Das EU-Parlament berät über die weitere Vorgehensweise in Sachen TTIP. Außerdem in der Presseschau: Expertenbericht zur Reform des Mordparagrafen, Zschäpes Verteidigerin bleibt und Supreme Court legitimiert gleichgeschlechtliche Ehe.
Thema des Tages
Künftige Schritte in Sachen TTIP: Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments soll am heutigen Montag über die weitere Vorgehensweise in Sachen TTIP entscheiden. Der Ausschuss wird darüber beraten, wie mit den 116 Änderungsanträgen zu verfahren ist und eine Vorabentscheidung darüber treffen, ob die Abgeordneten noch vor der Sommerpause über TTIP abstimmen sollen. Entscheidend dafür sei, dass diese sich in der Frage einigen können, ob das Freihandelsabkommen eine Klagemöglichkeit für Unternehmen vorsehen soll. Dies teilt die Montags-taz (Anja Krüger) mit.
Rechtspolitik
Reform des Mordparagrafen: Am heutigen Montag wird die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einberufene Expertenkommission aus Strafrichtern, Anwälten, Staatsanwälten und Strafrechtsprofessoren ihren Bericht zur Reform des Mordparagrafen präsentieren. Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) kennt den Abschlussbericht und stellt die Vorschläge der Kommission vor. Auch der Spiegel (Melanie Amann) bringt eine Meldung über den Abschlussbericht.
Vorratsdatenspeicherung: Unter anderem der Deutsche Richterbund und der Bund Deutscher Kriminalbeamter erkennen Schwachstellen in der geplanten Vorratsdatenspeicherung. spiegel.de (Jörg Diehl) erklärt, warum Strafverfolger die geplante Regelung für praxisfern halten.
EU-Flüchtlingspolitik: Auf dem EU-Gipfel einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder am vergangenen Freitag nach "heftigen Diskussionen" auf einen Kompromiss über die Verteilung von 60.000 Flüchtlingen in der EU. Verbindlichen Quoten solle es nicht geben; die Flüchtlinge sollen freiwillig auf die anderen Mitgliedsstaaten verteilt werden. Einigung bestand auch dahingehend, die Abschiebung illegaler Flüchtlinge zu beschleunigen. Samstags-FAZ (Michael Stabenow), Samstags-Welt (Christoph B. Schiltz) und Samstags-SZ (Daniel Brössler) informieren.
Heribert Prantl (Samstags-SZ) moniert, das Prinzip der Freiwilligkeit sei nur "ein anderes Wort für Unwilligkeit". Europa brauche ein "Bewusstsein für Menschenrechte", das "Vertrauen in Menschenrechte" – es sei ein "Bewusstsein für eine gute Zukunft". Prantl meint, Europa "sollte stolz darauf sein, dass es helfen kann".
Innenministerkonferenz: Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich in der vergangenen Woche weder darauf einigen, die Schleierfahndung auszuweiten, noch islamistischen Gewalttätern mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche zu entziehen. Die Samstags-SZ (Stefan Braun) und taz.de (Christian Rath) berichten auch von weiteren zentralen Fragen, bei denen die Innenminister keine gemeinsame Position fanden.
EU-Urheberrechtsverordnung: Die Samstags-FAZ (Andreas Diener) beschäftigt sich im Ressort Medien jetzt auch mit dem Berichtsentwurf des EU-Rechtsausschusses, welcher vorschlägt die Panoramafreiheit einzuschränken. Der Beitrag zeigt anhand des Beispiels von Ländern, die keine Panoramafreiheit gewährleisten, mit welchen Folgen Fotografen rechnen müssten, würde der Entwurf umgesetzt. Die Montags-Welt (Kathrin Gotthold/Benedikt Fuest/Thomas Jüngling) erklärt auch Voraussetzungen und Folgen der Urheberrechtsverletzung.
Suizidhilfe: Diese Woche will der Bundestag über die Neuregelung der Suizidhilfe beraten. Aus diesem Anlass bringt die Samstags-taz (Heike Haarhoff – Online-Zusammenfassung) im Gesellschaftsressort ein Streitgespräch zwischen dem Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach und dem Gründer des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" Roger Kusch.
Der Spiegel (Christian Hoffmann/Cornelia Schmergal/Britta Stuff) resümiert die vier Anträge, über welche der Bundestag beraten wird, und stellt ausführlich unterschiedliche Positionen der Politiker dar.
