Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2011: Hin-und-her um NPD-Verbot – Telefonüberwachung GG-konform – Diebesbeute jetzt Dienstwagen

08.12.2011

Weiter Unklarheit über ein neues NPD-Verbotsverfahren. Tappt man in eine Falle, darf man eine "staatsfinanzierte kriminelle Vereinigung" tolerieren, muss man die V-Leute wirklich abziehen? Auch in der Presseschau: Streit um die Neonazi-Datei, Telefonüberwachung verfassungskonform, Abu-Jamal darf leben und ein ukrainischer Justizminister, der ein geklautes Auto fährt.

NPD-Verbot: Anlässlich des heutigen Beginns der Innenministerkonferenz berichtet die SZ über die Haltung der Landesinnenminister zu einem neuen NPD-Verbotsverfahren. Allein Hessen, Niedersachsen und das Saarland zeigten noch Skepsis; der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) befürchte, "in eine Falle hineinzutappen".

Dagegen ist sich Heribert Prantl (SZ) sicher: Ein Verbot "muss sein"; immerhin handele es sich bei der NPD um eine "staatsfinanzierte kriminelle Vereinigung". Allerdings reiche ein "gut gemeinter" Verbotsantrag nicht aus – er müsse auch "penibelst begründet sein".

In einem Interview mit der taz (Christian Rath) formuliert der Ex-Verfassungsrichter Siegfried Broß die rechtsstaatlichen Anforderungen an ein Parteiverbot. Ein Abzug aller V-Leute aus der Partei gehöre nicht dazu. Die taz stellt auch die Eckdaten des damals gescheiterten und eines möglichen neuen Verbotsverfahrens vor.

Die FTD (Georg Fahrion) blickt über den nationalen Tellerrand und stellt verschiedene europäische Strategien gegen Rechtsextremismus vor.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Neonazi-Datei: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt die vom Innenministerium geplante "Verbunddatei Rechtsextremismus" "in der Form" ab, so die FAZ (Peter Carstens). Sie habe "eine Reihe von grundlegenden Einwänden", insbesondere sei der Ausbau zu einem "umfassenden Recherche- und Analyseinstrument" nicht akzeptabel.

Georg-Paul Hefty (FAZ) hält die Auseinandersetzung für kaum fachlich begründet, sondern vor allem für eine politische Profilierung der beiden Minister.

Weitere Themen – Justiz

Telefonüberwachung: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden gegen die 2008 reformierte Telefonüberwachung zurückgewiesen, so die SZ (Wolfgang Janisch). Die Entscheidung folge einem "pragmatischen Ansatz, der von großem Verständnis für die Nöte der Ermittlungsbehörden geprägt" sei. Akzeptiert habe das Gericht den herabgestuften Schutz bestimmter Berufsgeheimnisträger und das den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" betreffende Regelungskonzept.

Staatstrojaner: Wie das Handelsblatt (Fidelius Schmid) auf Nachfrage beim Bundeskriminalamt erfahren hat, haben deutsche Ermittlungsbehörden den Einsatz des umstrittenen Spähprogramms inzwischen eingestellt –  eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung finde derzeit nicht statt.

Tankstellen-Oligopol: Die Rechtsanwälte Nicolas Kredel und Sarwenaz Kiani beschäftigen sich heute in einem Gastbeitrag für lto.de ausführlich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs zum Kartellverfahren gegen den Mineralölkonzern Total. Das Urteil werde Auswirkungen auf Übernahmen auf dem Tankstellenmarkt haben.

"Senator Schrott": Der Skandal um den neuen Berliner Senator für Justiz- und Verbraucherschutz, Michael Braun (CDU), hat die Bundespresse erreicht. Er soll als Notar beim Verkauf von Schrottimmobilien an Verbraucher mitgewirkt haben. spiegel.de (Peter Seybold) berichtet und schildert, wie der Senator sein "Heil in der Offensive" sucht.

Lorenz Maroldt (zeit.de) meint, Braun habe sich als Notar "am Rande der Strafbarkeit" bewegt, als Senator mache er sich "lächerlich". lion (SZ) meint, er sei "als Senator ein Witz". Auch wenn er juristisch "auf der sicheren Seite" sein möge –  politisch sei er "untragbar".

Sicherungsverwahrung: Nachdem gestern die Bild-Zeitung als Reaktion auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg die Einrichtung von "Luxus-Zellen" für Sicherungsverwahrte skandalisiert hatte, reagiert heute die SZ (Wolfgang Janisch) mit einem Bericht über das Urteil und die Furcht der Länder vor hohen Kosten.

In einem Kommentar betont Janisch unter dem Titel "Sicherheit statt Rache" den Unterschied zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung – hier gehe es eben nicht mehr um Bestrafung, sondern um die Sicherung der Gesellschaft. Carsten Krumm (blog.beck.de) wundert sich über die Luxus-Vorstellungen der Bild-Zeitung und zitiert die Leitsätze des OLG-Urteils.

Prozessbeobachter: Wie man an der Uni Marburg als Jurastudent zum internationalen Prozessbeobachter ausgebildet wird, schildert lto.de (Sascha Hörmann).

Voßkuhle & Kohlhaas: Im Feuilleton der SZ (Helmut Kerscher) findet sich heute ein Bericht über einen Vortrag, den der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle in Freiburg im Rahmen einer Ringvorlesung zum 200. Todestag von Heinrich Kleist hielt. Thema: Michael Kohlhaas und Widerstand im demokratischen Rechtsstaat. Voßkuhles Urteil: Eine "hochgradig ambivalente Figur".

Weitere Themen – Recht in der Welt

Abu-Jamal: zeit.de berichtet, dass der US-amerikanische Black-Panther-Aktivist und Journalist Mumia Abu-Jamal nicht hingerichtet wird. Die Staatsanwaltschaft wolle auf die Vollstreckung der Todesstrafe gegen den vor 30 Jahren Verurteilten verzichten. welt.de (Ansgar Graw) meint, der Kampf für Abu-Jamal sei einer "Heldenverehrung" gleichgekommen.

Skurril und skandalös

90 Millionen Abmahn-Euro: Das Abmahn-Business ist lukrativ –  was man nicht zuletzt an der Regensburger Kanzlei Urmann  +  Collegen sehen kann, die nun Forderungen in Höhe von 90 Millionen Euro aus Abmahnungen versteigere, berichtet welt.de (Benedikt Fuest).

Geklauter Justiz-Dienstwagen: bild.de enthüllt: Der ukrainische Justizminister Alexander Lawrinowitsch fährt einen in Deutschland gestohlen gemeldeten Mercedes-Geländewagen als Dienstfahrzeug. Der Wagen stehe auf einer Interpol-Fahndungsliste.

Morgen erscheint eine neue Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2011: Hin-und-her um NPD-Verbot – Telefonüberwachung GG-konform – Diebesbeute jetzt Dienstwagen . In: Legal Tribune Online, 08.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5056/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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