Beherrscht werden die juristischen Presseberichte heute von Schilderungen des Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft im Kachelmann-Prozess. Diese will ihn für mehr als vier Jahre hinter Gittern sehen. Außerdem: Grundsätzliches zur Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft, Querelen um die Anti-Terror-Gesetze, Subventions-Streitereien zwischen Airbus und Boeing und vieles andere.
Kachelmann-Prozess: Eine sehr lebhafte Schilderung des Verhandlungsverlaufs enthält die SZ (Hans Holzhaider), die von einem "Eklat" bei der Verlesung des Anklage-Plädoyers schreibt: Dieses habe mit einem "Paukenschlag" begonnen, als Staatsanwalt Oltrogge aus SMS-Konversationen wörtlich zitierte und Kachelmanns Anwalt Schwenn dies unter Verweis auf das Persönlichkeitsrecht seines Mandanten vehement zu unterbinden versuchte. Nachdem es dem Richter gelungen sei, "die Wogen einigermaßen zu glätten", habe Oltrogge fortfahren können und schließlich den verhältnismäßig milden Strafantrag von vier Jahren und drei Monaten mit den Belastungen begründet, die Kachelmann durch den Prozess beruflich wie privat habe erdulden müssen. Zudem werden die zwei "Knackpunkte" des Prozesses hervorgehoben: die nachgewiesenen Lügen des vermeintlichen Opfers und die unklare Spurenlage an dem Messer, das Kachelmann als Waffe benutzt haben soll.
Auch die FAZ (David Klaubert) geht in ihrem Bericht auf die Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin ein und schildert dabei noch etwas ausführlicher das angebliche Tatgeschehen sowie die Ergebnisse der Beweisaufnahme des fast neun Monate währenden Prozesses.
Spiegel.de liefert eine mit Zitaten aus dem Plädoyer gespickte Reportage: Als "filmreif" wird der "Schlagabtausch" zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung hier eingestuft.
Das Plädoyer der Verteidigung ist für kommenden Dienstag vorgesehen. Ein Urteil wird am 31. Mai erwartet.
Jura-Wissenschaftlichkeit: In Anknüpfung an eine von Christoph Möllers in der FAZ angestoßene und von anderen Rechtswissenschaftlern aufgegriffene Debatte setzt sich Oliver Lepsius ebendort mit dem "Einfluss [des Verhältnisses] von Theorie und Praxis auf die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft" auseinander und wendet sich gegen die Verabsolutierung der jeweiligen Position. Einerseits überbrücke die Dogmatik zwar "das Theorie-Praxis-Problem", andererseits vernachlässige sie rechtswissenschaftliche Kontexte; das werfe "einen Schatten auf die Wissenschaft". Über die Dogmatik hinausgehende "normwissenschaftliche Erkenntnisverfahren" müssten daher gestärkt werden – sonst schaufele man sich "sein wissenschaftspolitisches Grab".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Anti-Terror-Gesetze: Zu "Irritationen" beim Koalitionspartner FDP hat einem Bericht von Spiegel.de (Severin Weiland) zufolge das jüngste Vorgehen des Bundesinnenministers Friedrich (CSU) im Zusammenhang mit der geplanten Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze geführt. Dieser habe versucht, über eine "Formulierungshilfe" an den eigentlichen Verhandlungen vorbei Einfluss auf den anstehenden Gesetzentwurf zu nehmen. Zudem werden die Hintergründe des Gesetzesvorhabens geschildert und die Haltung der FDP in die von Parteichef Rösler vorgegebene neue politische Linie eingeordnet.
Die FAZ (Peter Carstens) hebt in ihrem Bericht den Dissens hinsichtlich der verbleibenden Zeit hervor: Während der Innenminister Eile geboten sieht, habe das Gesetzgebungsverfahren in den Augen der Liberalen noch bis zum Herbst Zeit. Zudem liefert der Artikel einen Überblick über die Geschichte der Gesetze.
