Die juristische Presseschau vom 17. August 2011: Geistiges Eigentum: Google, Das Boot, Bob Dylan - Alleinerziehende alleingelassen - Kopftuch wieder in Karlsruhe

17.08.2011

Nach dem Kauf von Motorola durch Google steht der Kampf um Patente zusammen mit weiteren Konflikten um den Schutz des geistigen Eigentums im Mittelpunkt. Außerdem in der Presseschau: die BGH-Entscheidung zur Arbeitspflicht von Alleinerziehenden in der Kritik, weiter Streit um die Sicherungsverwahrung, islamischer Feminismus, Doping in Österreich und vieles andere.

Latente Patente: Als ein wesentliches Motiv für die Übernahme des Handyherstellers Motorola durch Google vermutet die FTD (Nora Schlüter) die Abwehr der Patentklagen der Konkurrenten Apple und Microsoft gegen das offene Handy-Betriebssystem Android. Nikolaus Piper (SZ) schreibt in seinem Leitartikel über "Googles Coup", Motorola sei "wie ein Arsenal, das, statt mit Waffen, mit Patenten gefüllt ist." Die taz (Ingo Arzt) konstatiert dagegen einen "Patentwahnsinn auf dem Smartphonemarkt", bei dem lediglich "banalste Innovationen" geschützt würden.

Apple an allen Fronten: Bei der einstweiligen Verfügung von Apple gegen Samsung bezüglich der Verkaufsmöglichkeiten des Tabletcomputer Galaxy Pad in Europa (Presseschau vom 15. August), hat das Gericht die Auflagen gegen Samsung jetzt gelockert, wie die FTD und das Handelsblatt berichten. Das Vertriebsverbot für die südkoreanische Muttergesellschaft Samsung sei auf Deutschland beschränkt worden, für die deutsche Samsung-Tochter gelte das Vertriebsverbot weiter europaweit. handelsblatt.com und FTD berichten von der im US-Bundesstaat Delaware eingereichten Klage des taiwanischen Smartphone-Herstellers HTC gegen Apple.

Urheberrechte bei Filmen und Musik: lto.de (Patrick Jacobshagen) konstatiert anlässlich der Klage des Kameramanns Jost Volcano auf Nachzahlung von Honorar wegen des nicht absehbaren Erfolgs von Das Boot: Der 2002 neu eingefügte § 32a Urheberrechtsgesetz (UrhG) sei gescheitert, da die Verfahren sich wegen ihrer Mehrstufigkeit – erst Auskunft über die Höhe der Erträge, dann Zahlungsklage – über viele Jahre hinzögen. Meist beschritten nur ältere Künstler den Klageweg, da jüngere befürchteten, keine Arbeit mehr zu finden.

Wie zeit.de berichtet, erlaube es eine wenig beachtete Änderung der Copyright-Gesetze von 1976 Künstlern in den USA, die Rechte für Aufnahmen aus der Zeit vor 1978 zurückzufordern. Bob Dylan, Don Henley von den Eagles und andere Künstler hätten bereits angekündigt, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Die vier großen Plattenunternehmen Universal, EMI, Sony BMG und Warner seien dagegen der Auffassung, die Begrenzung der Copyrights sei auf die meisten Musikstücke nicht anwendbar. Mit zahlreichen Klagen sei in nächster Zeit zu rechnen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Alleinerziehende alleingelassen: Die SZ widmet ihr Thema des Tages den Folgen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Pflicht zur Berufstätigkeit für Alleinerziehende strenger zu prüfen. Zu Wort kommt Meo-Micaela Hahne, die Vorsitzende des BGH-Familiensenats, die auf die Reform des Scheidungs- und Unterhaltsrechts, insbesondere den § 1570 BGB als Grund für die Entscheidung verweist. Heribert Prantl konstatiert, Knackpunkt der gesetzlichen Regelung sei der erweiterte Umfang der Darlegungslast der Mutter. Wolfgang Janisch merkt an, dass die Abkehr vom Altersphasenmodell Müttern den Einstieg ins Berufsleben oder eine neue Beziehung erleichtern könne, hält das Betreuungsideal, das den Gerichten zum Teil vorschwebe, aber für weltfremd.

Sicherungsverwahrung: Die Debatte um die Abkehr von der Sicherungsverwahrung geht weiter. Die taz (Christian Rath) berichtet über einen Forderung der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf der Konferenz der Justizstaatssekretäre am Dienstag, eine nachträgliche Unterbringung von gefährlichen, psychisch gestörten Straftätern einzuführen. Darin sei eine Wiedereinführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch die Hintertür zu sehen. Über die Konferenz berichtet auch die FAZ (sat), die als wesentliche Konfliktpunkte, das Abstandsgebot zum Strafvollzug und den Umgang mit Altfällen benennt.

