Die juristische Presseschau vom 22. Juni 2011: Zeitungsverleger verklagen Tagesschau - Kontroversen um Sicherheitsgesetze - Eva Herman unterliegt vor dem BGH

22.06.2011

Die Klage von acht Zeitungsverlagen gegen eine gebührenfinanzierte App der Tagesschau ist heute das beherrschende Thema. Außerdem in der Presseschau: Neue Sicherheitsgesetze bleiben umstritten, Eva Herman unterliegt vor dem BGH, das Arbeitsrecht der Kirchen hat Reformbedarf, die Bundesanwaltschaft bereitet eine Klage gegen Gaddafi vor und vieles andere.

Klage gegen Tagesschau-App: Der Klage von acht Zeitungsverlagen gegen ein App der Tagesschau für Smartphones und Tablet-PCs widmen Michael Hanfeld (FAZ) und die FTD ihren Leitartikel. Für die FTD geht es ums Prinzip, "wenn die Verlage sich nun gegen die nächste Gratisoffensive der ARD stemmen." Die Kläger, so Hanfeld, sähen in der App einen Verstoß gegen das ARD und ZDF auferlegte Verbot, im Internet oder auf digitalem Weg presseähnliche Angebote zu unterbreiten. Er meint: "Der Dreistufentest, mit dem die Gremien der Sender die Online-Auftritte prüften, war eine bürokratische Farce." Daher bleibe nur der Rechtsweg. Weitere redaktionelle Beiträge dazu finden sich im Handelsblatt (Hans-Peter Siebenhaar) und auf spiegel.de (lis/mak). Bild.de nennt als beteiligte Verlage und Medien die Axel Springer AG (BILD, WELT), die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, die Süddeutsche Zeitung GmbH, die WAZ-Mediengruppe, die Mediengruppe DuMont Schauberg ("Kölner Stadt-Anzeiger"), die Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH, die Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH ("Flensburger Tageblatt") sowie das Dortmunder Medienhaus Lensing ("Ruhr Nachrichten") und beruft sich dabei auf Angaben des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

Sammelklage gegen Wal-Mart in den USA gescheitert: Die Entscheidung des US-Supreme Courts, nach zehn Jahren die Klage von 1,6 Millionen Frauen gegen Diskriminierung bei Bezahlung und Beförderung abzuweisen, weil sie keine Gruppe im Sinne einer Sammelklage (class action) darstellten, wird sehr unterschiedlich aufgegriffen. Die taz (Dorothea Hahn) zitiert die Anwältin Marcia D. Grenberger vom National Women's Law Center: "Das Gericht hat den Konzernen signalisiert, dass sie ruhig schlafen können". Nikolaus Piper (SZ) zeigt sich unter der Überschrift "Gut fürs Geschäft" zufrieden, dass die konservative Mehrheit des Gerichts zugleich die Anforderungen für Sammelklagen verschärft hat. Axel Spies (blog.beck.de) verweist auf den Wortlaut der Originalentscheidung auf der Website des US-Supreme Courts.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Harte Bandagen bei den Sicherheitsgesetzen: Das kontroverse Meinungsbild bei den Debatten um neue Sicherheitsgesetze führt zu einer widersprüchlichen Berichterstattung. Auf zeit.de (Lina Caspari) sind die Rollen klar verteilt: "Rot düpiert Grün bei der Vorratsdatenspeicherung" mit dem unangekündigten gemeinsamen Vorhaben der Innenminister von Baden-Württemberg und NRW, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Dagegen notiert spiegel.de (Ole Reißmann) "Grüne pfeifen SPD-Innenminister zurück", da die Grünen in beiden Ländern der Vorratsdatenspeicherung ihre Zustimmung verweigerten. Die Süddeutsche beschreibt die mühsame Suche nach einem Kompromiss und fr-online.de (Steffen Hebestreit) berichtet von der Forderung der SPD-Bundestagsfraktion an Kanzlerin Merkel, sie möge ein Machtwort sprechen, damit sich die Koalition endlich klar positioniere.

Patientenrechte ausbaufähig: Unter anderem die Süddeutsche (Guido Bohsem) stellt die Erhebungen der Gutachterstellen der Ärzteschaft für das Jahr 2010 vor, die falsche Diagnosen bei 2.199 Patienten festgestellt hätten, durch die 87 Menschen gestorben seien. Die taz (Heike Haarhoff) kommt auf den Plan der Koalition zurück, in 2011 ein Patientenrechtegesetz zu verabschieden, das erstmals die auf diverse Gesetzesbücher und Paragrafen verteilten Patientenrechte bündeln soll. Umstritten sei dabei, in welchen Fällen bei dem Verdacht auf Behandlungsfehler die Beweislast verlagert werden soll. Schuld an dem leichten Anstieg der ärztlichen Fehler, so fr-online.de, sei der erhöhte zeitliche Druck, unter dem Mediziner arbeiten müssten.

Kirchliches Arbeitsrecht vor dem Umbau: Heinz Josef Willemsen und Christian Mehrens (FAZ), Partner und Anwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer stellen den "Sonderweg der Kirchen im Arbeitsrecht" in Frage und beziehen sich dabei auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom Januar 2011, der zufolge auch in kirchlichen Einrichtungen Streiks grundsätzlich zulässig sind. Eine sich abzeichnende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, bei der dieser bisher tragende Grundsatz des kirchlichen Arbeitsrechts fallen könnte, würde auch die Grenzen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts neu bestimmen.

Weitere Themen – Justiz

Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Gaddafi: Auf zeit.de (Christian Denso) werden die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den libyschen Staatschef Gaddafi auf der Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches dargestellt. Wie auch spiegel.de (jok) berichtet, sei es das Ziel, nach dem Eingang mehrerer Anzeigen Beweise für den Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und anderer Vorwürfe zu sichern.

Eva Herman wurde nicht missverstanden: Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin hat ihren Rechtsstreit vor dem BGH gegen das Hamburger Abendblatt verloren. Wie LTO berichtet, entspreche die Einschätzung, Herman habe mit ihren Aussagen das Mutterbild des Nationalsozialismus gelobt, den Tatsachen. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs konnte keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts feststellen und wich insofern von den Ergebnissen der Vorinstanzen ab.

Birgit Hogefeld in Freiheit: Die letzte inhaftierte ehemalige Angehörige der Rote Armee Fraktion (RAF) befindet sich seit Montagabend auf freiem Fuß, berichtet unter anderem focus.de. Martin Oversohl (fr-online.de) bewertet die Geschichte der RAF unter anderem mit Hinweis auf das noch laufende Verfahren gegen Verena Becker als "ungeschlossenes Kapitel" und verweist auf die vielen ungeklärten juristischen Fragen in diesem Zusammenhang.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Tunesiens Ex-Diktator Ben-Ali verurteilt: Über die in Abwesenheit ergangene Verurteilung von Tunesiens Ex-Diktator Ben-Ali nach nur einem Verhandlungstag berichtet neben anderen Medien auch welt.de. Der Kommentar von wgl. (FAZ) bezeichnet die Abwicklung des Verfahrens in wenigen Stunden und die 35 Jahre Haft wegen Veruntreuung von Staatsvermögen als fragwürdig. Die FTD (Raniah Salloum) berichtet, Ben-Alis Anwälte hätten keinen Zugang zum Gerichtssaal erhalten und mutmaßt, Tunesien wolle durch das Urteil Zugang zu Ben-Alis Auslandskonten erhalten.

Verfassungsreform in Island: Maximilian Steinbeis vom Verfassungsblog berichtet in Form eines Reiseberichts über die gerade laufende Verfassungsreformdebatte in Island und hebt dabei die offene Arbeitsweise des Verfassungsrats, dem keine amtierenden Politiker angehörten, lobend hervor.

Flüchtlinge klagen gegen Italien: Wie die Süddeutsche (Roland Preuß) berichtet, beginnt am heutigen Mittwoch die Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen einer Klage von elf Somaliern und 13 Eriträer gegen ihre unfreiwillige Rückführung in Gaddafis Machtbereich durch italienische Behörden im Jahr 2009. Diese Praxis, so der Vorwurf, verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere das Folterverbot. Bei einem Erfolg stünde das gesamte EU-Grenzsicherungssystem zur Disposition.

Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Juni 2011: Zeitungsverleger verklagen Tagesschau - Kontroversen um Sicherheitsgesetze - Eva Herman unterliegt vor dem BGH . In: Legal Tribune Online, 22.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3563/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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