Der EuGH hat in einem Grundsatzurteil der Antidiskriminierungs-Richtlinie Zähne verliehen: Eine Schlechterstellung eingetragener Lebenspartner gegenüber Eheleuten ist europarechtswidrig. Außerdem in der Presseschau: eine kontroverse Debatte um die Bedeutung der Meinungsfreiheit im Internet, Hoffnungen auf Reisefreiheit für Kubaner und vieles andere.
Antidiskriminierung: Wie unter anderem die taz (Christian Rath) ausführlich berichtet, hat der EuGH in einem Grundsatzurteil die Rechte homosexueller Paare gestärkt. In dem vom Hamburger Arbeitsgericht vorgelegten Fall urteilte der Gerichtshof aufgrund der Antidiskriminierungs-Richtlinie, dass der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Kläger hinsichtlich seiner Versorgungsbezüge gegenüber Eheleuten nicht schlechter gestellt werden dürfe. Seine Lebenssituation sei mit der einer Ehe vergleichbar.
LTO (Michael Bisle) weist zudem darauf hin, dass das Urteil nicht nur für den öffentlichen Sektor gelte, sondern auch auf betriebliche Altersvorsorgen übertragbar sei.
Während die FTD das Urteil als Teil eines "mühseligen Stückwerks" begrüßt und Max Steinbeis (Verfassungsblog) allein bedauert, dass sich der EuGH nicht in Mangoldt-Manier damit auseinandergesetzt hat, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung nicht gar einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt, kommentiert Reinhard Müller (FAZ) die Entscheidung schon fast resigniert: Es wäre "geradezu merkwürdig", wenn "ausgerechnet die gleichstellungsfixierten Luxemburger Richter" diesen Fall anders gesehen hätten.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Transparenz: Anknüpfend an die gestrige Berichterstattung widmet sich heute auch spiegel.de (Florian Gathmann/Philipp Wittrock) kritisch den geplanten neuen Transparenzregeln für die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten. Neben einer Darstellung der politischen Auseinandersetzung wird insbesondere die Kritik an der hohen neuen "Bagatellgrenze" von 10.000 Euro je Auftrag hervorgehoben. FTD.de (Friederike von Tiesenhausen) schlägt in die gleiche Kerbe und titelt "Abgeordnete werden noch undurchsichtiger".
Meinungsfreiheit: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet von einer Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Berlin, auf der Verfassungs- und Zivilrechtler kontrovers zur Bedeutung der Meinungsfreiheit im Internet diskutierten. Während der Verfassungsrichter Johannes Masing den Schutz der Meinungsfreiheit im Internet auf einer Stufe mit anderen Medien gesehen habe, habe der Freiburger Zivilrechtler Alexander Bruns den Schutz von Ehre und Privatsphäre gestärkt wissen wollen. Besonders kontrovers seien dabei Bewertungsplattformen diskutiert worden. Etwas pointierter und ausführlicher stellt der Bericht der SZ (Helmut Kerscher) die anschließende Diskussion dar und fasst diese markant mit den Worten zusammen, hier seien die "Netz-Optimisten gegen die Netz-Pessimisten" angetreten.
Pressefreiheit: In diesem Zusammenhang ist außerdem auf einen Beitrag im Lawblog (Udo Vetter) hinzuweisen, der sich mit dem Urteil des EGMR im Mosley-Fall auseinandersetzt. Dieser sei zu Unrecht der Teilnahme an "Nazi-Sex-Partys" bezichtigt worden und habe nun versucht, aus Art. 8 EMRK ein "pre-notification requirement", also eine Vorabinformation der von brisanten Berichterstattungen Betroffenen abzuleiten. Eine so weitgehende Einschränkung der Pressefreiheit habe der EGMR nun jedoch unter Hinweis auf einen befürchteten "chilling effect" versagt.