Kommission für Rheinland-Pfalz: Im Streit um eine mögliche Fusion des Oberlandesgerichts Koblenz mit dem Oberlandesgericht Zweibrücken stellen lto.de (ssc) und die FAZ (Thomas Holl) die Expertenkommission vor. Unter Leitung des rheinland-pfälzischen Ex-Bundesratsminister Hermann Hill (CDU) sollen der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, der Bremer OLG-Präsident Wolfgang Arenhövel, der frühere nordrhein-westfälische SPD-Justiz- und Finanzminister Jochen Dieckmann, die Präsidentin des Kammergerichts Berlin, Monika Nöhre, die ehemalige Hamburger Justizstaatsrätin Carola von Paczensky, der einstige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Eckhart Pick, der ehemalige rheinland-pfälzische Landesdatenschutzbeauftragte Walter Rudolf und ein langjähriger Abteilungsleiter im Mainzer Finanzministerium, Alf Stephan die die umstrittene Justizreform in Rheinland-Pfalz überprüfen.

Manager und Strafrecht: ftd.de (Rolf Lebert) beklagt, dass die Verantwortlichen für die Finanzkrise häufig viel zu spät bestraft würden. Als Beispiel nennt er das Verfahren gegen Georg Funke, den Ex-Vorstandschef der Hypo Real Estate, der drei Jahre nach dem Crash immer noch nicht verurteilt und auf freiem Fuß sei.

Manager und Moral: Der Kommentar "Rechtsverdreher in Top-Etagen" von Angelika Maier (FTD) (Presseschau vom 15. August) ist jetzt bei ftd.de auch online verfügbar.

Weitere Themen - Justiz

Chinesische Ehefrau kein Spionagerisiko: spiegel.de, blog.beck.de (Christian Rolfs) sowie die FAZ berichten über eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein. Es hat die Kündigung eines Ingenieurs für ungültig erklärt, die auf dessen Hochzeit mit einer Chinesin gefolgt war. Der Arbeitgeber des Mannes hatte wegen der familiären Beziehungen nach China Industriespionage befürchtet. Mit dieser Entscheidung hob das Gericht ein anderslautendes Urteil aus erster Instanz auf (Aktenzeichen: 3 Sa 95/11). Da der Arbeitgeber von der langjährigen Beziehung gewusst habe, seien mit der Kündigung in der Probezeit, die ethischen Mindestmaßstäbe verletzt.

Kopftuch in Karlsruhe: zeit.de (Andrea Dernbach) berichtet über zwei muslimische Frauen, beide im Schuldienst in Nordrhein-Westfalen, die das Bundesverfassungsgericht angerufen haben, weil sie ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit durch  das Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen verletzt sehen. Im nächsten Jahr wollen die Richter entscheiden.

Formelhafte und allgemein gehaltene Wendungen: Der lawblog.de (Udo Vetter) dokumentiert eine Entscheidung des Landgerichts Bielefeld, das einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bielefeld wegen der mangelhaften Begründung als rechtwidrig einstuft.

Arbeitsrecht als Richterrecht: Robert von Steinau-Steinrück (FAZ), Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, hält ein bloßes Richterrecht für Arbeitskämpfe für nicht hinnehmbar. Er plädiert nicht für die Wiedereinführung der vom Bundesarbeitsgericht gekippten Tarifeinheit, sondern für ein gesetzlich geregeltes Verfahren für Arbeitskämpfe im Bereich der Daseinsvorsorge.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Steuern für Liechtenstein: Wie die FR meldet, soll das jetzt vereinbarte Doppelbesteuerungsabkommen mit Liechtenstein Ende des Jahres in Kraft treten. Wer in Liechtenstein Geld angelegt hat, müsse mit einer Nachbesteuerung rechnen. Auch spiegel.de und die FAZ (jja) berichten über dieses bilaterale Vorhaben.

Islamischer Feminismus: In einem Interview mit der US-amerikanischen islamischen Feministin und Imamin Amina Wadud versucht Ulrike Hummel (taz) den Beziehungen zwischen Islam und Menschenrechten auf die Spur zu kommen. Wadud erläutert ihre Arbeit so: "Wir ziehen den Islam heran, um die Gleichwertigkeit von Mann und Frau ins Bewusstsein zu rufen."

Doping made in Austria: Die FAZ (David Krutzler) bringt einen ausführlichen Vorbericht zu dem für den heutigen Tag erwartete Urteil gegen den ehemaligen Erfolgstrainer der österreichischen Langläufer Walter Mayer, dem Dopingdelikte im Jahr 2008 zur Last gelegt werden.

Sonstiges

Carl Schmitt liest Walter Benjamin: Jürgen Thaler (FAZ) zeichnet die über vier Jahrzehnte währende Lektüre Carl Schmitts von Walter Benjamins Habilitationsschrift über die Ursprünge des bürgerlichen Trauerspiels anhand seiner Randnotizen und Aufzeichnungen zu Benjamins Werk nach. Er sieht in der begeisterten Reaktion Schmitts einen weiteren Beleg für die von verschiedenen Autoren bereits konstatierte "unheimliche Nähe" zwischen diesen beiden Denkern.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. August 2011: Geistiges Eigentum: Google, Das Boot, Bob Dylan - Alleinerziehende alleingelassen - Kopftuch wieder in Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 17.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4040/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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