Die juristische Presseschau vom 3. August 2011: Überstunden für Alleinerziehende – Länder arbeiten an Sicherungsverwahrung – Aufsichtsrat mit vielen Pflichten

03.08.2011

Über ein Urteil des BGH zum Unterhaltsrecht berichten heute viele Medien. Außerdem: Sechs Bundesländer kooperieren bei der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, verdeckte Ermittler in sozialen Netzwerken, die Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern aus dem Aktiengesetz, Rechtsfragen zum Finanzierungsausstieg bei S-21 und vieles andere.

Unterhaltsrecht: Nach einer gestern veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs müssen auch alleinerziehende Mütter oder Väter grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung wahrnehmen, wenn das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat. zeit.de berichtet darüber und erläutert die bisherige Rechtsprechung des BGH dazu sowie die Unterhaltsrechtsreform aus dem Jahr 2008. Damals sei eine "Erwerbsobliegenheit" eingeführt worden. Der Bericht schildert auch die möglichen Ausnahmen von der Obliegenheit. So sei es etwa möglich, durch Gutachter die Notwendigkeit einer intensiveren Kinderbetreuung durch die oder den Alleinerziehende(n) nachzuweisen.

welt.de stellt den Verfahrensgang im konkreten Fall dar und verlinkt das Urteil. In einem Rechtsstreit zwischen einem geschiedenen Ehepaar habe der Mann versucht, eine Kürzung des Unterhaltes für die alleinerziehende und halbtags arbeitende Mutter zu erwirken. Die Vorinstanzen hätten der Mutter Recht gegeben.

Wolfgang Janisch (SZ) findet, das Gericht "[v]erurteilt zum 16-Stunden-Tag", die Belange der Kleinkinder würden nicht genügend berücksichtigt. Janisch weist aber darauf hin, dass "vieles" an der Unterhaltsreform und der dazugehörigen Rechtsprechung richtig sei.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Sicherungsverwahrung: Sechs Norddeutsche Bundesländer haben sich zusammengeschlossen und wollen gemeinsam die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestaltung der Verwahrung umsetzen. Laut FAZ (Peter Carstens) sollen durch die Kooperation vor allem die Mehrkosten für die Unterbringung niedrig gehalten werden. Nur in drei der sechs Bundesländer sollen Einrichtungen gebaut werden, die dann für alle beteiligten Länder zuständig seien.

Über einen aktuellen Fall aus der Justiz berichtet spiegel.de: Das Landgericht Berlin habe für einen 49-Jährigen Inhaftierten keine Sicherungsverwahrung angeordnet; diese sei "Unter Vorbehalt angeordnet worden". Der wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung Verurteilte habe zwar bereits mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis verbracht, nach einer Entlassung seien indes nur "Straftaten einfachen Kalibers" zu erwarten, so laut spiegel.de das Gericht.

Doppelte Staatsangehörigkeit: Einige Bundesländer planen eine Bundesratsinitiative, um die bestehende bundesgesetzliche Regelung aus dem Staatsangehörigkeitsrecht zur doppelten Staatsbürgerschaft zu ändern, weiß die FAZ zu vermelden. So sei gewünscht, dass erst mit Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres von Inhabern einer sog. doppelten Staatsbürgerschaft eine Entscheidung für oder gegen die deutsche Staatsangehörigkeit und die damit einhergehende Aufgabe der weiteren Staatsbürgerschaft getroffen werden müsse, statt wie bisher mit Erreichen der Volljährigkeit.

Mietrecht: Dominik Schüller, Berliner Rechtsanwalt, beleuchtet auf lto.de eingehend die zivilrechtlichen Aspekte des tragischen Todes einer Berliner Familie in der letzten Woche. Diese sei mutmaßlich an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben, ausgelöst durch eine mangelhafte Gastherme. Schüller erläutert die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu den Haftungs- und Instandhaltungsfragen. So sei etwa eine Haftung auf Seiten des Vormieters möglich.

Aufsichtsrat: Über die Pflichten und Haftungsrisiken von Aufsichtsratsmitgliedern schreibt der Rechtsanwalt Peter Lindt im Handelsblatt-Rechtsboard ausgehend von der diesbezüglichen "Masternorm" des Aktiengesetzes, dem Paragraphen 111. Auch geht Lindt auf die notwendigen Qualifikationen von Mitgliedern des Kontrollgremiums ein, die sich beispielsweise aus Verhaltens-Kodizes ergäben.