Illiberales Strafrecht: Der Strafrechtler Georg Steinberg nutzt einen Gastbeitrag in der FAZ für eine Generalkritik am deutschen Straf(prozess)recht: Dieses habe durch die Ausweitung der Kronzeugenregelung, die Vorverlagerung der Strafbarkeit in der Terrorbekämpfung und die Zunahme strafprozessualer Verständigungen ("Deals") zunehmend illiberale Züge erhalten, ja wiese inzwischen Nähe zu den Orwell'schen "thought-crimes" auf und bevorzuge sozial Bessergestellte in den Prozessen. Einen Schritt zu mehr Liberalität sieht er in der geplanten Reform der Kronzeugenregelung; insgesamt hält er eine Reliberalisierung für "im großen Wurf wohl nicht, aber vielleicht in kleinen Schritten möglich."
Kennzeichnungspflicht: Wie LTO berichtet, hat der Brandenburgische Landtag auf Initiative der CDU-Opposition eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ab 2013 beschlossen. Man erhoffe sich größere Bürgernähe und Transparenz. Die Grünen kritisierten hingegen zu weit gehende Ausnahmetatbestände.
Weitere Themen – Justiz
Airbus-Subventionen: Wie das Handelsblatt (Thomas Ludwig) berichtet, hat die WTO im Streit zwischen Airbus und Boeing über unzulässige Exportsubventionen in einem Berufungsurteil entschieden, dass Airbus gewährte rückzahlbare Darlehen und Entwicklungshilfen doch nicht im vollen Umfang illegale Exporthilfen seien. Washington habe Widerspruch gegen das Urteil eingelegt.
Ausführlich legt die SZ (Jens Flottau) die Hintergründe des Handelsstreits dar, während die FTD (Gerhard Hegmann/Claus Hecking) schildert, wie beide Kontrahenten im Rahmen dieser "transatlantischen Keilerei" versuchen, das Urteil jeweils zu ihren Gunsten zu interpretieren.
Klageflut gegen Deutsche Bank: Die FAZ (Joachim Jahn/Markus Frühauf) stellt heute dar, wie die Deutsche Bank "auf der ganzen Welt ins Visier der Justiz" gerät. Sei sie in Deutschland nach wie vor in den Kirch-Prozess verwickelt und habe wegen Zinswettgeschäften erst kürzlich eine empfindliche Niederlage vor dem BGH hinnehmen müssen, so sei sie international zudem vor allem in den USA, aber auch in Südkorea, Großbritannien und Italien wegen zweifelhafter Geschäfte und Steuerdelikte in Prozesse und Ermittlungen verwickelt.
Entzug katholischer Lehrerlaubnis: LTO.de (Thomas Traub) nimmt den Entzug der Lehrerlaubnis eines katholischen Religionslehrers wegen fehlender "Übereinstimmung mit der katholischen Lehre" zum Anlass, die Hintergründe des Rechts- und Anstellungsverhältnisses von Religionslehrern an staatlichen Schulen zu beleuchten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Sanktionen gegen Assad: Nachdem der syrische Staatschef bislang von Sanktionen verschont geblieben war, haben EU und USA nun Einreiseverbote und Kontosperren beschlossen, so die FTD. Gleichzeitig gerate der Widerstand in Syrien aber immer mehr in die Defensive.
In diesem Zusammenhang betont Oberstaatsanwalt Mehlis in einem FAZ-Interview (Markus Bickel) die zentrale Rolle des syrischen Sicherheitsdienstes für das politische Überleben Assads.
Die taz (Christian Jakob) berichtet zudem von einem gerade beschlossenen Abschiebestopp für syrische Staatsangehörige in Bayern. Damit hätten inzwischen fast alle Bundesländer auf die eine oder andere Weise Abschiebungen nach Syrien ausgesetzt. Ein verbindlicher bundesweiter Abschiebestopp fehle aber weiterhin, so Flüchtlingsorganisationen. Auch bestehe das Rückführungsabkommen mit Syrien weiter fort.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Die juristische Presseschau vom 19. Mai: . In: Legal Tribune Online, 19.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3312 (abgerufen am: 03.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag