Die juristische Presseschau vom 28. Oktober 2011: Schutzschirm für Unternehmen – Verfassungswidrige Durchsuchungen – Erfolgreiche Litigation-PR

28.10.2011

In Deutschland werden Verlierer gerne abgestempelt. Deshalb gestehen Unternehmen ihre Schwierigkeiten oft zu spät ein. Ein neues Insolvenzrecht will dies ändern. Außerdem in der heutigen Presseschau: Die Bilanz des Verfassungsrichters Rudolf Mellinghoff zur Kontrolle von Hausdurchsuchungen, die Beschreibung der PR-Kampagne für die kürzlich freigesprochene Studentin Amanda Knox und vieles andere.

 

Neues Insolvenzrecht: Der Bundestag hat gestern das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beschlossen. Darüber berichtet unter anderem die FTD (Lutz Meier). Firmen sollen ermuntert werden, sich frühzeitig ihre Zahlungsschwierigkeiten einzugestehen, bevor es für eine Sanierung zu spät ist. Vorgesehen ist ein Schutzschirm für derartige Unternehmen, der ihnen drei Monate lang Ruhe vor den Gläubigern verschafft und in der sie von einem selbstgewählten Sachwalter überwacht werden. Diese Sanierung in Eigenregie soll von der Ausnahme zur Regel werden. Im Gegenzug erhalten Gläubiger mehr Einfluss bei der Auswahl eines Insolvenzverwalters. Außerdem können sie eine Umwandlung von Schulden in Unternehmensanteile verlangen. Das Gesetz solle voraussichtlich im April in Kraft treten.

In einem Kommentar lobt Heike Anger (Handelsblatt), dass hier nach US-Vorbild eine "Kultur der zweiten Chance" entstehe. Jetzt komme es darauf an, dass betroffene Unternehmen selbstbewusst genug sind, die neuen Möglichkeiten auch zu nutzen. Laut FAZ (Joachim Jahn) kritisiert der Verband der Insolvenzverwalter, dass Forderungen der öffentlichen Hand in der Insolvenz weiter Vorrang haben.

Weitere Themen – Rechtspolitik

TKG-Novelle: Mit zahlreichen Änderungen wurde gestern das Telekommunikationsgesetz geändert. Einen Überblick gibt unter anderem die FAZ (Helmut Bünder/Henrike Roßbach). Andreas Jalsovec (SZ) kritisiert, dass Warteschleifen für Telefon-Hotlines erst in einem Jahr kostenfrei werden sollen. Kai Biermann (zeit.de) bemängelt, dass es keinen Anspruch auf einen Breitband-Anschluss gibt und die Netzneutralität nicht verbindlich vorgeschrieben wurde. Die taz (Christian Rath) berichtet, dass die Nutzung von Verkehrsdaten für Abrechnungen unter Diensteanbietern weiter unbefristet möglich ist, was auch die Polizei freue, die darin einen Ersatz für die derzeit blockierte Vorratsdatenspeicherung sehe.

Leutheusser-Schnarrenberger zu Trojanern: In einem ausführlichen Gespräch mit Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (Constanze Kurz, Frank Rieger) und der FAZ-Redaktion (Frank Schirrmacher, Reinhard Müller) fordert die Bundesjustizministerin im FAZ-Feuilleton, einen Moment innezuhalten und sich zu fragen: "Brauchen wir die Instrumente überhaupt, die derzeit zur Anwendung kommen?" 

Merk zu Kinderpornographie: In einem Gastbeitrag für die FAZ fordert Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) eine Nachbesserung des deutschen Strafrechts. Es müsse klargestellt werden, dass schon das bloße Betrachten von Kinderpornographie strafbar sein soll. Auf eine Speicherung im eigenen Computer soll es nicht mehr ankommen. 

Albrecht zu Fluggastdaten: In einem Gastbeitrag für die taz kritisiert der Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht (Grüne) das gestern vom Europäischen Parlament akzeptierte Abkommen zur Weitergabe von Fluggastdaten an Australien. Er sieht darin den "gefährlichen Einstieg in noch weitergehende Vorhaben."

Neuregelung des Glücksspielmarkts: Fast alle Bundesländer haben sich auf eine Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags geeinigt, berichtet manager-magazin.de. Danach soll es zwanzig Lizenzen für private Anbieter von Sportwetten geben. Außerdem sei eine Spieleinsatzsteuer von fünf Prozent vorgesehen. Ob Schleswig-Holstein mitmacht, ist noch offen. Das Land strebt eine völlige Liberalisierung des Wettmarkts an.

Weitere Themen – Justiz

Anwälte als Verfassungsrichter: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über eine Initiative des Deutschen Anwaltvereins, Anwälte als Richter ans Bundesverfassungsgericht zu berufen. Im Gespräch sei unter anderem Margarete Mühl-Jäckel aus Potsdam. Die nächsten beiden Richterposten werden von der Union vorgeschlagen. 

Mellinghof zu Hausdurchsuchungen: Der scheidende Verfassungsrichter Rudolf Mellinghoff kritisiert in einem Interview mit der taz (Christian Rath) die Vielzahl unverhältnismäßiger Durchsuchungen. Den Richtern seien oft die Maßstäbe verrutscht. 

Freispruch für Sachverständigen: Der Einsturz einer Eishalle in Bad Reichenhall bleibt weiter ohne strafrechtliche Folgen. Das Landgericht Traunstein sprach einen Bauingenieur, der dem eingestürzten Dach zuvor einen guten Zustand bescheinigt hatte, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Das berichtet spiegel.de. Rechtsprofessor Stephan Stübinger liefert auf lto.de eine vertiefte Analyse des Urteils. Der Sachverständige sei wohl nur der Sündenbock für die untätigen Verantwortlichen der Stadtverwaltung gewesen.

Milde Strafen für Kunstfälscher: Wegen bandenmäßigen Betrugs wurde der Maler Wolfgang Beltracchi und drei Komplizen vom Landgericht Köln  zu Haftstrafen bis zu sechs Jahren verurteilt. Nach einem Geständnis endete der Prozess ohne Anhörung der benannten 186 Zeugen, berichtet spiegel.de (Michael Sontheimer). Die SZ (Renate Meinhof) bilanziert den Prozess aus der Sicht eines Ermittlers. 

Räuberische Aktionäre: Die FAZ (Joachim Jahn) referiert eine Studie des Rechtswissenschaftlers Theodor Baums. Nach einer Gesetzesänderung habe sich die Zahl der Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse von AG-Hauptversammlungen in den letzten zwei Jahren halbiert. Allerdings sei die Zahl der so genannten Berufskläger von 32 auf 45 angewachsen. 

Weitere Themen – Recht in der Welt

PR für Amanda Knox: Die FAZ (Christiane Heil) beschreibt, wie eine aufwändige Litigation-PR-Kampagne das öffentliche Bild der in Italien unter Mordverdacht stehenden US-Studentin Amanda Knox veränderte. Dies habe zu ihrem kürzlichen Freispruch beigetragen. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

 

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. Oktober 2011: Schutzschirm für Unternehmen – Verfassungswidrige Durchsuchungen – Erfolgreiche Litigation-PR . In: Legal Tribune Online, 28.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4677/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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