Weitere Themen – Justiz

Stuttgart 21: Der Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen den Bau des Bahnhofs hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim keinen Erfolg. Gerügt wurde, dass größere Mengen Grundwasser als geplant entnommen werden müssten. Laut Gericht darf weiter gebaut werden, vermeldet das Handelsblatt. Möglicherweise sei jedoch ein neues Planfeststellungsverfahren nötig, dies sei für den BUND ein "Teilerfolg".

Mit der Frage, ob eine Volksabstimmung über den Ausstieg des Landes Baden-Württemberg aus der Finanzierung des Projektes mit der Landesverfassung und dem Grundgesetz vereinbar wäre, befasst sich in einem Gastbeitrag auf lto.de Sebastian Roßner, wissenschaftlicher Mitarbeiter aus dem Öffentlichen Recht an der Düsseldorfer Universität. Die Landesregierung plane ein Gesetz zur Kündigung des Finanzierungsvertrages. Scheitere dies im Landtag, wie vermutet und wohl gewollt werde, so würde das Gesetz dem Landesvolk zur Abstimmung vorgelegt. Im Ergebnis sei dies rechtlich auch möglich, analysiert Roßner.

Ehrenmorde: Die Untersuchungen des Freiburger Max-Planck-Institutes zu so genannten Ehrenmorden in Deutschland sei die bisher gründlichste Studie in diesem Umfeld, befindet die taz (Christian Rath) und fasst die Ergebnisse zusammen.

Die Studie zeige auch, dass Ehrenmorde auf soziale und nicht religiöse Probleme zurückzuführen seien, resümiert Christian Rath (taz). "Schärfere Gesetze" seien daher nicht die richtige Antwort auf die Probleme.

Verdeckte Ermittler: Die Tätigkeit von verdeckten Ermittlern in sozialen Netzwerken im Internet, wie etwa Facebook, war Gegenstand einer kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Linke aus dem Juni dieses Jahres. Die FAZ (Detlef Borchers) erläutert die Stellungnahme der Bundesregierung. Daraus wird zitiert, es gebe keine "systematische und anlassunabhängige Recherche in sozialen Netzwerken". Ob von Seiten der Ermittler zu Tarnungszwecken auch strafbare Inhalte weitergegeben worden seien, würde dagegen etwa als "geheime Verschlusssache" eingestuft.

Horst Mahler: Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft vernahm im Rahmen ihrer Ermittlungen im Mordfall "Benno Ohnesorg" auch Horst Mahler, ehemaliges RAF- und NPD-Mitglied, der gegenwärtig wegen Holocaust-Leugnung in Haft ist. In diesem Zusammenhang kam nun der Verdacht auf, Mahler könne auch ein sog. Informeller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen sein. Darüber berichtet die SZ (Hans Leyendecker).

spiegel.de (A. Meiritz/ S. Röbel/ P. Wensierski) setzt sich ausführlich mit dem Fall Mahler auseinander. Ob dieser eine IM-Tätigkeit in der Vernehmung überhaupt eingeräumt habe, sei schon unsicher.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Ungarn: Strafrechtlich belangen möchte der Ungarische Regierungschef Viktor Orbán die Vorgängerregierung wegen ihrer Schuldenpolitik. Zurzeit werde überprüft, ob die bestehende Gesetzeslage dafür ausreiche. Falls nicht, sollte diese geändert werden, so die taz (Ralf Leonhard), die dabei auf das Rückwirkungsverbot für Strafgesetze "in demokratischen Ländern" hinweist.

Dies unternimmt auch Peter Sturm (FAZ) in seinem Kommentar "Politische Justiz" und erinnert außerdem an die umstrittenen Mediengesetze in Ungarn.

Ägypten: Dem heute beginnenden Prozess gegen dem ehemaligen Ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak in Kairo widmet die SZ (Sonja Zekri) ihr Thema des Tages. Angeklagt sei Mubarak wegen Korruption und dem Tode vieler Demonstranten. Komme es zur Verurteilung, drohe ihm die Todesstrafe, so die SZ.

Die FTD (Raniah Salloum) beleuchtet die finanziellen Aspekte des Prozesses, dieser sei "der erste Schritt, um an [das] eingefrorene(..) Auslandsvermögen zu kommen".


Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dc

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. August 2011: Überstunden für Alleinerziehende – Länder arbeiten an Sicherungsverwahrung – Aufsichtsrat mit vielen Pflichten . In: Legal Tribune Online, 03.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3923/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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