Die juristische Presseschau vom 28. bis 30. Januar 2012: Durchsuchung bei Glaeseker – Fiskalpakt für Euroländer – Verkehrsgerichtstag in Goslar

30.01.2012

Die Durchsuchung beim ehemaligen Wulff-Sprecher kann sich auch auf den Bundespräsidenten auswirken, meinen die Kommentatoren. Außerdem wird für heute der Euro-Fiskalpakt erwartet, der Verkehrsgerichtstag hat das Rad neu erfunden, der EuGH äußerte sich zu befristeten Arbeitsverträgen – und das tschechische Verfassungsgericht weiß ganz genau, wo der Hund begraben liegt.

Durchsuchung bei Glaeseker: Wie die Bild am Sonntag berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Hannover das Dienstzimmer von Olaf Glaeseker durchsucht. Dem ehemaligen Sprecher von Bundespräsident Christian Wulff wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Eine Zusammenfassung findet sich auf bild.de (Markus Hellwig/Burkhard Uhlenbroich), auch die Montags-FAZ (Peter Carstens) und die Montags-SZ (Hans Leyendecker) berichten ausführlich.

Reinhard Müller (Montags-FAZ) meint, die Ermittlungen gegen Glaeseker könnten sich auch auf Wulff selbst auswirken: "Was bisher säuberlich getrennt zu sein scheint – kein Anfangsverdacht gegen Wulff, aber umfangreiche Durchsuchungen bei Glaeseker –, muss nicht getrennt bleiben." Das vermutet auch Hans Leyendecker (Montags-SZ) in seinem gesonderten Kommentar. Er verweist jedoch zugleich auf die Unschuldsvermutung: Diese sei "keine Floskel", schließlich würden die "allermeisten Verfahren" eingestellt.

Juristen zu Wulff: Im Spiegel äußerten sich Juristen zur Wulff-Affäre. Der Strafrechtler Klaus Bernsmann erklärt, dass ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme "auf der Hand" liege. Das Interview findet sich als Vorabmeldung auf spiegel.de. Der Verwaltungsrechtler Hans Heribert von Arnim ist der Auffassung, der Bundespräsident dürfe im Falle eines Rücktritts keinen Ehrensold erhalten, das zeige die Begründung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten. Auch das meldet vorab spiegel.de.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Euro-Fiskalpakt: Die Euro-Staaten werden voraussichtlich heute den Fiskalpakt unterzeichnen, in dem sie sich zu mehr Haushaltsdisziplin verpflichten. Die Montags-SZ (Martin Winter) fasst die Regelungen zusammen. Werner Mussler (Montags-FAZ) kritisiert, die "ursprünglichen deutschen Anliegen" seinen in dem Kompromiss schwer zu erkennen, offenbar sei die Bundesregierung "inzwischen damit zufrieden, dass der Pakt überhaupt in einen Vertrag gegossen wird". Auch Christoph B. Schiltz (Die Welt) ist skeptisch, der Fiskalpakt enthalte "zu viele Schlupflöcher." So sei "eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof oder gar Strafen gegen Länder, die die Schuldenbremse nicht umsetzen, in der Praxis nahezu ausgeschlossen."

Verkehrsgerichtstag: In Goslar ging am Freitag der 50. Deutsche Verkehrsgerichtstag zu Ende. Die Samstags-SZ (Helmut Kerscher) fasst die Ergebnisse zusammen. Demnach befürworteten die Verkehrsexperten einen Schmerzensgeldanspruch für Hinterbliebene von Unfallopfern mit einem "klaren Ja". Zudem ging es um den Führerschein für Kranke und um Schiffsverkehrsrecht, insbesondere den Schutz vor Piraterie. Mit der juristischen Definition eines Fahrrads beschäftigte sich ebenfalls ein Arbeitskreis, diesem Thema widmet sich ausführlich die FR (Ingmar Keller). Demnach sollten Elektrofahrräder als Fahrräder behandelt werden, solange sie nicht mehr als 25 km/h erreichen. Bei höheren Geschwindigkeiten müssten jedoch die gleichen Regelungen wie für Mofas gelten.

Studien zur Datenspeicherung: Im Auftrag des Bundesjustizministeriums hat das Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht ein Gutachten zur Vorratsdatenspeicherung erstellt. Die Autoren der Studie bezweifelten dabei den Nutzen der anlasslosen Datenspeicherung für die Aufklärung von Straftaten. Das berichtet unter anderem die Samstags-SZ (Susanne Höll/Marlene Weiss). Auch internet-law.de (Thomas Stadler) fasst die Ergebnisse des Gutachtens zusammen. Mit einer Evaluierung der Vorratsdatenspeicherung seitens der Europäischen Union setzt sich der Rechtswissenschaftler Ermano Geuer auf lto.de auseinander. Er ist der Ansicht, die EU müsse nachbessern: "Entweder wird von der Vorratsdatenspeicherung komplett Abstand genommen oder diese wird entsprechend modifiziert."