Prostituiertenschutzgesetz: Gerhard Haase-Hindenberg schildert für die WamS ausführlich das geplante Prostituiertenschutzgesetz. Anhand von Beispielen beschreibt er die derzeitige Arbeitssituation verschiedener Prostituierter und etwaige Folgen des Gesetzes.
In einem separaten Interview spricht Gerhard Haase-Hindenberg in der WamS mit Ulrike Bahr, der Berichterstatterin der SPD-Fraktion für das Prostituiertenschutzgesetz, über das geplante Gesetz. Kritisch hinterfragt er insbesondere, wie bestimmte Regelungen – etwa die Kondompflicht – umgesetzt werden sollen.
Mautgesetz: Der Focus (oo – Online-Zusammenfassung) weist kurz darauf hin, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Maut nach wie vor für rechtmäßig hält. Er moniere, dass die EU-Kommission nicht die Kompetenz habe, über die Höhe der KfZ-Steuer zu entscheiden, denn Steuern fielen in die nationale Zuständigkeit.
Sachverständigenrecht: Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Änderung des Sachverständigenrechts will die Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlicher Sachverständiger gewährleisten. Der Focus (Matthias Kowalski – Online-Zusammenfassung) erklärt, wie ausgeschlossen werden soll, dass parteiische Experten Gutachten für das Gericht erstellen.
Gleichgeschlechtliche Ehe: Die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch das Oberste Gericht der USA zeigt auch in der deutschen Debatte Wirkung. Die Montags-FAZ (Rainer Blasius) meldet, einige Politiker sähen das Urteil als "Signal" für Deutschland.
Justiz
BGH zu Versammlungsfreiheit: Auch auf dem Betriebsgelände von Flughäfen darf demonstriert werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof am vergangenen Freitag und stärkte damit die Versammlungsfreiheit. Im vorliegenden Fall hatte ein 71-jähriger Jesuit geklagt – der Berliner Flughafen Schönefeld hatte ihm und seiner Gruppe "Ordensleute gegen Ausgrenzung" untersagt, Mahnwachen vor einem Abschiebegewahrsam auf dem Betriebsgelände des Flughafens abzuhalten. Dies schildern der Tagesspiegel (Sandra Dassler/Jost Müller-Neuhof) und taz.de (Christian Rath).
BVerwG zu Unterlagen des Wissenschaftlichen Dienstes: Der Bundestag muss Einsicht in die Unterlagen des Wissenschaftlichen Dienstes gewähren. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht vergangenen Donnerstag. Die Samstags-Welt (Manuel Bewarder) berichtet von dem Verfahren und dessen Hintergründen. Bewarder selbst hatte sich auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen und unter anderem Einsicht in Dokumente zur Guttenberg-Affäre beantragt.
GBA – Terroranschlag in Tunesien: Der Generalbundesanwalt hat wegen des Terroranschlags im tunesischen Sousse am vergangenen Freitag ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes, des Mordversuchs und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland eingeleitet. Unter den Opfern des Anschlags, der dem IS zugerechnet wird, soll auch ein deutscher Staatsangehöriger sein. Die FAS (Michaela Wiegel/Markus Wehner/Peter Carstens) berichtet.
OLG München – NSU: Das Oberlandesgericht München hat den Antrag von Beate Zschäpe, ihre Pflichtverteidigerin Anja Sturm zu entpflichten, am vergangenen Freitag abgelehnt. Es lägen keine "konkreten, hinreichenden und nachgewiesenen Anhaltspunkte" vor, die belegten, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwältin und Mandantin so "nachhaltig gestört" ist, dass Sturm ihr Mandat nicht sachgerecht ausüben kann, so das Gericht. spiegel.de legt die Argumentation dar.
LG Hamburg – vergifteter Sohn: Das Landgericht Hamburg wird darüber entscheiden müssen, ob es im Falle einer Mutter, die ihrem Sohn wohl mehrfach unterschiedliche Schadstoffe injiziert hat, eine Anklage wegen versuchten Mordes zulässt. Die Anklage liegt dem Gericht bereits seit einem Jahr vor. Der Spiegel (Julia Jüttner) schildert den Fall und erklärt kurz die strafprozessrechtlich relevanten Aspekte.
StA Berlin – Festnahme Mansour: Der Spiegel (Melanie Amann/Hubert Gude Dietmar Hipp/Sven Röbel) befasst sich jetzt auch mit der Festnahme Ahmed Mansours. Der Beitrag erläutert, das "eklatante Versagen der deutschen Behörden" - "von den Fahndern im Bundeskriminalamt über die weltgewandten Diplomaten im Auswärtigen Amt bis zu den Topjuristen im Bundesamt für Justiz".
Heiko Maas: Die WamS (Matthias Matussek) porträtiert Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und wirft dabei einen kritischen Blick auf dessen politische Arbeit. Der Beitrag beleuchtet Maas' "Umfallen" hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung, seinen Standpunkt zu Pegida und weitere seiner rechtspolitischen Maßnahmen.
Glücksspielstaatsvertrag: Verfassungs- und Europarechtler haben in mehreren Gutachten dargelegt, weshalb sie den Glücksspielstaatsvertrag für unionsrechtswidrig erachten. Das Glücksspielkollegium der Bundesländer, welches über die bundesweiten Glückspielregeln entscheidet, könne zudem verfassungswidrig sein. Die Montags-SZ (Jan Willmroth) erläutert diese rechtlichen Bedenken – es laufen bereits mehrere Verfahren, unter anderem vor dem Europäischen Gerichtshof.
Recht in der Welt
USA – Gleichgeschlechtliche Ehe: Das Oberste Gericht der USA hat die gleichgeschlechtliche Ehe für alle Bundesstaaten legitimiert. Das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung ergebe sich aus dem in der Verfassung verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz, daher dürften einzelne Bundesstaaten diese nicht untersagen, so die Richter. Dies schreiben unter anderem die Samstags-Welt, Samstags-taz (Bernd Pickert), Samstags-SZ (Hubert Wetzel) und Samstags-FAZ (Andres Ross).
USA – "Kreative" Urteile: Der Richter eines US-amerikanischen Bezirksgerichts, Michael Cicconetti, belässt es bei seinen Entscheidungen nicht bei den üblichen Mitteln der Justiz – er denkt sich für jede Tat eine eigene "Erziehungsmaßnahme" aus, um den Tätern das Leid ihrer Opfer bewusst zu machen. Der Spiegel (Claas Relotius) illustriert jetzt auch die Entscheidungen des Richters – so mussten beispielsweise Personen, die Polizisten als "Schweine" beschimpft hatten, als solches verkleidet durch die Stadt laufen. Der Oberste Gerichtshof schützt solche "kreativen" Urteile.
Sonstiges
NSA-U-Ausschuss – Sonderbeauftragter: Der Doktorand Christoph Smets erläutert für lto.de, warum der NSA-Untersuchungsausschuss einen Anspruch darauf hat, die Selektorenliste zu sichten. Die Einführung einer Vertrauensperson durch die Bundesregierung hält er für "halbseiden und überflüssig".
NSU-U-Ausschuss: Der Bundestag wird am kommenden Donnerstag darüber beraten, einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Opposition befürwortet dieses Vorhaben, SPD und CDU zeigten sich "offen", so der Spiegel (wow).
Das Letzte zum Schluss
"Du Mädchen!": Eine Frau muss die Beleidigung eines Polizeibeamten mit einer Geldstrafe büßen. Das Amtsgericht Düsseldorf sah es als erwiesen an, dass sie dem Beamten bei einer Verkehrskontrolle "Du Mädchen!" entgegnete, nachdem dieser ihren Ehemann (er fuhr) darauf hinwies, er habe zu spät und zu scharf gebremst. Nicht sonderlich durchdacht war die Aussage ihres Gatten vor Gericht, seine bislang unbescholtene Frau "würde sowas nie zu einem Bullen sagen." Diese ihrerseits betont, sie habe "'n Märchen" gesagt. Das Gericht war der Ansicht, der Begriff Mädchen sei an sich nicht beleidigend, könne allerdings beleidigend wirken, wenn er darauf abziele, jemanden in seiner Ehre herabzusetzen, so justillon.de (Stephan Weinberger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. bis 29. Juni 2015: EU-Parlament und TTIP - Bericht zu Mordparagraf – Ehe in den USA . In: Legal Tribune Online, 29.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16021/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag