Die juristische Presseschau vom 24. Juni 2011: Wilders freigesprochen – Steuerhinterzieher hart angefasst – Abgeschobener von Todesstrafe bedroht

24.06.2011

Sein Hass auf den Islam hat ihn zunächst ins Parlament gebracht, dann aber auch vor Gericht. Jetzt wurde Geert Wilders freigesprochen. Außerdem in der heutigen Presseschau: die unnachgiebige Linie des BGH gegen Steuersünder, eine folgenschwere Abschiebung aus Deutschland und vieles andere mehr. 

Wilders freigesprochen: Ein Amsterdamer Strafgericht hat den einflussreichen holländischen Islamgegner Geert Wilders vom Vorwurf der Anstiftung zu Hass und Gewalt freigesprochen, das berichtet spiegel.de (Björn Herngst/Christoph Titz). Seine Äußerungen über den Islam seien zwar oft grob und herabwürdigend, aber noch nicht jenseits der Grenze des Erlaubten. Seine Ausführungen seien nicht gegen Muslime als Menschen gerichtet gewesen, so die Richter.

Die FAZ (Andreas Ross) stellt die mehrjährige Prozessgeschichte dar. Thomas Kirchner (SZ) kritisiert den Freispruch als "falsches Signal". Eine Verurteilung wäre durchaus möglich gewesen. Am besten wäre der Prozess aber gar nicht erst zustande gekommen, weil er Wilders nur eine Bühne geboten habe.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Justizministerin gegen Strafverschärfungen: Im Gespräch mit der FAZ (Reinhard Müller) kritisiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Ruf nach neuen Strafgesetzen. Diese seien "oft nicht viel mehr als Symbolpolitik".

Vorratsdatenspeicherung: Ausführlich schildert die FAZ (Peter Carstens) die aktuelle Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung. Patrick Beuth (FR) spekuliert bereits über einen Rücktritt von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger: "Es sieht sehr danach aus, als ob sie demnächst erneut das Kabinett verlassen müsste, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit behalten will."

Keine obligatorischen Internetsperren: Wie netzpolitik.org (Ralf Bendrath) berichtet, haben Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und EU-Parlament ergeben, dass die EU-Staaten nicht verpflichtet werden, Internetsperren für Webseiten mit der Darstellung von Kindesmissbrauch einzuführen. Die EU-Kommission hatte dies ursprünglich für die Novellierung einer Richtlinie gegen Kindesmissbrauch vorgeschlagen.

Parlamentarische Würde: In einem Gastkommentar für die FAZ kritisiert MdB Wolfgang Neskovic (Linke) einen gemeinsamen Vorschlag von Union, FDP und SPD. Danach sollen Abgeordnete mit einem Ordnungsgeld belangt werden, wenn sie in nicht unerheblicher Weise die Würde oder Ordnung des Bundestags im Plenarsaal stören. Neskovic hält den Vorschlag, der insbesondere auf das Tragen von Protest-Tafeln und T-Shirts abzielt, für verfassungsrechtlich bedenklich, denn das Indemnitätsverbot schütze auch nonverbale Kommunikation.

Verbraucherschutz im Internet: Das Europäische Parlament hat jetzt der Neuregelung des Verbraucherschutzes für Geschäfte via Internet zugestimmt. Das berichtet focus.de. Dabei wird u.a. der Schutz vor nur vermeintlich kostenlosen Angeboten verbessert.

Weitere Themen – Justiz

Atomausstieg: Die FAZ (Joachim Jahn / Werner Sturbeck) beschreibt ausführlich den Konflikt um die Brennelementesteuer, die trotz Atomausstieg beibehalten werden soll.  AKW-Betreiber wollen den Rechtsstreit durch die Instanzen treiben. Im Interview mit der Donnerstags-taz (Christian Rath) prognostiziert die Frankfurter Professorin Astrid Wallrabenstein, dass Klagen gegen den Atomausstieg im Ergebnis nicht erfolgreich sein werden.

Gebietsreformen: lto.de (Veith Mehde) gibt einen Überblick über Urteile des Landesverfassungsgerichts von Sachsen-Anhalt zur Zusammenlegung von Kommunen. Ähnlich wie die meisten anderen Verfassungsgerichte räume es dem Gesetzgeber recht großen Spielraum ein.

BGH zu Steuerhinterziehung: Der Bundesgerichtshof duldet es nicht, wenn seine harte Linie gegen Steuerhinterzieher missachtet wird, berichtet die FAZ (Joachim Jahn). Der BGH habe deshalb ein vermeintlich zu mildes Urteil des Landgerichts Bochum aufgehoben.

BGH zu Trunkenheitsschäden: Eine Vollkasko-Versicherung kann den Ersatz eines Schadens ganz verweigern, wenn der verursachende Autofahrer grob fahrlässig handelte, weil er betrunken Auto fuhr. Das berichtet die SZ (Alina Richter). Der BGH sorge damit für Rechtssicherheit nach einer Gesetzesänderung.

Verbot von Islamistenverein: Vor dem Bundesverwaltungsgericht kämpft derzeit die Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) gegen ihr im Sommer 2010 erfolgtes Verbot. Die Donnerstags-taz (Christian Rath) schildert, wie ein Vergleichsangebot des Gerichts scheitert.

Wirtschaftskriminalität bei Ferrostaal: Das Landgericht Augsburg hat einen Mitarbeiter von Ferrostaal wegen Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, berichtet die SZ (Klaus Ott). Der Angeklagte hatte sich weniger ausgerechnet, da er als Kronzeuge in anderen Prozessen aussagt.

Ausgespähte Handy-Verbindungen: Die Freitags-taz (Paul Wrusch) setzt ihre Berichterstattung über die Funkzellenabfrage während einer Demonstration in Dresden fort. Inzwischen gebe es erste Klagen gegen die Maßnahme. Wie die taz (Martin Kaul) außerdem beschreibt, hat es bei ähnlichen Großereignissen keine vergleichbare Sammlung von Handydaten gegeben. Christian Rath (taz) fordert eine Ausweitung des Richtervorbehalts auf die Weitergabe von Daten.

Überhöhte Wasserpreise: In einem ausführlichen Gastbeitrag für die FAZ schildern der Ökonom Justus Haucap und der Regensburger Rechtsprofessor Jürgen Kühling, wie mit Hilfe des Kartellrechts und simuliertem Wettbewerb gegen überhöhte Wasserpreise vorgegangen wird. Eine Flucht ins öffentlich-rechtliche Gebührenrecht müsse verhindert werden.

Verhängnisvolle Abschiebung: spiegel.de schildert den Fall eines indischen Sikkh-Terroristen, der 1994 aus Deutschland abgeschoben worden war und dem jetzt in Indien die Todesstrafe droht. 1996 hatte das VG Frankfurt/M. nachträglich festgestellt, dass die Abschiebung wegen der zu befürchtenden Todesstrafe rechtswidrig war.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Juni 2011: Wilders freigesprochen – Steuerhinterzieher hart angefasst – Abgeschobener von Todesstrafe bedroht . In: Legal Tribune Online, 24.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3579/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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