Die juristische Presseschau vom 30. Mai 2011: Deutscher Richter für Mladic – Fehlurteile in Strafprozessen – Holland bekämpft Haschtouristen

30.05.2011

Christoph Flügge, bis 2007 Staatssekretär im Berliner Justizsenat, ist einer der drei Richter im Verfahren gegen Ratko Mladic. Außerdem in der Presseschau: Das bevorstehende Urteil im Kachelmann-Prozess gibt Anlass, Gerechtigkeitsdefizite im Strafprozess zu erörtern; in den Niederlanden sollen Ausländer zukünftig keine Koffieshops mehr besuchen und vieles andere.

Christoph Flügge/Ratko Mladic: Reinhard Müller (FAZ) erläutert in seinem Porträt Flügges die Schwierigkeiten des Prozessrechts in Den Haag. Karen Kleinwert (ftd.de) skizziert die praktischen Erfahrungen des sozialdemokratischen Juristen als Beisitzer in den Verfahren gegen Radovan Karadzic und den serbischen Polizeichef Vlastimir Djordjevic. Bereits am Samstag hatte Ronen Steinke in der Süddeutschen Zeitung auch wegen der langen Zeit, die seit dem Jugoslawienkrieg verstrichen ist, Schwerstarbeit für die Ankläger im Fall Mladic prophezeit, um "eine Blamage wie bei Karadzic zu vermeiden".

Fehlurteile in Strafprozessen: Der Spiegel widmet das Titelthema seiner heutigen Ausgabe den Schwierigkeiten, in Strafprozessen ein gerechtes Urteil zu finden. Dabei geht es nicht nur um das Verfahren gegen Jörg Kachelmann. Problematisch, so wird der Juraprofessor Klaus Marxen zitiert, sei die strukturelle Unfähigkeit der Justiz, Fehler offenkundig zu machen bzw. der Richter, Irrtümer oder Unwissenheit einzugestehen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung finden sich zwei sehr gegensätzliche Artikel zum Kachelmann-Verfahren. Harald Staun betont die notwendige Theatralik von Strafprozessen, die keineswegs per se sensationalistisch sei. David Klaubert zieht noch einmal Bilanz und weist darauf hin, dass trotz neunmonatiger Hauptverhandlung wie in so vielen Mammutprozessen eine schlüssige Wahrheit nicht zu Tage gefördert werden konnte.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: In der Ausgabe vom Samstag hatte Joachim Käppner (SZ) das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dafür verantwortlich gemacht, dass die Polizei in Deutschland "halbblind" ermitteln müsse. Martin Lutz (welt.de) zitiert Ermittlungsprotokolle des BKA, die belegten, dass ein "großer Lauschangriff" dazu beigetragen habe, einen Sprengstoffanschlag durch die 2010 festgenommene Düsseldorfer Zelle zu verhindern. Ebenfalls am Samstag hatte Martin Winter (SZ) im Zusammenhang mit der Forderung der US-Regierung, Fluggastdaten bis zu 15 Jahre aufheben zu können, darauf hingewiesen, dass viele EU-Parlamentarier den "ungestillten Wissensdurst" der Ermittler ablehnten.

Wahlrechtsreform verschleppt: Ralf Schuler (bild.de) führt ein Interview mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier, der aufgrund der bis zum 30. Juni erforderlichen Wahlrechtsreform eine Staatskrise befürchtet.

Weitere Themen – Justiz

Rettungsschirm in Karlsruhe: Ruth Berschens, Gerd Höhler und Donata Riedel (Handelsblatt) erläutern in der heutigen Ausgabe die Dimensionen eines neuen Rettungspakets, das der IWF für Griechenland ins Auge gefasst hat. Reinhard Müller (FAZ) kritisiert gleichzeitig die lange Zeit, die der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht benötige, um über die von Peter Gauweiler und anderen vor mehr als einem Jahr eingereichte Klage gegen das erste Bündel von Milliardenhilfen zu befinden. Unklar sei bis jetzt, ob es zu einer mündlichen Verhandlung komme oder ob das Gericht erstmalig in seiner Geschichte dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eine Sache zur Entscheidung vorlegen werde. Das Primat des Parlaments in Haushaltsfragen mache die Aufgabe für die Richter nicht einfacher.

Kirch gegen Deutsche Bank: Der bereits am Donnerstag in der Printausgabe veröffentlichte Artikel "Königlich Bayerisches Bankgericht" von Rüdiger Jungbluth (zeit.de) zum Prozess über die Folgen von Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Rolf-Ernst Breuer zur Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe ist jetzt auch online zu finden.

Karrierebewusste BGH-Richter: Mit den "schnellen Seitenwechseln" von ehemaligen Richtern aus Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs, die im Anschluss an ihre Amtstätigkeit immer wieder in großen Wirtschaftskanzleien ein Auskommen finden oder bereits während ihrer Amtszeit enge Kontakte unterhielten, befassen sich heute Sven Becker und Dietmar Hipp (Der Spiegel).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Haschtourismus unerwünscht: Der Plan der niederländischen rechtsliberalen Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte und Justizminister Ivo Opstelten hat ein breites Echo ausgelöst. Michael Stabenow (FAZ) weist in der heutigen Ausgabe unter dem Titel "Wir müssen leider draußen bleiben" darauf hin, dass die Freizügigkeit nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eingeschränkt werden dürfe, um Drogenkonsum zu unterbinden. Laut Gunda Schwantje (taz) seien Vertreter niederländischer Städte sowie Oppositionspolitiker skeptisch. Sie befürchteten, dass der illegale Straßenhandel durch Dealer zunehmen werde.

Scheidung auf maltesisch: Mit einer knappen Mehrheit hat sich die Bevölkerung Maltas für die Möglichkeit einer Scheidung nach einer vierjährigen Trennungsphase ausgesprochen. Neben anderen Medien berichtet auch welt.de über diese Grundsatzentscheidung in dem katholisch geprägten Land.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Mai 2011: Deutscher Richter für Mladic – Fehlurteile in Strafprozessen – Holland bekämpft Haschtouristen . In: Legal Tribune Online, 30.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3387/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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