Details achten als bisher

BVerwG zu langen Haaren von Soldaten: Der Haar- und Barterlass der Bundeswehr hat keine Rechtsgrundlage, urteilte das Bundesverwaltungsgericht gestern. Der Bundestag habe deshalb "in angemessener Zeit" eine gesetzliche Leitentscheidung zu treffen. Bis dahin gelte der Erlass aber in seiner ursprünglichen Form. Geklagt hatte ein 51-jähriger Soldat, der seine Haare wachsen lassen möchte. Das Tragen von langen Haaren ist dem Erlass nach jedoch nur Frauen gestattet. Es berichten taz.de (Christian Rath) und sz.de.

OLG Zweibrücken zu überlanger Untersuchungshaft: Auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hin ordnete das Oberlandesgericht Zweibrücken nun die Freilassung des Angeklagten im "Frankenthaler Babymordprozess" an. Der Mordverdächtige befand sich seit Mai 2016 in Untersuchungshaft. Eine derart lange Untersuchungshaft verletze sein Grundrecht auf Freiheit der Person und sei trotz der Schwere der Tat nicht mehr zu rechtfertigen, befand das Verfassungsgericht. Das Landgericht Frankenthal hatte angeführt, überlastet zu sein, worin laut Bundesverfassungsgericht jedoch niemals ein Grund für eine längere Haftdauer liegt. Es berichtet lto.de.

LG Dortmund zu Astwurf auf Autobahn: Weil er aus Frustration einen zehn Kilo schweren Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 warf, wurde ein 22-jähriger Mann jetzt wegen versuchten Mordes vom Landgericht Dortmund zu sieben Jahren Haft verurteilt. Es berichtet spiegel.de

LG München I zu Patentstreit Apple vs. Qualcomm: Laut lto.de wies das Landgericht München I im Patentstreit zwischen Apple und dem Chipkonzern Qualcomm in einem Fall die Klage von Qualcomm teilweise ab. Der Konzern hatte Apple die Verletzung von vier Patenten vorgeworfen, für zwei Patente wies das LG nun die Klage ab. Für die anderen beiden ist zuvor noch die Einschätzung des Europäischen Patentamts abzuwarten.

AG Fürstenfeldbruck zum "Containern": Zwei Angeklagten war vorgeworfen worden, im Sommer 2018 aus einem Müllcontainer einer Supermarktkette Lebensmittel entnommen zu haben. Nun hat das Amtsgericht Fürstenfeldbruck sie nach §§ 242, 59 Strafgesetzbuch (StGB) wegen einfachen Diebstahls mit Strafvorbehalt verwarnt. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor das Verfahren wegen "öffentlichem Interesse" nicht einstellen wollen. Zum Verfahrensausgang berichten nun auch die taz (Sinan Recber/Dominik Baur) und lto.de (Tanja Podolski)

In einem Kommentar erläutert Ulrike Heidenreich (SZ), in welcher juristischen Grauzone sich das sogenannte "Containern" bewegt und warum eine gesetzliche Regelung gegen Lebensmittelverschwendung, beispielsweise nach französischem Vorbild, unter anderem auch die Justiz in Deutschland entlasten würde.

E-Akte: Auf lto.de befasst sich Ralf Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt, mit der elektronischen Akte, ihren Vorzügen und ihrem Potenzial, aber auch ihren zu erwartenden Schwächen. Er bedauert zudem, dass die Einführung der elektronischen Akte nicht direkt zu einer verfahrensrechtlichen methodischen Reform genutzt wird, sondern die Papieraktenstruktur beibehalten und bloß in die elektronische Form transformiert werde.

Recht in der Welt

Belgien – EGMR zu Therapie in Muttersprache: Laut lto.de wurde Belgien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 32.500 Euro verurteilt. Dem lag zugrunde, dass ein verurteilter Mörder und Vergewaltiger in einer belgischen forensisch-psychiatrischen Einrichtung jahrelang keine Therapie in seiner deutschen Muttersprache bekommen hatte. Belgien hat damit sowohl gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung als auch gegen das Recht auf Freiheit verstoßen, so der EGMR. Die Anträge des Häftlings auf Freilassung waren unter anderem auch wegen der fehlenden Therapie abgelehnt worden.

Russland – EGMR zu Abschiebung von Georgiern: Weil Russland im Jahr 2006 massenhaft Georgier auswies, wurde es jetzt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer Zahlung von zehn Millionen Euro an Georgien verurteilt. Die Richter hatten schon 2014 geurteilt, dass Russland mit den Massenabschiebungen gegen das Verbot kollektiver Ausweisung, das Verbot menschenunwürdiger Behandlung  und das Recht auf Freiheit und Sicherheit verstoße. Lediglich die Entscheidung über die Entschädigung war vertragt worden, wie die taz (Christian Rath) ferner erläutert.

USA – Klage gegen Huawei: Wie zeit.de meldet, hat das US-amerikanische Justizministerium Anklage gegen das chinesische Technologieunternehmen Huawei, dessen Finanzchefin und weitere Tochterfirmen erhoben. Dem Unternehmen werden in 13 Anklagepunkten unter anderem Bankbetrug, Geldwäsche, Industriespionage sowie Verstöße gegen die US-Sanktionen gegen den Iran vorgeworfen.

Juristische Ausbildung

Regelstudienzeit für Jurastudierende: Wie lto.de meldet, hat Nordrhein-Westfalen im federführenden Bundesratsausschuss den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes vorgelegt, wonach die Regelstudienzeit für das Jurastudium um ein Semester auf nun zehn Semester angehoben werden soll. Der Entwurf fand in dem Ausschuss eine breite Mehrheit. Damit sollen Studierende entsprechend länger Geld nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten können und verhindert werden, dass viele Studierende aus finanziellen Gründen ihr Studium vorzeitig abbrechen.

Sonstiges

Roman "Stella": In dem aufkommenden Streit um die Darstellung von Stella Goldschlag in dem Roman "Stella" von Takis Würger könnten die Kunstfreiheit und das postmortale Persönlichkeitsrecht gegeneinander abgewogen werden müssen, ähnlich wie bei dem Streit um "Mephisto" von Klaus Mann. Dies führt die SZ (Marie Schmidt) aus. In einem Interview mit der taz (Dirk Knipphals) erläutert der Anwalt Karl Alich, der die Erben von Stella Goldschlag vertritt, warum und wie diese gegen den Roman "Stella" vorgehen wollen.

Schlichtungsstelle der Anwaltschaft: Als Alternative zur konventionellen gerichtlichen Streitbeilegung zwischen Anwalt und Mandant bei Streitigkeiten aus dem Mandatsverhältnis wird die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft immer häufiger in Anspruch genommen. Dies geht aus dem jährlichen Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle hervor, wie lto.de meldet.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 


Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ali

(Hinweis für Journalisten)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Februar 2019: Brandenburg erhält Paritätsgesetz / "Pakt für Rechtsstaat" beschlossen / Bundesverwaltungsgericht zu Soldatenhaaren . In: Legal Tribune Online, 01.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33599/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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