Die juristische Presseschau vom 19. Januar 2012: Wegsperren ohne Beamte – Bezahlung von Betriebsräten – Geschenk vom Fiskus

19.01.2012

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat viele überrascht: Im Maßregelvollzug können Grundrechtseingriffe auch von angestellten Pflegern durchgeführt werden. Außerdem in der Presseschau: die heikle Frage, wie die Überstunden von Betriebsräten abgegolten werden, und warum ein Bürger einfach so 85.000 Euro vom Finanzamt geschenkt bekam.

Maßregelvollzug ohne Beamte: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse bei der Betreuung psychisch kranker Straftäter nicht den Einsatz von Beamten erfordert. Das berichten u.a. lto.de (Diana Niedernhöfer) und die taz (Christian Rath). Grund ist die Verbindung der forensischen Psychiatrie mit der oft privatisierten allgemeinen Psychiatrie. 

Wolfgang Janisch (SZ) betont, dass im betroffenen Land Hessen, die formal privatisierten forensischen Kliniken faktisch weiter in öffentlicher Hand blieben – anders als in sechs anderen Bundesländern, die noch Probleme bekommen könnten. Max Steinbeis (Verfassungsblog)  stellt fest, dass Geheimverträge mit privatisierten Unternehmen laut Gericht die parlamentarische Kontrolle behindern und daher verfassungswidrig seien. Helmut Kerscher (SZ) beschreibt den Alltag im Maßregelvollzug in Straubing.

In seinem Leitartikel befürchtet Heribert Prantl (SZ): "Das Urteil wird als privatisierungsfreundliches, nicht als privatisierungsfeindliches Urteil verstanden werden." Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: "die Karlsruher Richter haben auch deutlich gemacht, was der Staat nicht darf: sich aus der Verantwortung stehlen; die unter seiner Obhut stehenden Gefangenen den freien Kräften des Marktes ausliefern; Beamte nur deshalb nicht einsetzen, weil Private weniger kosten." 

Weitere Themen – Rechtspolitik

Nazi-Datei: Die taz (Wolf Schmidt) stellt die Funktionsweise der gestern im Kabinett auf den Weg gebrachten Verbunddatei Rechtsextremismus vor. Christian Rath (taz) kommentiert: "Wenn Polizei und Verfassungsschutz von Bund und Ländern kooperieren, müssen auch die Kontrolleure von Bundestag und Landtagen zusammenarbeiten können."

Weitere Themen - Justiz

Hotel-Portal: Das Oberlandesgericht Hamburg hält anonyme Hotelbewertungen für zulässig, berichtet lto.de. Auch anonyme Meinungsäußerungen seien von der Meinungsfreiheit geschützt.

Knips-Gebühr: Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied nach Darstellung der taz (Barbara Hübner) zugunsten der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, die von Fotografen Gebühren für die Ablichtung ihrer Bauwerke haben wollte. 

Gewerkschaft: Das Arbeitsgericht Frankfurt habe entschieden, dass künftig die IG Metall und nicht Ver.di Tarifverträge im Bereich der Industriedienstleistungen aushandeln darf, berichtet die FTD (Maike Rademaker)

Mord von Krailing: Die FAZ (Katrin Truscheit) und die SZ (Annette Ramelsberger) geben zum Prozessbeginn am Münchener Landgericht Überblicke über den Mord an zwei Mädchen, die mutmaßlich von ihrem Onkel getötet wurden. 

Kachelmanns Persönlichkeitsrecht: Das OLG Köln wird am 14. Februar mehrere Entscheidungen zugunsten des vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochenen Wettermoderators Jörg Kachelmann verkünden. Auf diesen Ausgang spekuliert nach der mündlichen Verhandlung Martin W. Huff auf lto.de. Unter anderem sei zu klären, ob Informationen über private Angelegenheiten von Kachelmann auch dann für die Presse tabu sein können, wenn sie in der öffentlichen Hauptverhandlung erwähnt wurden. 

Brustimplantate: Das Handelsblatt (Jan Keuchel) interviewte den Anwalt Michael Graf, der eine betroffene Frau vertritt. Da der Hersteller der Brustimplantate zahlungsunfähig sei, will er u.a. auch gegen den Silikon-Zulieferer klagen. 

Betriebsräte: Es ist legal, wenn Unternehmen die Überstunden ihrer Betriebsräte pauschal und ohne Einzelnachweis honorieren. Das habe ein Gutachten im Auftrag der IG Metall ergeben. Anlass ist der Fall des ehemaligen Opel-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Franz, gegen den u.a. wegen Untreue ermittelt wird. Das berichten SZ (Thomas Fromm / Sibylle Haas / Klaus Ott) und FAZ (Christoph Ruhkamp).

Roboterrecht: Die Zeit (Burkhard Strassmann) gibt eine kleine Einführung in Roboter-Rechtsfragen: "Wer haftet, wenn ein Serviceroboter im Altenheim beim eigenständigen Ausweichmanöver einen Bewohner verletzt? Der Hersteller, der Programmierer, der Besitzer oder derjenige, der den Roboter einsetzt?"

BGH: Oliver Garcia gibt auf blog.delegibus.com einen ausführlichen Überblick zur Frage, ob der 2. BGH-Strafsenat derzeit mit dem Aushilfsvorsitzenden Andreas Ernemann (eigentlich Vorsitzender des 4. Strafsenats) richtig besetzt ist.

Das Letzte zum Schluss

Geschenk vom Finanzamt: Wenn der Fiskus bei der Steuererstattung aus Versehen viel zu viel Geld überweist und es vor Ablauf der Verjährung nicht zurückverlangt, kann es der Bürger behalten. Das entschied nach Darstellung des Lawblogs (Udo Vetter) jetzt der Bundesfinanzhof. Die Verjährung beginne fünf Jahre nach Erlass des letzten Bescheids. Im konkreten Fall ging es immerhin um die schöne Summe von 85 000 Euro. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Januar 2012: Wegsperren ohne Beamte – Bezahlung von Betriebsräten – Geschenk vom Fiskus . In: Legal Tribune Online, 19.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5341/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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