Die Anschläge von Oslo haben in Deutschland eine neue Sicherheitsdebatte entfacht. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bewertet die Tagespresse indes einhellig kritisch. Außerdem in der heutigen Presseschau: ein EU-Verordnungsvorschlag zum Forderungseinzug in der EU, die Berliner Kennzeichnungspflicht für Polizisten und der Geburtstag der Bundesjustizministerin.
Sicherheitsdebatte: Die Anschläge von Oslo haben eine neue Diskussion über Sicherheitspolitik ausgelöst. Wie u.a. die FAZ (Peter Carstens) berichtet, hat der CSU-Innenpolitiker Uhl als Konsequenz die Einführung einer erneuerten Vorratsdatenspeicherung und Internetüberwachung gefordert, um solche Taten künftig im Vorfeld zu vereiteln. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Witthaut, hat hingegen angeregt, eine neue Datei für "auffällige Personen" einzurichten. Dies bezeichnete der Vorsitzende der Deutsche Polizeigewerkschaft, Wendt, laut LTO als "hanebüchenen Unsinn".
Für Christian Rath (taz) zeigt dieser Vorschlag, zu welch totalitären Gedanken es führt, wenn man versuchen will, langfristig mit hoher krimineller Energie vorbereitete Verbrechen schon im Ansatz zu verhindern; ehrlicher sei es, zuzugeben, dass dies nicht möglich sei. Zur Vorratsdatenspeicherung kommentiert er wie auch Falk Heunemann (FTD), dass diese bei Einzeltätern ohne Komplizen naturgemäß nichts bringe. Markus Horeld (zeit.de), und die taz (Sebastian Erb) sprechen von "reflexartigen" Vorschlägen. Udo Vetter (lawblog) findet, dass die Vorschläge Uhls und Witthauts in einen Überwachungs- und Ausgrenzungsstaat mündeten.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Forderungseinzug in der EU: Die FAZ (Werner Mussler) und die SZ (Elisabeth Dostert) stellen einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur vorläufigen Kontenpfändung vor. Die Verordnung soll in einem einheitlichen Verfahren ermöglichen, ausstehende Forderungsbeträge bis zu einem Gerichtsbeschluss auf dem Konto des Schuldners zu blockieren. Um tatsächlich an das Geld zu kommen, muss der Gläubiger allerdings wie bisher nach nationalem Recht eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung erwirken. Derzeit schreiben Unternehmen innerhalb der EU jährlich bis zu 600 Millionen Euro ab, weil sie sich nicht auf teure und langwierige Rechtsstreitigkeiten in anderen Ländern einlassen wollen oder können.
Polizeikennzeichnung: Die taz (Gereon Asmuth) berichtet über das Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht für Uniformträger der Polizei in Berlin, wonach diese fortan wahlweise über Schilder mit ihrem Familiennamen oder mit einer fest zugeordneten Nummer für Bürger identifizierbar sind. Damit ist Berlin nach Darstellung der FAZ (Mechthild Küpper) das erste Bundesland mit einer derartigen Regelung, die es allerdings bereits in den meisten europäischen Ländern gibt. Das Handelsblatt (dc) schreibt dazu, die Ordnungshüter blieben "vorerst noch ohne Zwangsimplantat".
Verbraucherinformationsgesetz: Auf Mehrbelastungen und Gefahren für Betriebsgeheimnisse deutscher Unternehmen durch die letzte Woche vom Bundeskabinett verabschiedete Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes weist das Handelsblatt (Heike Anger) hin. Bedingt durch die Möglichkeit formloser Anträge von Verbrauchern benötigten Unternehmen künftig Mitarbeiter, die schnell auf durch solche Anträge ausgelöste behördliche Auskunftsbegehren reagieren könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich Wettbewerber durch sogenannte Global- oder Ausforschungsanträge über Produkte der Konkurrenz informierten.
