Die juristische Presseschau vom 25. Oktober 2011: BGH kippt Presse-Grosso – Gribkowsky vor Gericht – Lottofee bleibt legal

25.10.2011

Die Presselandschaft im Wandel und die Presse empört: Der Bundesgerichtshof hat eine Grundsatzentscheidung zum Presse-Grosso-System gefällt. Außerdem in der Presseschau: ruhig gestellte Kleinstaktionäre, der Formel-1-Prozess, Erläuterungen zum Lotto-Urteil und vieles andere.

BGH zum Presse-Grosso: Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil die Kündigung des Bauer-Verlags gegenüber dem Pressegrossisten Grade für rechtmäßig erklärt. Der Pressehandel wird bisher durch verlagsunabhängige Grossisten als Zwischenhändler kontrolliert, nun will Bauer seine Zeitschriften in bestimmten Regionen selbst ausliefern. Die Argumentation des Gerichts erläutert lto.de (Diana Niedernhöfer).

Die SZ (Wolfgang Janisch) erklärt, ausschlaggebend sei die juristische Bewertung der "Gemeinsamen Erklärung" gewesen. Darin hatten sich die Verleger zum Presse-Grosso-System bekannt und auf ein ordentliches Kündigungsrecht verzichtet – Bauer war der Erklärung jedoch nicht beigetreten.

Die FAZ (jch/Caroline Freisfeld) weist auf ein weiteres Verfahren hin, das vor dem Landgericht Köln anhängig ist. Dabei wolle Bauer dem Bundesverband Presse-Grosso untersagen, die Konditionen für seine Mitglieder zentral auszuhandeln.

Die FTD (Bernhard Hübner) zitiert den Präsidenten des Bundesverbandes der Pressegrossisten, Frank Nolte: "Das Urteil birgt Gefahren für das gesamte Vertriebssystem“.

Jan Hauser (FAZ) kommentiert: "Vor dem Bundesgerichtshof hat der Großverlag zwar gewonnen und sich gegen einen kleinen Pressegroßhändler durchgesetzt, aber zu welchem Preis?" Verlagschefin Yvonne Bauer gefährde das Presse-Grosso-System: "Am Ende würde darunter die Pressevielfalt leiden".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Euro-Rettung: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert der Finanzrechtsexperte Helmut Siekmann die Vorschläge zur Euro-Rettung, die sich "in Bereichen des mehr oder weniger offenen Rechtsbruchs" bewegt hätten. Insbesondere die Rücktritts-Aufforderung des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi an den Direktor der Europäischen Zentralbank, Bini Smaghi, sei "ein klarer Verstoß gegen das Vertragsrecht".

Kleinstaktionäre: Eine Studie des Rechtswissenschaftlers Walter Bayer nimmt eine Reform des Aktienrechts unter die Lupe, mit der systematische Klagen von Kleinstaktionären gegen Aktiengesellschaften ausgeschlossen werden sollten. Wie die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, wurde das Gesetz vor drei Jahren verabschiedet, die Zahl der Anfechtungsklagen habe sich seitdem halbiert. Bayer bewerte die Reform jedoch zwiespältig, weil die Funktion von Klagen, allgemein rechtmäßiges Verhalten zu fördern, teilweise entwertet werde. In einem gesonderten Kommentar begrüßt Joachim Jahn (FAZ) den Klagerückgang als "Erfolg der Politik".

Steuerabkommen: Im Zusammenhang mit dem Deutsch-Schweizerischen Steuerabkommen widmen sich die Rechtsanwälte Karsten Randt und Jörg Schauf in einem Gastbeitrag in der FAZ einem speziellen Problem: Wenn eine Erbengemeinschaften ein schwarzes Konto erhalten hat, könnte die Selbstanzeige eines Mitglieds dazu führen, dass die übrigen Erben wegen Steuerhinterziehung belangt werden. Das Steuerabkommen ermögliche jedoch einen anonymen "Weg zurück in die Steuerehrlichkeit".

Datenschutz und Netzwerke: Die Debatte um den Datenschutz im Internet hält an. Nun kamen Vertreter der sozialen Netzwerke Facebook und Google+ mit den Datenschützern Peter Schaar und Thilo Weichert in einem Unterausschuss des Bundestages zusammen. Die taz (Wolf Schmidt) erläutert die wesentlichen Streitpunkte. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Online-Netzwerke überhaupt deutschem Recht unterliegen, dazu zeit.de. Johannes Gernert (taz) sieht in der automatischen Foto-Gesichtserkennung von Facebook jedenfalls einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und begrüßt die Ankündigung Weicherts, gegen den "Gefällt-mir"-Button auf Internetseiten gerichtlich vorzugehen.

