Die juristische Presseschau vom 31.August 2011: Vetorecht für Bundestag - Bundesfinanzhof zu Reisekostenrecht - Polizeibeamte überfallen sich selbst

31.08.2011

Die Fragen um die Rolle des Bundestages bei Entscheidungen rund um die Euro-Rettungsfonds werden weiter diskutiert. Vorgestellt wurde nun ein Mehrstufenverfahren. Außerdem in der Presseschau: Die Frage, ob Polizisten sich selbst überfallen haben, wie lang sich die vom BFH gewährten Steuervorteile ausnutzen lassen, wann man keinen gültigen Führerschein mehr hat und vieles andere.

Budgetrecht und Rettungsfonds: Die Diskussionen um die Wahrung des parlamentarischen Budgetrechts in Zeiten einer europäischen Finanz- und Währungskrise dauern an und bekommen dazu wieder einen konkreten Anlass: Die Frage zur Beteiligung des Bundestages bei zukünftigen Entscheidungen der Rettungsfonds EFSF und ESM könnte über ein mehrstufiges Verfahren geregelt werden. Dies wurde gestern, wie die FTD (Timo Pache) berichtet, vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union vorgestellt. Es handele sich jedoch nur um Vorschläge für die parlamentarischen Beratungen. Kabinett und Regierungsfraktionen seien einig darüber, dass die Bundestagsabgeordneten "selbst über ihre künftigen Rechte und Pflichten entscheiden sollen". Die FTD erläutert das Konzept des Stufen-Plans.

Laut SZ (Claus Hulverscheidt) sieht das Verfahren etwa vor, dass der Bundestag "in Gänze zustimmen [muss], wenn es um Grundsatzentscheidungen geht". Am 29. September solle der Bundestag über die Reformen des EFSF abstimmen.

Im Leitartikel der FTD zum Thema wird unter dem Titel "Grenzen des Parlaments" zwar bekräftigt, dass das Budgetrecht das "wichtigste Recht des Parlaments" sei, dies müsse jedoch mit den Erwartungen der Finanzmärkte in Einklang gebracht werden. Mit der Frage, was ein echte "Vetorecht" des Bundestags bedeuten könnte, beschäftigt sich ein weiterer Beitrag der FTD (Claudia Kade/ Timo Pache).

Bundesfinanzhof: Der Bundesfinanzhof urteilte in mehreren Entscheidungen, zuletzt in der vergangenen Woche, dass ein Arbeitnehmer nur eine "regelmäßige Arbeitsstätte" haben könne, nicht mehrere. In einem ausführlichen Beitrag in der FTD (Daniel Schönwitz) werden die neue Rechtsprechung und ihre Bedeutung für Arbeitnehmer und Unternehmen dargestellt. Fahrten zu Arbeitsstätten, die keine "regelmäßige" sind, könnten nun als Dienstreise abgerechnet werden. Dies bringe nicht nur finanzielle Vorteile für Arbeitnehmer, sonder erleichtere Unternehmen auch die Buchhaltung, so die FTD. Wie solche Fahrten bislang abgerechnet werden mussten und welche Vorteile sich für Dienstwagennutzer aus den Urteilen ergeben, beleuchtet der Beitrag ebenfalls. Die steuerlichen Vergünstigungen könnten teilweise noch für das letzte Kalenderjahr geltend gemacht werden können. Jedoch gehe man davon aus, dass das Bundesfinanzministerium das Reisekostenrecht demnächst überarbeite. Dazu wird Wolfram Vogel, Steuerberater aus Köln, zitiert: Es könne sein, "dass die Steuervorteile bei dieser Gelegenheit kassiert werden.".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Hamburg: In Hamburg darf ab morgen in Bussen und Bahnen kein Alkohol mehr verzehrt werden. Dies meldet unter anderem zeit.de (Parvin Sadigh) und erläutert, dass Verstöße jedoch erst ab Oktober geahndet würden.

Lobbyismus: In einem Gastbeitrag in der FTD stellen die SPD-Politiker Christian Lange und Peter Ruhenstroth-Bauer ihre Ideen für eine Regelung des Umgangs mit Lobbyisten in Politik und "Administration" vor. Sie schlagen beispielsweise ein Lobbyregister vor, um die Transparenz von Entscheidungsprozessen zu stärken.

Vorratsdatenspeicherung: Wie spiegel.de berichtet, reißt der Druck aus allen politischen Lagern auf Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht ab. Von einem angeblichen "politischen Kuhhandel" zwischen Bundeskanzlerin und Vizekanzler wisse diese nichts. Die SZ hatte noch vor einiger Zeit berichtet, dass Steuersenkungen und die hart umkämpfte Dauer der Speicherpflicht für Internetprovider "gegeneinander ausgespielt" worden seien. spiegel.de verweist auf die mögliche Überarbeitung der betreffenden EU-Richtlinie, auf welche die Ministerin wohl noch bis Februar kommenden Jahres warten wolle, bevor eine konkrete Entscheidung gefällt wird.

Weitere Themen – Justiz

Fahren ohne Führerschein: Zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist in Deutschland nicht berechtigt, wer in einem anderen EU-Staat einen Führerschein gemacht hat, ohne zu dieser Zeit dort einen ordentlichen Wohnsitz gehabt zu haben. Ebenso fährt ohne Führerschein, wer diesen im EU-Ausland erwirbt, während in Deutschland noch eine Sperrfrist läuft. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst in drei Urteilen klargestellt, worüber in einem Gastbeitrag auf lto.de Adolf Rebler, Regierungsamtsrat, schreibt. Rebler erläutert, dass dies bereits seit dem Jahr 2009 geltendes deutsches Recht sei, und zwar in Form von §  28 der Fahrerlaubnisverordnung. Klargestellt habe das Gericht aber, dass es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Ungültigkeit der Fahrerlaubnis keiner behördlichen Entscheidung im Einzelfall bedürfe. Die Ungültigkeit gelte kraft Gesetz. Weiter zeichnet Rebler den Weg von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs über die 3. Führerscheinrichtlinie bis hin zum deutschen Gesetz aus 2009 nach.

Oberhausen: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet über den Fall zweier Polizeibeamter aus Oberhausen, die sich möglicherweise selbst überfallen haben, um Gewinn aus einer "spezielle[n] Beamtenversicherung" zu schlagen. Die Polizisten hätten behauptet, auf einem vermeintlichen Drogenumschlagplatz "brutal zusammengeschlagen" worden zu seien. Nun ermittle die Staatsanwaltschaft gegen sie. Kritik an der betreffenden Versicherung habe es aus verschiedenen Polizeigewerkschaften geben, "(…) die Absicherung kurzfristiger Dienstunfähigkeit sei eine "Einladung zum Betrug".

Stuttgart-21: Die sich noch in der Gründungsphase befindliche Stuttgarter Netz AG, kurz SNAG, möchte die oberirdisch liegenden Gleise des Stuttgarter Bahnhofs nach dem geplanten Umbau weiter betreiben. Laut SZ (Roman Deiniger) stützt sich die SNAG, ein "Zusammenschluss von Privatbahnen", auf das Allgemeine Eisenbahngesetz. Danach sei der Abriss von Bahngleisen untersagt, "wenn sich ein neuer Betreiber findet". Wie sich die Bahn gegen die rechtliche Argumentation wehrt, weiß die SZ zu berichten, ebenso, dass die SNAG bald eine Feststellungsklage einreichen werde mit dem Ziel, dass sich die Bahn "an das übliche Stilllegungsverfahren [halte] und die frei werdenden Gleise [ausschreibe]".

Sozialgerichte im Osten: Nach einem Vorschlag der Landesjustizminister von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen könnten ihre Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeiten zusammen gelegt werden. Der Deutsche Richterbund übe Kritik daran, meldet die SZ . Dieser spreche von einem "fatalen Signal für den sozialen Frieden in Deutschland", würde die eigenständige Sozialgerichtsbarkeit abgeschafft.

Hessen-UA: Die Untersuchungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Hessischen Landtag wegen der "Zwangspensionierung" vier ehemalige Steuerfahnder gehen weiter. Über die Anhörung von drei der vier Betroffenen am Montag und die Hintergründe informiert die FAZ (Ralf Euler). Laut FAZ hätten die ehemaligen Fahnder bereits Zivilklage gegen Gutachter eingereicht, welche die Zwangspensionierung bestätigten bzw. das Land Hessen als Auftraggeber der Gutachter.

Überflutung am Nil: Einen Schwerpunkt widmet die heutige taz (Hannes Koch) Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Diese untersuche, ob der deutsche Ingenieurkonzern Lahmeyer bei einem Staudammprojekt im Sudan Menschenrechte verletzt habe. Die Vorwürfe gegen den Konzern hätten Anwälte des European Center for Constitutional and Human Rights in einer Strafanzeige erhoben: Weil einheimische Bauern nicht rechtzeitig durch den Konzern über eine Staudammschließung informiert worden seien, hätten bis zu 5.000 Familien ihr Land und Besitztümer verloren. Zwar sei geplant gewesen, die Menschen aus dem Flutgebiet umzusiedeln, dies sei jedoch zum Zeitpunkt der Staudammschließung längst nicht umgesetzt gewesen.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

lto/dc

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31.August 2011: Vetorecht für Bundestag - Bundesfinanzhof zu Reisekostenrecht - Polizeibeamte überfallen sich selbst . In: Legal Tribune Online, 31.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4164/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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