Eine der großen Konstanten von Legal Tribune Online ist die tägliche Presseschau. Am 18. April 2011 erschien sie zum ersten Mal, an diesem Wochenende ist also ihr zehnter Geburtstag. Eine Rückschau und Bilanz von Gründer Christian Rath.
Warum gibt es keinen Perlentaucher für Jurist:innen? Das fragte ich mich lange Zeit. Der "Perlentaucher" war und ist ein Online-Kulturjournal, das mit der täglichen Presseschau "Heute in den Feuilletons" bekannt wurde. Diese morgendliche Rundschau über die Kulturseiten der großen Tageszeitungen war äußerst praktisch, aber eben auf Kulturthemen beschränkt.
Wie alles anfing
Im März 2011 fragte ich deshalb Christian Dülpers, einen der LTO-Gründer: "Wollt Ihr nicht eine Presseschau für juristische Themen machen?". LTO war da knapp ein Jahr alt und hatte sich bereits gut etabliert. "Das haben wir auch schon diskutiert", sagte Dülpers, "aber wer soll das machen, jede Nacht?" Nachtarbeiter war ich ja. Aber kann ich eine Presseschau schreiben, in der ich selbst regelmäßig auftauche? "Kein Problem", meinte Dülpers, es sei ja nur eine Presseschau. "Schreib' doch mal ein Konzept."
Was für eine unerwartete Wendung des Gesprächs. Aber ich war sofort begeistert, schrieb einen Projektplan und kontaktierte am nächsten Tag Max Steinbeis, der damals gerade den Verfassungsblog gegründet hatte. Max hatte Interesse. Wir erstellten ein Probestück - und schon waren wir uns mit LTO einig. Unsere Partnerin auf LTO-Seite war von nun an die mittlerweile ehemalige Chefredakteurin Pia Lorenz.
Dann ein erster kleiner Schock: Noch bevor es losging, stieg Max Steinbeis wieder aus. Seine Frau hatte ihn daran erinnert, dass er morgens die Kinder in die Schule bringen müsse und deshalb seine Nächte nicht mit einer Presseschau verbringen könne. Was nun?
Mit Hilfe von Thorsten Deppner, heute Umweltanwalt in Berlin, entstand ein neues, nun sechs-köpfiges Team, zu dem auch Annelie Kaufmann zählte, später Redakteurin der Deutschen Richterzeitung und heute bei LTO, sowie der Rechtshistoriker und Krimiautor Ralf Oberndörfer.
Am 18. April 2011 ging die erste LTO-Presseschau online. Die programmatische Überschrift: "Schnell informiert den Tag beginnen". Das erste Thema des Tages: "Wie geht es weiter bei der Vorratsdatenspeicherung?" So vertraut ist doch die Vergangenheit.
Nun hatte ich zwei Wochen Zeit, Sachen auszuprobieren und zu verändern. Täglich sah die Presseschau deshalb etwas anders aus. Die Rubriken entstanden, die Schlagworte, die dreiteilige Überschrift. Alles vor den Augen des Publikums. Nicht lange diskutieren, einfach ausprobieren. Das war der Startup-Spirit, der LTO auch heute noch auszeichnet. Am 2. Mai 2011 begann dann der Regelbetrieb. Und ungefähr so sieht die LTO-Presseschau heute immer noch aus, nur umfangreicher.
Wie eine Presseschau entsteht
Derzeit wird die LTO-Presseschau von einem achtköpfigen Team erstellt. Von der Startformation bin nur noch ich dabei. Lange Erfahrung haben aber auch Marc Pietrzynski (seit 2013) und Peggy Fiebig, ehemalige Pressesprecherin der Bundesrechtsanwaltskammer (seit 2016). Im Lauf der Jahre haben schon mehr als zwei Dutzend Jurist:innen an der LTO-Presseschau mitgewirkt, die meisten waren Referendar:innen, Doktorand:innen, Junganwält:innen und Journalist:innen.
In der Regel wird die LTO-Presseschau pro Nacht von nur einer Person erstellt, die aber täglich wechselt. Das heißt: Eine Person scannt alle Medien, wählt die Themen aus und schreibt die Zusammenfassungen. Pro Presseschau sind acht bis zehn Stunden Arbeitszeit erforderlich. Leider ist das kein gemütliches Zeitunglesen, sondern harte Akkordarbeit - mitten in der Nacht. Spätestens um 7.30 Uhr geht die Presseschau nämlich online. Nur drei Mal in zehn Jahren ist sie ausgefallen.
Anders als der Perlentaucher, der sich auf die "Kulturseiten" der Zeitungen konzentrieren kann, muss eine juristische Presseschau alles im Blick haben. Rechtlich relevante Artikel gibt es nicht nur im Politik-Teil, sondern auch in der Wirtschaft, im Vermischten oder im Sport.
Derzeit verwerten wir täglich die E-Paper von fünf Tageszeitungen (SZ, FAZ, taz, Welt, HBl), fünf allgemeine Online-Medien (spiegel.de, zeit.de, focus.de, bild.de, netzpolitik.org) und acht juristische Online-Angebote (LTO, Verfassungsblog, JuWisBlog, ZPO-Blog, beck-aktuell, beck-community, FAZ-Einspruch, Hbl-Rechtsboard). Nach einzelnen Journalist:innen (Gudula Geuther, Jost Müller-Neuhof) suchen wir gezielt, die ARD-Medien weisen uns aktiv auf ihre juristischen Online-Beiträge hin. Hinzu kommen die Wochenzeitungen (Spiegel, Zeit, FAS und WamS). Für sonstige Vorschläge und Tipps kann man uns über hier kontaktieren.
Die LTO-Presseschau ist kein Blog. Wir kommentieren nicht launig die Tagespresse, sondern versuchen, sie täglich im gleichen Stil zusammenzufassen. Grundregel ist: Die Zusammenfassung soll kurz, präzise und orientierend sein. Um einen einheitlichen Stil zu gewährleisten, gibt es ein Regelbuch, das inzwischen 35 Seiten umfasst.
Wer die Presseschau nutzt
Die LTO-Presseschau zielt nicht auf eine bestimmte Berufsgruppe, sondern auf alle Jurist:innen, die up to date sein möchten. Aus Umfragen wissen wir, dass vor allem der schnelle Überblick über die wichtigen juristischen Ereignisse und die relevanten Diskurse geschätzt werden. Für viele gehört dies zum professionellen Selbstverständnis, andere wollen einfach nur beim Mittagessen in der Kantine mitreden können.
Ein Einstieg in die regelmäßige Presseschau-Lektüre ist für viele die Examenszeit. Es ist bekannt, dass sich Prüfer:innen für das mündliche Examen gerne Anregungen in der LTO-Presseschau holen. Deshalb ist sie für viele Kandidat:innen fast schon Pflichtlektüre.
Seit 2017 kann die LTO-Presseschau als täglicher morgendlicher Newsletter abonniert werden. Dies hat ihre Reichweite signifikant erhöht. Derzeit wird der Presseschau-Newsletter täglich an rund 12.000 Empfänger:innen versandt. Trotzdem hat sich die Zahl der Nutzer:innen auf der LTO-Webseite mit weiterhin rund 3.000 pro Tag nicht reduziert.
Was besonders erfreulich ist: Die meisten Nutzer:innen lesen die LTO-Presseschau täglich oder mehrmals wöchentlich, sind also echte Stammleser:innen. Bei dieser Gelegenheit: ein herzlicher Dank für Ihr anhaltendes Interesse!
Wir hoffen aber, dass wir mit der LTO-Presseschau nicht nur individuell nützlich sind, sondern auch Rechtstaat und Demokratie einen kleinen Dienst erweisen. Unser Ziel ist es, faktenbasierten Journalismus zu unterstützen, juristische und rechtspolitische Diskurse besser zugänglich zu machen, kurz: die juristische Welt etwas zusammenzuhalten.
Dr. Christian Rath ist seit 2011 im Auftrag von LTO für die LTO-Presseschau verantwortlich. Er schreibt auch regelmäßig für LTO und arbeitet als rechtspolitischer Korrespondent u.a. für die taz, die Badische Zeitung und das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Schnell informiert den Tag beginnen": . In: Legal Tribune Online, 16.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44736 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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