Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2011: Bank haftet für Schlechtinformation – Wulff zwischen Recht und Moral – Usbekistan foltert

14.12.2011

Mit einem Grundsatzurteil hat der BGH die Haftung von Banken für Schlechtinformationen verschärft. Die EU überlässt den USA Fluggastdaten, die SEC klagt in den USA Siemens-Manager an, weitere Debatten zur neuen europäischen Fiskalordnung, ein Interview mit Renate Jäger, in Usbekistan wird gefoltert. Und was passiert, wenn Staatsanwälte in Bayern auf Piste gehen?

BGH lässt IKB-Bank haften: Der Bundesgerichtshof gesteht Anteilseignern der mittelständischen IKB-Bank grundsätzlich das Recht auf Schadenersatz zu. Durch eine verharmlosende Ad-Hoc-Mitteilung habe der damalige IKB-Chef Stefan Ortseifen die Anleger im Jahr 2007 getäuscht. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet, begründe sich die Haftung der Bank durch die unterlassene Insiderinformation gemäß Paragraf 37b Wertpapierhandelsgesetz, das Verschweigen ihres Engagement in US-Subprime-Papieren. Offen sei im Moment, ob der Kläger seine 24.000 Euro auch zurück erhalte.

Nicole Bastian (Handelsblatt) verweist darauf, dass nicht die Schädigung einzelner Anleger, sondern der Vertrauensverlust in die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes die Haftung begründet habe und begrüßt das Urteil.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Fluggastdaten für USA: Wie die FTD (Claus Hecking) erläutert, gestattet die EU den US-Sicherheitsbehörden weitreichenden Zugriff auf Fluggastdaten, die bis zu fünfzehn Jahre lang gespeichert werden dürften. Trotz schwerster datenschutzrechtlicher Bedenken habe sich die Bundesregierung bei der Abstimmung hierzu enthalten. Das EU-Parlament könne das Abkommen noch verhindern.

EU-Fiskalordnung: Gleich zwei Meinungsbeiträge bietet verfassungsblog.de zur neuen Europäischen Finanzordnung. Der Konstanzer Finanzjurist Daniel Thym hält die Rede von einer Fiskalunion für zu hoch gegriffen, da es unter anderem an rechtsverbindlichen Durchgriffsrechten der EU-Kommission auf das Haushaltsrecht von Defizitsündern fehle.

Der Tübinger Völkerrechtler Martin Nettesheim befasst sich mit dem Verhältnis von zwischenstaatlichem Völkerrecht und EU-Recht: "Es gehört zu den angeborenen Instinkten von Europapolitikern und Europarechtlern, auf ihrem Tätigkeitsfeld völkerrechtliche Abkommen als Fremdkörper und als Gefahr zu betrachten."

Katja Gelinsky (FAZ) bezweifelt, dass der Europäische Gerichtshof die Funktion des Haushaltswächters übernehmen werde, die ihm Angela Merkel zugedacht habe. Seriöse Haushaltskontrolle bleibe in erster Linie eine nationale Aufgabe.

Weitere Themen – Justiz

Siemens-Manager angeklagt: Das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC haben in den USA Klage gegen sechs Siemens-Manager und zwei Mittelsmänner erhoben. Laut FTD (Thorsten Schröder) gehe es auch um 100 Millionen Dollar Schmiergeldzahlungen, die Uriel Sharef zwischen 1997 und 2006 an argentinische Regierungsmitglieder geleistet haben soll. Der Konzern habe in dieser Angelegenheit bereits eine Milliardenzahlung geleistet und sei von den neuen Anklagen nicht unmittelbar betroffen.

RAF und Buback: Angesichts des bevorstehenden Endes im Buback-Prozess zeichnet die SZ (Wolfgang Janisch) noch einmal den Kampf von Michael Buback nach, den Namen des Mörder seines Vaters zu erfahren.

Die taz (Christian Rath) berichtet über die Absicht, das ehemalige RAF-Mitglied Christa Eckes für sechs Monate in Beugehaft zu nehmen. Die an Leukämie erkrankte Frau weigere sich, in dem Verfahren auszusagen.

Richtervorbehalt bei Blutprobe: Amtsrichter Carsten Krumm (blog.beck.de) verweist auf einen Beitrag des Richters am AG Mannheim Jakob Pichon, der Krumms Kritik am Richtervorbehalt stützt und einen Überblick über die Debatte gibt.

Schlichtung für Rechtsanwälte: In einem Interview mit der FAZ (Joachim Jahn) erläutert die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Renate Jäger, die Arbeit der Schlichtungsstelle für Rechtsanwälte, die nach gut einem Jahr ihren 1000. Fall bearbeite und dringend besser ausgestattet werden müsse.

Weitere Themen - Recht in der Welt

Folter in Usbekistan: Über den aktuellen Bericht von Human Rights Watch über schwere Menschenrechtsverletzungen und systematische Folter in dem zentralasiatischen Land mit einer gemeinsamen Grenze zu Afghanistan berichtet die taz (Marcus Bensmann). Trotz der Einführung formaler Habeas-Corpus-Regeln habe sich die Situation verschlechtert. In seinem Kommentar kritisiert Bensmann die Bundesregierung für ihre Kumpanei mit Diktator Karimow, der im Gegenzug den Flughafen Termes für die Versorgung von Militär in Afghanistan zur Verfügung stelle.

Proteste für Timoschenko: Vor dem Gerichtsgebäude in Kiew haben mehrere Tausend Unterstützer der ehemaligen ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko die Polizeiabsperrungen durchbrochen. Das berichtet unter anderem zeit.de. Ein Befangenheitsantrag de Verteidigung gegen die Richterin Jelena Sitajlo sei abgelehnt worden.

bild.de (Karolina Pajdak) berichtet über den Gesundheitszustand der ehemaligen Regierungschefin und die Befürchtungen, sie könnte vom Gefängnis in Kiew in eine Strafkolonie verlegt werden.

Sonstiges

Wulff zwischen Recht und Moral: Zwei Tage nach dem Rücktritt des Berliner Justizsenators Michael Braun wird im Zusammenhang mit einem Privatdarlehen über 500.000 Euro für den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff erneut diskutiert, dass nicht alles, was juristisch korrekt ist, auch den moralischen Ansprüchen an ein politisches Amt zuträglich ist. welt.de (M. Bewarder, U. Müller, M. Neller) stellt die Hintergründe und die Beziehungen Wulffs zu dem niedersächsischen Unternehmer Geerkens und dessen Frau dar. Stefan Kuzmany (spiegel.de) kommentiert: "Es reicht eben nicht aus, sich nach den Buchstaben des Gesetzes gerade noch legal zu verhalten."

Die wilde Welt des Rechts

Jagd auf die Pistensau: In Bayern gibt es spezielle Staatsanwälte, die auf Skipisten gegen Rowdys ermitteln. Die SZ (Stefan Mayr) stellt den Kemptener Juristen Hanspeter Zweng vor, der im Allgäu für Lawinenunglücke, Kollisionen und Skiunfälle zuständig ist. Obwohl die Zahl der schweren Unfälle abnehme, habe die Zahl der Verfahren mit 100 Akten im Jahr leicht zugenommen, was an einer veränderten Streitkultur liege. Nur für die bis zu zwanzig Leichensachen im Jahr suche Zweng die Berge auf, der Rest sei wie bei seinen Kollegen in Traunstein und München Schreibtischarbeit.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Dezember 2011: Bank haftet für Schlechtinformation – Wulff zwischen Recht und Moral – Usbekistan foltert . In: Legal Tribune Online, 14.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5096/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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