Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2011: Bayerntrojaner aufgeflogen – Harald Range ausgewählt – US Supreme Court ambitioniert

11.10.2011

Nachdem Bayern die Verwendung von Späh-Software eingeräumt hat, geht die Debatte über politische Konsequenzen und verfassungsrechtliche Grenzen weiter. Außerdem in der Presseschau: Harald Range soll Generalbundesanwalt werden, Milliardenklage gegen Porsche, in Washington beginnt die neue Sitzungsperiode des US-Supreme Courts und vieles andere.

Bayerntrojaner aufgeflogen: Die Verwendung verfassungswidriger Spähsoftware durch bayerische Ermittler kommentiert Christian Rath (taz). Die fehlende gesetzliche Grundlage für derartige Maßnahmen entschuldige die Polizei in keiner Weise, da die besonderen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu beachten seien.

Heribert Prantl (SZ) konstatiert angesichts der uferlosen Möglichkeiten einer auf einem Rechner installierten Wanze: "'Was ist die Alternative zur Online-Durchsuchung?', wird oft gefragt. Es gibt darauf nur eine Antwort, die nicht missbraucht werden kann: keine Online-Durchsuchung."

lto.de (Denis Basak) stellt die Frage nach der Strafbarkeit von Strafverfolgern, die mit dem Einsatz derartiger Spähprogramme auch gegen ein Urteil des Landgerichts Landshut vom Frühjahr verstoßen hätten. In Frage kämen die Vorschriften zum Ausspähen und Abfangen von Daten nach den §§ 202a, 202b des Strafgesetzbuchs (StGB), darüber hinaus auch deren Vorbereitung durch das Herstellen der gefundenen Software nach § 202c StGB. Wenn der verwendete Trojaner eine Fernsteuerung des Rechners und den Zugriff auf die dort gespeicherten Datenbestände ermögliche, seien im Einzelfall auch eine Datenveränderung und eine Computersabotage nach §§ 303a, 303b StGB relevant.

lawblog.de (Udo Vetter) kritisiert das Verhalten der bayerischen Staatsregierung, insbesondere von Innenminister Joachim Herrmann. Dieser versuche, die verfassungsrechtliche Dimension auf eine technische Ebene herunterzuspielen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Neue EU-Verbraucherrichtlinie: Wie handelsblatt.com berichtet, hat der EU-Ministerrat eine einheitliche Verbraucherrichtlinie beschlossen. Damit würden die Regeln zu Widerruf, Online-Verträgen und Telefonhotlines  ab Ende 2013 verbessert, um unerfreuliche Abzocke in Zukunft zu verhindern.

Steuerabkommen Schweiz: Die FAZ (Rechtsanwalt Karsten Randt) befasst sich noch einmal mit dem Abkommen zur Abgeltungssteuer zwischen der Schweiz und Deutschland. In der Möglichkeit der anonymen Abgeltung liege einerseits ein psychologischer Vorteil für den Steuerhinterzieher, zugleich bestehe für den Fiskus das Risiko, dass in den Jahren 2013 und 2014 generiertes Schwarzgeld erst in der Schweiz angelegt und danach die Erträge anonym abgegolten werden. Um diese Lücke zu schließen, sei zumindest erweiterte Amtshilfe vorgesehen.

Klagerechte für Umweltverbände: Im Interview mit der FTD (Anke Stachow) erklärt der stellvertretende Vorsitzende des BUND, Klaus Brunsmeier, durch die neue Rechtslage nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts komme es nicht zur Verhinderung von Großbauvorhaben: "Wir müssen generell die Öffentlichkeit früher und besser in die Planungen einbeziehen."

Weitere Themen – Justiz

Harald Range: Der 63-jährige Generalstaatsanwalt in Celle soll neuer Generalbundesanwalt und damit Nachfolger von Monika Harms werden. Das berichtet unter anderem zeit.de.

Laut FAZ (vL) gilt der vor zehn Jahren von Sigmar Gabriel nach Celle berufene Range (FDP) wegen seiner verbindlichen Art nicht als Scharfmacher. Er setze sich aber für eine stärkere Einbindung des Völkerstrafrechts ein. Das Handelsblatt (Heike Anger) notiert, Range gelte als Spezialist für organisierte Kriminalität und Korruption und habe sich durch seine Linie der sofortigen Abschiebung ausländischer Hooligans während der WM 2006 den Ruf des harten Durchgreifens erworben.

spiegel.de (can) rekapituliert in diesem Zusammenhang noch einmal den Streit um den gescheiterten ersten Kandidaten Johannes Schmalzl (FDP).

Milliardenklage gegen Porsche: Die Übernahmeschlacht um Porsche hat ein weiteres gerichtliches Nachspiel. Wie handelsblatt.com berichtet, würden mit einer Klage aus Braunschweig Ansprüche in Höhe von 1,1 Milliarden Euro geltend gemacht. Wie die FAZ (ols) berichtet, sähen sich die Kläger durch die Holding SE getäuscht und unzureichend informiert. Durch Kurskapriolen hätten Anlieger Millionenbeträge verloren. Ein Sprecher des Unternehmens habe die Vorwürfe zurückgewiesen. In den USA liefen bereits Verfahren zu diesen Fragen.

Professorengehalt in Karlsruhe: Ein Hochschullehrer für Chemie in Marburg klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die aus seiner Sicht unzureichende W-Besoldung, die ihm lediglich ein Grundgehalt von unter 4.000 Euro ermögliche. Wie die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet, entspreche dieser Betrag nicht der gesetzlich vorgeschriebenen "amtsangemessenen" Besoldung.  Focus (Hartmut Kistenfeger) zitiert dazu den Bayreuther Jura-Professor Oliver Lepsius, der von einer "Ausbeutung der jüngeren Generation" von Hochschullehrern spricht.

Kein NPD-Parteitag in Dessau-Roßlau: Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat der Beschwerde der Gemeinde Dessau-Roßlau gegen die Durchführung des NPD-Bundesparteitags in einer Sporthalle stattgegeben. Dies berichtet focus.de (Andreas Laux). Das Gericht sei der Argumentation der NPD nicht gefolgt, mit der Genehmigung einer Wahlkampfveranstaltung von Angela Merkel sei ein Präzedenzfall geschaffen worden. Wie das OVG feststellte, wurde die Zweckbestimmung der Sporthalle durch den Merkel'schen Auftritt im Grundsatz nicht erweitert. Die einmalige Genehmigung habe den Willen der Stadt nicht ausreichend dokumentiert, die Zweckbestimmung der Anhalt-Arena dauerhaft zu ändern. Eine Eilentscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht strebe die NPD nicht an.

Tolksdorf gegen Fischer: Das Dossier über die Personalkonflikte beim Bundesgerichtshof zwischen dem Präsidenten Klaus Tolksdorf und dem Richter des Zweiten Strafsenats Thomas Fischer aus der Zeit (Sabine Rückert) ist jetzt auch online verfügbar (siehe LTO-Presseschau vom 06.10.2011).

Weitere Themen – Recht in der Welt

USA: Matthias Rüb (FAZ) prognostiziert eine de wichtigsten Sitzungsperioden des US-Supreme Courts seit Jahrzehnten. Der Spruchkörper unter dem Vorsitz von Chief Justice John Roberts müsse grundlegende Entscheidungen zur Trennung von Staat und Religion,  zum Immigrationsgesetz in Arizona und zu Obamas Gesundheitsreform sowie nachträglich entlastende DNA-Analysen in Strafverfahren fällen.

Kambodscha: Der deutsche Ermittlungsrichter am Rote-Khmer-Tribunal in Kambodscha, Siegfried Blunk, hat sein Amt niedergelegt. Das berichtet unter anderem die FR auf der Grundlage von Agenturmeldungen. Blunk und einem kambodschanischen Kollegen sei unter anderem von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mangelnde Unabhängigkeit vorgeworfen worden, da sie sich geweigert hatte, den Ehemann eines Opfers als Nebenkläger zuzulassen.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2011: Bayerntrojaner aufgeflogen – Harald Range ausgewählt – US Supreme Court ambitioniert . In: Legal Tribune Online, 11.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4517/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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