Weitere Themen - Justiz

Formel-1-Prozess: Der Prozess gegen den ehemaligen Vorstand der Bayerischen Landesbank, Gerhard Gribkowsky, hat am Montag begonnen. Mit dem Verkauf von Formel-1-Anteilen soll er sich wegen Bestechlichkeit als Amtsträger, Steuerhinterziehung und Untreue strafbar gemacht haben. Die FAZ (Henning Peitsmeier) schildert den Prozessauftakt und die Strategie des Verteidigers Rainer Brüssow. Die SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott/und Nicolas Richter) widmet dem Fall eine Reportage auf der Seite Drei. Den Lebensweg des studierten Juristen Gribkowsky beschreibt die FTD (Jarka Kubsova).

Lotto-Urteil: Die FAZ (Caroline Freisfeld) erläutert das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zum staatlichen Glücksspiel-Monopol. Die Richter hatten sich darin auch zur Lottoziehung im Fernsehen geäußert, was für lautstarke mediale Aufregung sorgte. Die Unsicherheit im deutschen Glücksspielrecht sei groß, heißt es in der FAZ: "Gerichte äußern sich zu Fragen, die ihnen gar nicht gestellt worden sind. Und die Öffentlichkeit hält mittlerweile alles für möglich, sogar die Rechtswidrigkeit der Lottofee." In dem Urteil gehe es aber nicht um die Rechtswidrigkeit der Ziehung, sondern allein darum, ob sich der Staat auf seine Monopolstellung berufen dürfe. Auf lto.de analysieren die Rechtsanwälte Wulf Hambach und Stefan Bolay. Es sei keineswegs ein "unsinniger Richterspruch", sondern "konsequent". Der Gesetzgeber müsse nun beim Glücksspielstaatsvertrag nachbessern.

Gaspreise: Das Landgericht Hamburg hat den Energieversorger E.on Hanse zur Zahlung von rund 75.000 Euro verurteilt, das meldet spiegel.de. Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte Rückforderungsansprüche von Gas-Kunden geltend gemacht, die ihre Gasabrechnung für überhöht hielten. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Pischetsrieder vor Gericht: Der ehemalige Chef von VW und BMW, Bernd Pischetsrieder, muss sich wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht München verantworten. Wie die SZ (Thomas Fromm) berichtet, soll bereits heute das Urteil fallen. In der FTD (Margret Hucko) heißt es zu dem Fall, die "Pose vom Unschuldslamm" lasse "viele am Rechtsbewusstsein Pischetsrieders zweifeln."

Lehman Prozesse: Mit den Verfahren gegen deutsche Banken, die Zertifikate der insolventen US-Bank Lehman Brothers verkauft haben, befasst sich die FAZ (Joachim Jahn). Obwohl der Bundesgerichtshof kürzlich zwei Klagen von geschädigten Anlegern abgewiesen hatte, müssten sich die Gerichte noch mit einer Vielzahl weiterer Prozesse befassen. Nach der Vorgabe des BGH sei jeder Fall einzeln zu bewerten.

Vertrags-Anwälte: Das Landgericht Bamberg entscheidet heute über eine Klage der Münchener Rechtsanwaltskammer gegen die Rechtsschutzversicherung HUK Coburg. Die Versicherung will ihre Kunden mit Vergünstigungen dazu anhalten, ausgewählte Kanzleien zu beauftragen – die Kammer sieht darin einen Verstoß gegen die freie Anwaltswahl. Die FTD (Friederike Krieger) erläutert die Hintergründe des Streits.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Sterbehilfe: Das Zeit-Dossier von Martina Keller zur Sterbehilfe und anschließender Organspende ist nun auch online verfügbar.

Sonstiges

Das Handelsblatt (Udo Reuß) berichtet von der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Professional Service Firms (DGPSF), auf der sich jährlich Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer austauschen. Dabei habe eine DGPSF-Analyse gezeigt, dass die Sozietäten stärker strategisch vorgehen müssten.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Oktober 2011: BGH kippt Presse-Grosso – Gribkowsky vor Gericht – Lottofee bleibt legal . In: Legal Tribune Online, 25.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4644/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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