Die juristische Presseschau vom 5. Oktober 2011: Fußball-Monopol gekippt – Verfahrensverzögerung entschädigt – Ärzte bestechlich?

05.10.2011

Zentrales Thema ist heute das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fußball-Bezahlfernsehen. Die konkreten Auswirkungen werden zwar unterschiedlich bewertet, in einem sind sich aber alle einig: Es ist ein Grundsatzurteil. Außerdem in der Presseschau: Entschädigung für lange Verfahren, die Zukunft der Leiharbeitsbranche, Ärztekorruption und vieles andere.

 

Fußball-Fernsehen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag entschieden, dass es einer britischen Wirtin nicht untersagt werden darf, in ihrem Pub Fußball-Übertragungen der englischen Premier-League über einen griechischen Bezahl-Sender zu zeigen – statt über den britischen. Das Urteil stellt unter anderem die FAZ (Caroline Freisfeld/Marcus Theurer) vor. Die Vermarktungsstrategie des Ligaverbands der englischen Fußballclubs, Übertragungslizenzen jeweils nur auf einzelne Länder beschränkt zu vergeben, stelle nach dem "Grundsatzurteil" einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit dar. Das Urteil habe voraussichtlich auch Auswirkungen auf Deutschland, da auch hier "nationale Exklusivverträge" vergeben würden. Es werde erwartet, dass die Preise für das Fußball-Bezahlfernsehen nun deutlich zurückgehen. Die taz (Christian Rath) lässt nicht unerwähnt, dass die Wirtin die Premiere-League-Spiele aber wohl auch künftig nicht legal öffentlich wird zeigen können – aus urheberrechtlichen Gründen das Logo und die Hymne der Liga betreffend nämlich. lto.de (Frank Strankmann) hebt hervor, dass die Spiele selbst als Sportereignisse in den Augen des EuGH kein "Werk" seien und deswegen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.

Die FAZ (Marcus Theurer) stellt die verklagte Pub-Betreiberin Karen Murphy vor; auch die SZ (Thomas Kirchner) bietet auf ihrer Themen-Seite zum Urteil ein kurzes Porträt der "resoluten Dame".

Auf der gleichen Seite setzt sich die SZ (Cornelius Pollmer) ausführlicher mit den Folgen des Urteils für den deutschen Markt auseinander. Ein Rückgang der Preise sei demnach alles andere als zwingend, da hauptsächlich das Auslandsgeschäft betroffen werde.

Hans-Jürgen Jakobs (SZ) begrüßt das Urteil. Das "europaweite Monopolwesen bei Fußball und Fernsehen" verstoße "erkennbar gegen die Logik des Binnenmarkts". Eine "Revolution" werde es allerdings nicht auslösen, da das "System der Zentralvermarktung" nicht in Frage gestellt werde. Das sieht Christian Rath (taz) anders – in seinen Augen hat das Urteil den "Markt für Fußballliveübertragungen revolutioniert". Er rechnet mittelfristig damit, dass "drei oder vier große Anbieter europaweit die Fußballrechte innehaben". Marcus Theurer (FAZ) hält das Urteil für "konsequent und richtig"; allerdings bleibe abzuwarten, ob nun tatsächlich Wettbewerb im Bezahlfernsehen entstehe. Da ist Holger Kreitling (Die Welt) optimistischer: "Die Sieger werden die Zuschauer sein", meint er. Auch die FTD bewertet den Richterspruch in ihrem Leitartikel als "logisch und sinnvoll", sieht das wahre Problem für die Fernsehsender aber nicht darin, sondern in der Konkurrenz "über das Internet".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Prozessverzögerung: lawblog.de (Udo Vetter) setzt sich mit der in der letzten Woche vom Bundestag verabschiedeten Wiedergutmachungsregelung für Verfahrensverzögerungen in Gerichtsverfahren auseinander. 1.200 Euro koste künftig ein Jahr Prozessverschleppung die öffentliche Hand. Klare Obergrenzen lasse das Gesetz jedoch vermissen; auch scheide ein Anspruch aus, wenn sich die Beteiligten nicht rechtzeitig beschwerten. Das Gesetze bedürfe noch der Zustimmung des Bundesrates.

Steuerabkommen: Nach einem Bericht des Handelsblatts (Thomas Ludwig) prüft die EU-Kommission auf eine entsprechende Forderung des EU-Parlaments hin die Vereinbarkeit des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens für Auslandsgelder mit europäischem Recht. Die EU arbeite schon seit längerem an einer gemeinsamen Zinssteuerrichtlinie, weswegen die Zulässigkeit eines bilateralen Abkommens in den Augen der EU-Parlamentarier zweifelhaft sei.

Leiharbeitnehmer: Mit der zum 1. Dezember in Kraft tretenden Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes setzt sich die Frankfurter Freshfields-Partnerin Ulrike Schweibert auseinander. In einem Gastbeitrag für die FAZ erläutert sie die europarechtlich vorgegebene Neuregelung, die festschreibe, dass die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern künftig nur noch "vorübergehend" erfolgen dürfe. Zwar seien die Rechtsfolgen eines Verstoßes bislang unklar – klar sei jedoch, dass jedenfalls mittelfristig Arbeitsmodelle ausgeschlossen seien, die auf der Dauerbeschäftigung von Leiharbeitnehmern fußten.

Weitere Themen – Justiz

Lehman-Urteil: Auf ihrer Seite "Recht und Steuern" bespricht die FAZ (Petra Buck-Heeb) heute noch einmal ausführlich die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung von Banken wegen der Vermittlung von Zertifikaten der US-Pleitebank Lehman Brothers. Dass eine Falschberatung in den konkreten Fällen verneint worden sei, stelle keine Grundsatzentscheidung des BGH dar – vielmehr lägen den Entscheidungen "ganz spezielle Konstellationen zugrunde". Diesen Befund nimmt die Autorin als Ausgangspunkt für einen Überblick über die Anlageberatungsrechtsprechung des BGH.

Ärztekorruption: Auf der gleichen Seite berichtet die FAZ (Joachim Jahn) über ein mit Spannung erwartetes Urteil des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs. Das Gesundheitssystem stehe "vor einem wegweisenden Urteil", weil zwei Senate des Gerichts dazu tendierten, das deutsche Korruptionsstrafrecht auf Kassenärzte anzuwenden. Diese könnten sich dann wie Beamte wegen Vorteilsnahme und Bestechlichkeit strafbar machen. Hintergrund seien Versuche der Pharmaindustrie, über Zuwendungen an Ärzte die Verschreibung bestimmter Medikamente zu erreichen.

Bundeswehr-Entlassung: Nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Minden war die Entlassung eines zum Islam konvertierten Sauerländers rechtmäßig, so lto.de. Der Soldat habe sich nach den Feststellungen des Gerichts "in einem erheblichen Maße von der freiheitlich demokratischen Grundordnung abgewendet" und sei zeitweise Befehlen nicht nachgekommen. Unter anderem habe er die Scharia als "bestes Rechtssystem" bezeichnet und sich geweigert, seinen Bart zu stutzen.

Pfahls-Prozess: Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet vom heute anstehenden Prozess-Auftakt gegen den ehemaligen Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. Der wegen seiner Verstrickungen in die Schreiber-Affäre 2005 bereits verurteilte Angeklagte steht nun wegen Bankrotts, Steuerhinterziehung, falscher eidesstattlicher Versicherung und Erpressung erneut vor Gericht. Er habe sich gegenüber seinen Gläubigern systematisch armgerechnet.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Amanda Knox: Heute berichtet unter anderem die taz (Michael Braun) ausführlich vom Freispruch der US-Amerikanerin Amanda Knox durch das italienische Berufungsgericht in Perugia. In erster Instanz 2007 noch wegen des Mordes an der britischen Studentin Meredith Kercher verurteilt, sei die Anklage im Berufungsprozess in sich zusammengebrochen. Sie habe am Ende des Prozesses nur noch auf zwei "dürftigen DNA-Spuren" beruht; die Beschreibung des Tathergangs sei "komplett der Fantasie von Staatsanwälten und Richtern" entsprungen gewesen.

Die FTD (Matthias Oden) hebt hervor, dass die Angeklagte vom Gericht nicht aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sei, sondern weil sie "die Tat nicht begangen" habe. Die Staatsanwaltschaft halte das Urteil aber für "falsch und widersprüchlich" und werde vor das oberste Gericht in Rom ziehen.

Stefan Kornelius (SZ, ähnlicher Artikel auf sueddeutsche.de) zieht angesichts der nun losbrechenden Kritik zwei Schlussfolgerungen aus dem Prozess: Zum einen würden pauschalisierende Vergleiche von Rechtssystem nicht weiterhelfen – Justizirrtümer passierten überall. Zum anderen bräuchten komplexe Indizienprozesse "Ruhe und Besonnenheit, keinen Krawall". Dabei kritisiert der Autor sowohl die italienische Staatsanwaltschaft als auch das Verhalten der Familie der Angeklagten.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

 

lto/thd

 

(Hinweis für Journalisten)

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. Oktober 2011: Fußball-Monopol gekippt – Verfahrensverzögerung entschädigt – Ärzte bestechlich? . In: Legal Tribune Online, 05.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4464/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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