Die juristische Presseschau vom 16. August 2011: Verzockt: Emissionshändler – Verwirrend: E-Postbrief – Verzögert: Bankenprozesse

16.08.2011

Durch Geschäfte mit Emissionsrechten haben Händler aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich millionenfach Steuern hinterzogen. Gestern begann der Mammut-Prozess in Frankfurt am Main. Außerdem in der Presseschau: Streit um den E-Postbrief, die schwierige Aufarbeitung der Finanzkrise, der Prozess gegen Mubarak und vieles andere.

Steuerhinterziehung mit Emissionsrechten: Vor dem Landgericht Frankfurt hat gestern "einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse" begonnen, so die FTD (Doris Grass). Angeklagt sind sechs Männer, die beim Handel mit Emissionsrechten Umsatzsteuern in Höhe von 230 Millionen Euro hinterzogen haben sollen. Der erste Angeklagte, ein 27jähriger Finanzbroker aus Leeds, legte ein Geständnis ab. Er wird mit den Worten zitiert: "Ich wusste damals nicht, dass ich nach deutschem Recht selbst Steuern hinterzog, aber ich wusste, dass das ethisch und moralisch falsch war."

Die SZ (Harald Freiberger) erläutert, wie das "Umsatzsteuer-Karussell" funktionierte: "Der Schaden wuchs dadurch, dass die beteiligten Firmen die Zertifikate häufig mehrmals hin- und her verkauften." Abnehmer der Zertifikate war insbesondere die Deutsche Bank.

Was die Anzahl der weiteren Beteiligten angeht, werden unterschiedliche Zahlen genannt. Die FTD spricht von Ermittlungen gegen "weitere 170 Beschuldigte, darunter sieben Deutsche-Bank Mitarbeiter", die SZ von 150 Beschuldigten in etwa 50 Unternehmen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Steuerabkommen: Das deutsch-schweizerische Abkommen zum Umgang mit Steuerhinterziehern ist weiter in der Mediendebatte. Die FAZ (Karsten Randt) erläutert, welche Fragen noch offen sind, so etwa die Bemessungsgrundlage des Steuersatzes. Das Handelsblatt (Heike Anger) mutmaßt, dass es vor Inkrafttreten des Abkommens zu einer "Welle von Verfahren" wegen Steuerhinterziehung kommen könnte.

Anti-Diskriminierungsrecht: Seit fünf Jahren ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. Die SZ (Roland Preuß) spricht anlässlich dessen mit der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders.

Weitere Themen - Justiz

Justizreform Rheinland-Pfalz: Martin W. Huff (lto.de) nimmt die geplante Justizreform in Rheinland-Pfalz unter die Lupe. Er ist skeptisch, ob die mittlerweile zur Schlichtung berufene Expertenkommission den Streit lösen könne. So liege lto.de "ein Papier aus dem Justizministerium vor, aus dem sich Anhaltspunkte für eine durchaus zielgerichtete Arbeit ergeben". Die darin zugrunde gelegten Zahlen seien jedoch zweifelhaft.

Wechsel am Bundesverfassungsgericht: Die Wahl des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller als Nachfolger Udo di Fabios am Bundesverfassungsgericht sei "kein Selbstläufer", kommentiert Reinhard Müller in der FAZ. "Eine Debatte über Kandidaten, gar ein Scheitern Müllers wäre für das Gericht kein Schaden. Für die Bundesregierung schon."

Betrugsverdacht gegen Anwälte: Zu den Vorwürfen des Oberlandesgerichtes Düsseldorf, Anwälte würden Streitwerte manipulieren, äußert sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, Cord Brügmann, im Interview mit der FTD (Anke Stachow).

E-Postbrief: Die Deutsche Post AG darf den E-Postbrief nicht mehr als "so sicher und verbindlich" wie ein Brief bezeichnen. Die FAZ (caf) erläutert ein entsprechendes Urteil des Bonner Landgerichts vom 30.06.2011. Verbraucher würden mit der Werbung in die Irre geführt, weil der Eindruck entstehe, mit dem E-Postbrief könnten rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden, auch wenn gesetzlich die Schriftform verlangt ist. Nach Informationen der FTD (Bernd Hops) will die Deutsche Post Berufung einlegen.

Finanzkrise: Die FTD beklagt die mangelnde juristische Aufarbeitung der Finanzkrise. Auf einer Sonderseite stellen Rolf Lebert und Meike Schreiber sieben Bankenprozesse vor – dabei sei es nur in einem Fall sei es zu einem Urteil gekommen. In einem gesonderten Kommentar kritisiert Rolf Lebert: "Wenn die Fälle schlussendlich vor Gericht landeten, schrumpften wuchtige Anfangsvorwürfe oft auf die Größe von Lappalien – mit zum Teil geradezu lächerlich erscheinenden Strafen."

Sex mit Minderjährigen: lawblog.de (Udo Vetter) nimmt den Rücktritt des schleswig-holsteinischen CDU-Landeschefs Christian von Boetticher zum Anlass, einen Überblick über die Altersgrenzen im Sexualstrafrecht zusammen zu stellen. Strafrechtlich sei dem Politiker insofern nichts vorzuwerfen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Mubarak-Prozess: Der Prozess gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak wir in den Medien aufmerksam verfolgt. Die FAZ (Christoph Ehrhardt) geht von einer befriedenden Wirkung des Verfahrens aus – das Verfahren sei "Morphium für das Volk". Die taz (Juliane Schumacher) schildert hingegen die Tumulte, in denen der zweite Prozesstag endete. Die Euphorie der Bevölkerung sei verflogen, nachdem der Vorsitzende Richter angekündigt hatte, dass die Verhandlung künftig nicht mehr direkt öffentlich übertragen werde. Auch die SZ (Tomas Avenarius) bezeichnet den Prozess als "chaotische Posse". Während die Mubarak-Anwälte eine "kluge Strategie" hätten, seien die Opfervertreter ein "hektischer Haufen".

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. August 2011: Verzockt: Emissionshändler – Verwirrend: E-Postbrief – Verzögert: Bankenprozesse . In: Legal Tribune Online, 16.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4029/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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