Befugnisse des Verfassungsschutzes: Der Spiegel (Thomas Darnstädt/Markus Deggerich/Hubert Gude/Catalina Schröder) setzt sich in einem Bericht über die Überwachung der Linkspartei-Abgeordneten mit der Frage auseinander, was der Verfassungsschutz darf: "Aufgaben, Befugnisse, Verantwortlichkeiten: Alles ist Ansichtssache, nur lückenhaft und widersprüchlich geben die Gesetze Auskunft".

Weitere Themen - Justiz

Befristete Arbeitsverträge: Der Europäische Gerichtshof hat sich auf Ersuchen des Bundesarbeitsgerichtes mit der wiederholten Befristung von Arbeitsverträgen befasst. Markus Stoffels (beck.blog.de) stellt die Entscheidung vor. Demnach könne die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse gerechtfertigt sein, es müssten jedoch alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. spiegel.de (Christoph Driessen/dpa/mamk) schildert den Hintergrund des Falles. Dabei ging es um eine Justizangestellte des Amtsgerichts Köln, deren Arbeitsvertrag über elf Jahre 13 mal verlängert wurde.

Versteigerter Teppich: Wie Die Welt meldet, hat das Landgericht Augsburg die Schadensersatzklage gegen einen Auktionator abgelehnt, der sich bei der Bewertung eines persischen Teppichs verschätzt hatte. Der Inhaber eines Augsburger Auktionshauses hatte den Wert des Teppichs auf 900 Euro geschätzt – bei einer späteren Christie's-Auktion wurden jedoch 7,2 Millionen Euro erzielt. Eine Pflichtverletzung lag aber nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Prozess ohne Opfer: Von einem "Prozess ohne Opfer" berichtet die Samstags-taz (Christian Jakob). Ein Asylbewerber wurde in Plauen gewalttätig angegriffen und erstattete Anzeige. Er sollte jedoch noch vor dem Gerichtstermin abgeschoben werden und ist nun untergetaucht.

Datenspeicherung vor Gericht: Wie die Montags-SZ (Tanjev Schultz) weiß, hat das höchste Gericht Irlands dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechte-Charta oder die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Klage wegen Streik-Drohung: Lufthansa, Air Berlin und Ryanair haben eine Klage gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung beim Arbeitsgericht Frankfurt eingereicht. Wie die FAS (Melanie Amann) berichtet, fordern die Unternehmen 3,2 Millionen Schadensersatz, weil die Fluglotsen einen Streik angekündigt hatten, der allerdings nie statt fand. Eine Klage "wegen eines nur angekündigten Arbeitskampfes, das ist neu", heißt es dazu.

Paulchen Panther: Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Billigung von Straftaten gegen Neonazis, die auf einer Demonstration die Melodie zu "Paulchen Panther" abspielten. Mit dem Lied war das Bekennervideo der NSU-Terrorzelle unterlegt. Der Richter Markus Bader hält auf lto.de die Verwirklichung dieses Straftatbestandes für nicht fernliegend. Eine Strafbarkeit wegen der Unterstützung einer terroristischen Gruppe komme dagegen wohl nicht in Betracht.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Ex-Diktator vor Gericht: Efraín Ríos Montt, ehemaliger Militärdiktator Guatemalas, muss sich wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem Gericht in Guatemala-Stadt verantworten. Er soll für Massaker und Massenvergewaltigungen in Maya-Gemeinden verantwortlich sein, die von der Armee in den 1980er Jahren verübt wurden. Die Samstags-taz (Cecibel Romero) berichtet.

Costa Concordia: Die Reederei des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia bietet den Passagieren eine Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro an. Deutsche und US-amerikanische Anwälte haben jedoch eine Sammelklage angekündigt. Das berichtet unter anderem die Samstags-SZ (Christoph Giesen).

Das Letzte zum Schluss

Verfassungsgericht und Chihuahua: Bereits zum zweiten Mal hat sich das Tschechische Verfassungsgericht mit dem Fall einer Chihuahua-Hündin auseinandergesetzt, die in einer Tierklinik zu Tode kam. Zunächst war ihre Besitzerin durch alle Instanzen gezogen, um Schadensersatz zu verlangen, was ihr jedoch nicht gelang. Danach klagte der Tierarzt, der den Vorwurf fahrlässiger Tötung nicht auf sich sitzen lassen wollte, und bekam Recht. Die FAZ (Karl-Peter Schwarz) berichtet von dem Verfahren und der gründlichen Aufarbeitung des Falles - unter anderem dank der Exhumierung des Hundes.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. bis 30. Januar 2012: Durchsuchung bei Glaeseker – Fiskalpakt für Euroländer – Verkehrsgerichtstag in Goslar . In: Legal Tribune Online, 30.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5431/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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