Die juristische Presseschau vom 29. Juli 2011: Gehemmtes Kar­tellamt – Effi­zi­ente Ombuds­männer – Inef­fi­zi­ente Kosovo-Jus­tiz­ex­pe­di­tion

29.07.2011

Mit mehr Beamten könnten mehr Delikte aufgeklärt werden. Das meint nicht nur die Polizei, sondern auch das Bundeskartellamt. Außerdem in der heutigen Presseschau: Ein Lob der Ombudsmänner und Schlichtungsstellen, ein ernüchterter Blick auf das EU-Justizengagement im Kosovo und vieles andere.

Kartellrecht: Das Bundeskartellamt fordert mehr Personal. Viele Fälle von Preisabsprachen könnten derzeit nicht verfolgt werden, sagte Andreas Mundt, der Präsident des Amtes. Mundt stellte gestern den Tätigkeitsbericht des Kartellamtes vor. Darüber berichten u.a. die FAZ (Helmut Bünder) und lto.de. Vor allem die Straflosigkeit für Kronzeugen sei ein erfolgreiches Instrument.

Thomas Sigmund (Handelsblatt) schlägt die Schaffung eines Entflechtungsgesetzes vor. Dies würde dem Kartellamt erlauben, Konzerne zu zerschlagen – "und zwar auch dann, wenn ihnen (noch) kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nachgewiesen werden kann."

Weitere Themen – Rechtspolitik

Facebook-Fahndung: lto.de (Wolfgang Bär) referiert anhand parlamentarischer Auskünfte der Bundesregierung die Rechtslage bei der polizeilichen Fahndung in sozialen Netzwerken. Diese sei ohne spezielle gesetzliche Grundlage möglich, soweit die Ermittler auf allgemein zugängliche Quellen zugreifen. Anders sei es bei Ermittlungen in geschlossenen Nutzergruppen. Hier gölten die Regeln der strafprozessualen oder polizeirechtlichen Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung beziehungsweise zum Einsatz verdeckter Ermittler.

Funkzellenabfrage: Nun gibt auch die SZ (Heribert Prantl) einen Überblick über die Dresdner Handydaten-Affäre. Inzwischen hätten die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern eine Änderung der Regelung zur Funkzellenabfrage in § 100g Strafprozessordnung gefordert. Außerdem plane Sachsen eine entsprechende Bundesratsinitiative.

Weitere Themen – Justiz

Ombudsmänner: Auf einer Schwerpunktseite stellt die FTD (Frauke Ladleif) Ombudsmänner als Alternative zur staatlichen Justiz vor. Sie seien mehr als Feigenblätter der Wirtschaft. "Die Schlichter helfen unbürokratisch, schneller als ein Gericht – und kostenlos." Ladleif stellt Schlichtungsstellen für verschiedene Branchen dar. Im Interview wird Günter Hirsch vorgestellt. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs ist jetzt Ombudsmann für Versicherungen und hat dabei immerhin 41 Mitarbeiter.

Schadensersatz für Lokführer: Die FAZ (Karin Truscheit) berichtet über die Verhandlung am LG Fürth, bei der ein Lokführer von den Eltern eines von ihm überfahren Selbstmörders Schmerzensgeld verlangte. Die Richterin habe einen Betrag zwischen 3.000 und 5.000 Euro als realistisch angesehen. Nun prüfen die Parteien, ob sie sich auf einen Vergleich einigen können.

Sprachkurs-Urteil: Der Handelsblatt-Rechtsblog (Klaus Heeke) beleuchtet eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Juni. Danach ist es keine ethnische Diskriminierung, wenn ein Arbeitgeber von einer kroatischen Arbeitnehmerin verlangt, sie solle auf eigene Kosten außerhalb der Arbeitszeit einen Deutschkurs absolvieren. Zulässig sei es im übrigen auch, so Heeke, wenn von einem deutschsprachigen Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen das Erlernen einer für seine Arbeit erforderliche Fremdsprache gefordert werde.

Parteiverbot: Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnt laut spiegel.de vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren, denn dann müssten V-Leute in der Partei "abgeschaltet" werden. Das sei ihm "zu riskant". SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte nach dem Massaker von Norwegen einen neuen Anlauf für ein Parteiverbot gefordert. Heribert Prantl (SZ) kommentiert, es gebe keinen "Ausschaltknopf" für Ausländer- und Islamhass. "Bevor die bürgerliche Mitte nach allen möglichen Verboten ruft, sollte sie sich die eigene Fremdenfeindlichkeit verbieten."

Weitere Themen – Recht in der Welt

Norwegen: Die Anklage gegen Anders Behring Breivik wird erst für 2012 erwartet. Das berichtet u.a. spiegel.de. Der Prozess werde auch besonders aufwändig, da die Staatsanwaltschaft jeden der 76 Morde einzeln thematisieren will. lto.de (Robert Frau) erläutert, dass es sich bei dem Massaker nicht um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehandelt habe. Ein solches sei zwar auch außerhalb eines bewaffneten Konfliktes möglich. Es fehle hier aber die Verbindung mit einer (quasi)-staatlichen Autorität und die Einbettung in eine Struktur ausgedehnter und systematischer Verbrechen. In ihrer heutigen Ausgabe stellte nun auch die FAZ (Sebastian Balzter) den Verteidiger Breiviks vor.

Kosovo: Die EU finanziert unter dem Namen Eulex 3000 ausländische und einheimische Juristen und andere Justizkräfte, um die Rechtsstaatlichkeit im Kosovo zu verbessern. Bisher sei die Wirkung der jährlich 100 Millionen Euro teuren Aktion aber gering, berichtet die SZ (Marc Hoch).

Italien: Nitto Francesco Palma ist neuer Justizminister Italiens in der Regierung Berlusconi. Die FAZ (Jörg Bremer) stellt in einem wohlwollenden Artikel den neuen Justizminister und seinen Vorgänger Angelino Alfano vor.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. Juli 2011: Gehemmtes Kartellamt – Effiziente Ombudsmänner – Ineffiziente Kosovo-Justizexpedition . In: Legal Tribune Online, 29.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3887/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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