Jura-Export: Die SZ ( Wolfgang Janisch) widmet sich den "juristischen Entwicklungshelfern" der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit (IRZ). Anlass für den ausführlichen Bericht ist deren jüngste Kontaktaufnahme zu den sich neu entwickelnden Rechtsstaaten in Tunesien und Ägypten; im Zuge der Darstellung wird aber insbesondere die bisherige Arbeit der Stiftung in Osteuropa und Asien in den Blick genommen. Als "Exportschlager" wird das deutsche Verfassungsgericht bezeichnet.
Weitere Themen - Justiz
Demjanjuk-Prozess: Am voraussichtlichen Urteilstag beschäftigt sich die taz (Klaus Hillenbrand) ausführlich mit dem Strafprozess gegen den mutmaßlichen KZ-Wächter John Demjanjuk. Als "historisches Lehrstück" wird der Prozess beschrieben, der in den Augen des Autors "völlig verkorkst begonnen hat", dann aber "ein Muster an Rechtsstaatlichkeit" gewesen sei. In einem ergänzenden Artikel weist die taz (Klaus Hillenbrand) zudem darauf hin, dass ein Schuldspruch weitere Prozesse nach sich ziehen würde, weil damit juristisches Neuland betreten würde: Ein individueller Schuldbeweis sei von der Staatsanwaltschaft nicht angetreten worden – in ihren Augen genüge die Anwesenheit des Angeklagten im Lager für die Verurteilung. Auch die FR beschäftigt sich mit dem Prozess und hebt dabei das Plädoyer der Verteidigung hervor, die in dem Verfahren "einen Schauprozess" sieht, "der von der deutschen Schuld am Holocaust ablenken soll."
Urteilsvermeidung: Die FTD (Anja Krüger/Herbert Fromme) widmet sich kritisch der Praxis von Versicherungen, Grundsatzurteile des BGH "systematisch" im letzten Moment durch individuelle Abreden mit den Klägern zu verhindern. Eine mögliche Lösung sei, dass der BGH auch außerhalb von Urteilen seine Rechtsauffassung kundtue.
Post-Subventionen: Wie unter anderem das Handelsblatt (Jens Koenen/Thomas Ludwig) berichtet, weitet die EU-Kommission ihre wettbewerbsrechtlichen Ermittlungen gegen die Deutsche Post AG aus. Diese würden nun erweitert um solche Beihilfen, die Pensionsansprüche ehemaliger und noch beschäftigter Beamter betreffen. Auch die FTD beschäftigt sich mit dem Fall und weist darauf hin, dass die Post in der Vergangenheit wegen unzulässiger Beihilfen von der Kommission schon einmal belangt, diese Entscheidung vom EuGH aber kassiert worden sei.
Doktorarbeits-Schummelei: Laut Welt.de (S. Meyer/M. Neller) ist der erste Strafantrag eines Betroffenen gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eingegangen. Dadurch sei die "Chance einer Anklage erhöht" worden. Zudem berichtet unter anderem die FR , dass auch Silvana Koch-Mehrin (FDP) nun der Entzug ihres Doktortitels durch die Heidelberger Universität drohe.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Reisefreiheit Kuba: Neben anderen Medien berichtet die FAZ, dass die kubanische Regierung verschiedene Liberalisierungen erwägt. Insbesondere solle das faktische Reiseverbot gelockert werden. Klaus Ehringfeld (FR) zweifelt, ob es wirklich dazu kommen wird – es handele sich um "ein sensibles Thema, das das kommunistische System in Gefahr bringen könnte."
Syrien-Sanktionen: Zeit.de schildert die wegen der Unterdrückung der Opposition von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Syrien. Darunter seien auch Einreiseverbote, unter anderen für einen Bruder von Präsident Assad. Thorsten Knuf (FR) kritisiert die Maßnahmen als "halbherzig": Insbesondere werde der Präsident selbst geschont.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
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Legal Voices – Die tägliche LTO-Presseschau: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3241 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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