Grünbuch Corporate Governance: Ulrich Noack befasst sich im handelsblatt-blog mit der deutschen Stellungnahme zum "Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen" der EU-Kommission, die in der Sache durchweg ablehnend sei. So wende sich Deutschland aus Gründen der Subsidiarität vor allem gegen die Einführung starrer Quoten für die Beteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen in gesellschaftsrechtlichen Gremien wie auch gegen die Schaffung einer aufsichtsbehördlichen Überprüfbarkeit von Corporate-Governance-Erklärungen. Auch die Stellungnahmen von BDI/BDA, des Deutschen Aktieninstituts und des Instituts für Gesellschaftsrecht (Universität zu Köln) seien eher ablehnend.
Weitere Themen - Justiz
HSH-Nordbank: Über ein weiteres Detail in der juristischen Aufarbeitung der Krise der HSH Nordbank berichtet die SZ (Kristina Läsker). So könnte sich eine Beteiligung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Jens Nonnenmacher an den Verlusten der Bank über Einbußen bei dessen Abfindung schwierig gestalten. Denn im Abfindungsvertrag mit dem ehemaligen HSH-Chef befinde sich eine Klausel, nach der eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft die Gesellschaft nicht zu Rückforderungen berechtige.
Richteramt und Geschlecht: Die FAZ (Katja Gelinsky) setzt sich vor dem Hintergrund der gescheiterten Sammelklagen gegen Wal-Mart vor dem US-Supreme Court wegen Diskriminierung weiblicher Angestellter mit der Frage auseinander, welche Rolle Geschlechterunterschiede bei der Urteilsfindung spielen. In dem Rechtsstreit hatte die männliche Richtermehrheit um Antonin Scalia gegen die Minderheit von drei Richterinnen und einem Richter, deren Sondervotum die Bundesrichterin Ruth Bader Ginsburg verfasste, ein kollektives Vorgehen der Angestellten wegen nicht genügend Gemeinsamkeiten zwischen den unzähligen Klägerinnen ausgeschlossen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Schengen: Nach Darstellung u.a. des Handelsblatts (Thomas Ludwig) haben Frankreich und Italien beim Flüchtlingsansturm aus Nordafrika vor drei Monaten nach Prüfung der EU-Kommission nicht gegen das Schengen-Abkommen verstoßen. Italien hatte für die Ankömmlinge auf Lampedusa befristete Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt, um sie offenbar zur Weiterreise nach Nordeuropa zu bewegen; Frankreich hatte daraufhin an Grenzübergängen zu Italien Züge gestoppt und die Einreisenden kontrolliert. Laut FAZ (Nikolas Busse) will Innenkommissarin Malmström nun Reformvorschläge zur Beseitigung bestehender Unklarheiten bei der Auslegung des Abkommens vorlegen.
Hrant Dink: Wie die SZ (Christiane Schlötzer) und die taz (Jürgen Gottschlich) berichten, ist gestern als erster von mehreren Angeklagten ein 21-Jähriger wegen des Mordes an dem armenischen Journalisten und Menschenrechtler Hrant Dink von einem Jugendgericht in Istanbul zu fast 23 Jahren Haft verurteilt worden. Dink war wegen seiner Artikel zum Genozid an den Armeniern zur Hassfigur für die rechte und nationalistische Szene in der Türkei geworden. Wolfgang Günter Lerch (FAZ) mahnt, das Urteil könne nur ein Anfang für die noch immer zu einem nicht geringen Teil nationalistisch geprägte Türkei sein, sich eine liberalere Verfassung in Bezug auf Minderheiten zu geben.
Sonstiges
Leutheusser-Schnarrenberger: Aus Anlass ihres heutigen sechzigsten Geburtstags porträtiert die FAZ (Peter Carstens) Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Politikerin, die in ihrer Partei die linksliberale Strömung repräsentiert, wird als "passionierte Diskutantin" charakterisiert, die den Meinungskampf liebe, aber auch das Zuhören nicht verlernt habe.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Die juristische Presseschau vom 26. Juli: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3854 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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