Die juristische Presseschau vom 31.12.2011 bis 2.1.2012: Sechs Anklagen gegen Ex-HSH-Vorstände - Hunderttausende stille SMS - Erster Musterprozess

02.01.2012

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Untreue bei HSH: Die Montags-FAZ (Johannes Ritter) berichtet auf Grundlage exklusiver Informationen über die Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen sechs ehemalige Mitglieder des HSH-Nordbank Vorstandes. Darunter sei auch Dirk Nonnenmacher, früherer Bankchef. Vorgeworfen würden ihnen schwere Untreue sowie Bilanzfälschung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften. "Ausgangspunkt" für erste Ermittlungen 2009 war ein Gutachten von Freshfields zu den so genannten "Omega-Geschäften": "Gravierende Verstöße" gegen Informations- und Prüfpflichten lägen nicht vor. Polizeiliche Ermittlungen kamen damals zu dem Ergebis, keiner der sechs nun Beschuldigten habe sich strafbar gemacht. Dennoch gingen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weiter, mit einem neuen Ermittler- "Team". Ob es zur Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg komme, sei noch unsicher: Vermutlich würde eine Nichtzulassung beantragt.

Weitere Themen- Rechtspolitik

Mobile Überwachung: Mehrere hunderttausend so genannte "stille SMS" sollen nach Angaben der Montags-taz (Christian Rath), die dem Thema ihren Titel widmet, jährlich durch Polizei, Verfassungsschutz und Zoll versandt worden seien. Die SMS dienten der unbemerkten Ortung von Verdächtigen. Ihre rechtliche Zulässigkeit sei umstritten. Fraglich sei, ob es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Maßnahme bedürfe. Die Gerichte hätten sich bislang noch nicht mit der Frage befassen können: Die Betroffenen wüssten "einfach nichts davon".

Separat erläutert die taz (Christian Rath) die verschiedenen Methoden und Rechtsgrundlagen, um Mobiltelefone zu überwachen und Daten zu nutzen, so etwa das Abhören von Gesprächen und das Mitlesen von SMS.

Vorratsdatenspeicherung: Die Montags-SZ (Heribert Prantl) beantwortet die Frage, warum die Diskussion ums Thema "kein Ende findet": Das Bundesverfassungsgericht habe bei seiner Entscheidung im Jahr 2010 "vor Brüssel gekuscht", den "gewaltigen Datenspeicher" grundsätzlich zugelassen und keine allzu hohen Anforderungen an die Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie gestellt – auch wenn das damalige Gesetz für verfassungswidrig erklärt wurde.

Prohibition 2.0: Mit den rechtlichen (Un-)Möglichkeiten deutscher Kommunen, Alkoholkonsum am öffentlichen Orten zu unterbinden, befasst sich die Samstagsausgabe der SZ (Johann Osel) und erinnert dabei etwa an den vor dem Verwaltungsgerichtshof gescheiterten Freiburger Versuch, "Open-Air-Gelage" zu verbieten.

Drohnen-Einsatz: "Rechtlich gesehen" handele es sich beim Einsatz von mit Kameras ausgerüsteten Flugdrohnen etwa bei Versammlungen um Videoüberwachung, so die Samstags-taz (Christian Rath/Ulrike Winkelmann). Für den umfassenden Einsatz solcher Gerätschaften seien indes, abgesehen von geplanten Änderungen im Luftverkehrsgesetz, "spezialgesetzliche Regelungen" in der Strafprozessordnung sowie Polizei- und Versammlungsgesetzen notwendig.

Weitere Themen – Justiz

Verfassungswidriges Wahlrecht: Wie die Samstags-SZ (Heribert Prantl) glaubt, wird das Bundesverfassungsgericht das neue Wahlrecht für verfassungswidrig erklären. U.a. hätten alle Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen Klage eingereicht, gestützt auf einen Schriftsatz des Staatsrechtlers Hans Meyer. Dieser bezeichnete das von den Regierungsfraktionen erst Ende des vergangenen Jahres beschlossene Gesetz als "Überhangsicherungsgesetz". Hauptkritikpunkte seien das so genannte "negative Stimmgewicht" sowie die Überhangsmandate.

In der gleichen Ausgabe kommentiert Heribert Prantl, der sich aus Karlsruhe eine ordentliche "Bußpredigt" für die Parteien wünscht, die bei der Neugestaltung "alle versagt" hätten. "Leider" seien die Kompetenzen des Gerichts beschränkt, notfalls solle es das Wahlrecht aber "verfassungskonform zurechtbiegen".

Erster Musterprozess entschieden: Vor dem Oberlandesgericht München ist am Freitag das erste Urteil in einem so genannten "Musterverfahren" gefallen. Über Vor-und Nachteile solcher Verfahren, die erst seit 2005 möglich seien, informiert die Samstags-SZ (Hannah Wilhelm). Im konkreten Fall sei es um einen fehlerhaften Wertpapierprospekt beim Verkauf von VIP-Medienfonds gegangen. Die Beklagten, Hypo-Vereinsbank und Fonds-Gründer Andreas Schmid, würden wohl vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Wie lto.de berichtet, will die Bank zunächst ausführlich die Begründung des Urteils prüfen, geht aber u.a. von Verfahrensfehlern aus.

Porsche: Laut FTD wird Porsche wegen ihrer Informations-Politik im Zusammenhang mit der 2008 gescheiterten VW-Übernahme von sieben Investmentfonds auf ca. 2 Milliarden Euro Schadenersatz vor dem Landgericht Stuttgart verklagt.

Kein fliegender Gerichtsstand: Wie Thomas Stadler für internet-law.de berichtet, erteilte das Amtsgericht Frankfurt dem "fliegenden Gerichtsstand" bei Urheberrechts- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet eine "Absage". Wegen fehlenden sachlichen Bezugs zum Gerichtsbezirk wurde eine Klage als unzulässig abgewiesen. "Derzeit" vertrete das Gericht damit eine Mindermeinung, so Stadtler.

Fett weggekriegt: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, das Urheberrecht an Fotografien von der Fettecke des verstorbenen Künstlers Joseph Beuys gehöre seiner Witwe und gerade nicht dem Foto-Eigentümer. Die Samstags-taz (Ralf Hanselle) meint, das Gericht habe das Bild "selbst zur Wirklichkeit" erklärt und seinen interpretativen Charakter verneint.

Vergleiche im Arbeitsrecht: Die Samstags-FAZ (Caroline Freisfeld) befasst sich ausführlich mit dem Vergleich vor Gericht im Arbeitsrecht und lässt dazu Rechtsexperten mit pro und contra Argumenten zu Wort kommen: So meint etwa Juraprofessor Volker Rieble, ein Vergleich diene häufig nicht den Streitparteien. Vielmehr wollten die Richter "ihr eigenes Dezernat vor dem Absaufen" bewahren.

Wulff zeigt an: Über die Anzeige wegen Verunglimpfung des Staatsoberhauptes, die Wulff 2010 nach der Veröffentlichung eines Fotos von ihm und seiner Frau erstattete, berichtet u.a. die Samstags-FAZ (Michael Hanfeld). Der Fall werde Anfang Januar vor der Staatsschutzkammer verhandelt, so die FAZ, welche den einschlägigen § 90 des Strafgesetzbuches erläutert.

Majestätsbeleidigung: Auf steigerlegal.ch vergleicht RA Martin Steiger die deutsche mit der Schweizer Rechtslage in Sachen "Majestätsbeleidigung" und verweist auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser würde solche Straftatbestände "regelmäßig kritisieren".

Weitere Themen – Sonstiges

Geerkens-Kredit: Ein Bericht aus dem Landtag Niedersachsen liefere "keinen Freispruch" für Bundespräsident Wulff hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen das Ministergesetz (MinG), so die FAS (Eckart Lohse). Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 des MinG hänge davon ab, ob Wulffs Stellung als Ministerpräsident jedenfalls "mitursächlich" für die Darlehensgewährung gewesen sei – was noch unklar sei.

Simon zum 90.: Dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter und Kirchentagspräsidenten Helmut Simon, vor allem seinem Wirken als Richter, widmet die Samstags-SZ (Helmut Kerscher) zu seinem 90. Geburtstag ein herzliches Portrait: "Man vermag sich den Zustand dieser Republik ohne Helmut Simon nicht recht vorzustellen." Viele der heute selbstverständlichen Freiheiten gingen auf ihn zurück.

Das Letzte zum Schluss

Halbblinder BGH: Mit einem Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH), der  einen "informellen Deal" über die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt statt die Verbüßung einer Freiheitsstrafe aufhob, befasst sich kanzlei-hoenig.de unter dem Titel "Einäugige Richter beim Bundesgerichtshof". Zwar sei die gesetzwidrige Vereinbarung kassiert und an das zuständige Landgericht zurückverwiesen worden. Allerdings mit dem Hinweis, es sei zu erwägen, dem Angeklagten einen neuen Verteidiger zu bestellen, "nachdem der bisherige sich auf die vom Gericht initiierte grob sachwidrige Verständigung eingelassen hatte". Kanzlei Hoenig fasst kritisch zusammen: Das erstinstanzlich entscheidende Gericht habe einen "glatten Rechtsbruch 'initiiert'", an dem schließlich auch ein Staatsanwalt mitgewirkt habe, den Rausschmiss aber solle der Verteidiger kassieren.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dc

Hinweis für Journalisten

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31.12.2011 bis 2.1.2012: Sechs Anklagen gegen Ex-HSH-Vorstände - Hunderttausende stille SMS - Erster Musterprozess . In: Legal Tribune Online, 02.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5205/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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