Die juristische Presseschau vom 1. September 2011: Rettungsschirm und Parlament – Attentäter und Motiv – Australien und Flüchtlinge

01.09.2011

Die Beteiligungsrechte des Bundestags am Euro-Rettungsschirm bestimmen heute die Medien. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf verabschiedet – diese Frage aber offengelassen. Außerdem in der Presseschau: untaugliche Körperscanner, terrorisiertes Recht, Prozessauftakt gegen Flughafen-Attentäter, australische Flüchtlingspolitik und vieles andere.

 

Euro-Rettungsschirm: Wie neben anderen Medien die FAZ (Manfred Schäfers) berichtet, hat das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf für eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms zugestimmt. Noch ausgeklammert worden seien dabei Regelung zur Beteiligung des Parlaments. Diese würden zwischen den Regierungsfraktionen noch abgestimmt. Ein aktueller Entwurf sehe abgestufte Mitwirkungsrechte des Bundestags und des Haushaltsausschusses vor. Auch sei der Bundesrat bislang nicht in die Beratungen einbezogen worden; die Länder forderten eine Beteiligung bei "wesentlichen Entscheidungen". Die SZ (Claus Hulverscheidt) weiß zu berichten, dass der Bundestag dem Gesetz am 29. September zustimmen soll – so könne auch noch das für den 7. September angekündigte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den bisherigen Euro-Hilfen berücksichtigt werden.

Die FTD (Hubert Beyerle/Mark Schrörs) berichtet dagegen, dass Finanzexperten vor einem Vetorecht des Bundestages warnten, weil der Rettungsfonds zum Beispiel im Falle einer "Marktpanik" sehr schnell handeln müsse.

Günther Nonnenmacher (FAZ) erinnert den Bundestag an seine auch vom Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil betonte "Integrationsverantwortung" und das Haushaltsrecht als "Königsrecht" des Parlaments. Der Bundestag sei insbesondere keine "Entscheidungs- und Gesetzgebungsmaschine", sondern habe eine "Vermittlungsaufgabe in die Gesellschaft hinein". Wolfgang Janisch (SZ) hebt hervor, dass "der Spieleinsatz letztlich die politische Gestaltungsfähigkeit künftiger Generationen ist." Deshalb sei es richtig, die Entscheidung über die Vergabe von "Milliardengarantien" dem Bundestag vorzubehalten. Heike Göbel (FAZ) argumentiert mit Verweis auf die "Währungsverfassung" dafür, dass es sich bei der Frage der Zustimmung zum Rettungsschirm um eine "Gewissensfrage" handele, der Fraktionszwang also aufgehoben werden solle.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Körperscanner: Die wegen Eingriffs in die Intimsphäre rechtlich umstrittenen Körperscanner werden an deutschen Flughäfen in absehbarer Zeit nicht eingesetzt werden. Dies berichtet unter anderen die taz (Sebastian Erb). In einem Testlauf habe es zu viele Fehlalarme, unter anderem wegen Schweiß und Falten in der Kleidung gegeben. Nach Bundesinnenminister Friedrich (CSU) wolle die Bundespolizei aber "die Entwicklungen auf diesem Gebiet weiter eng begleiten".

Terror und Recht: Die Badische Zeitung (Christian Rath) stellt heute den Einfluss der Terror-Anschläge des 11. September 2001 auf das deutsche Recht dar. In einer Zeit-Tabelle werden gesetzliche Maßnahmen und zu ihnen ergangene Urteile des Bundesverfassungsgerichts zusammengefasst.

Elektronische Fußfessel: Heute setzt sich auch lawblog.de (Udo Vetter) mit der Einführung der elektronischen Fußfessel auseinander. Der Autor hofft, dass die Fußfessel neben dem Einsatz in der Führungsaufsicht auch bald eine "Alternative zur Untersuchungshaft" wird. Das Risiko eines inflationären Gebrauchs der Fußfessel sei erträglicher als die Einschnitte für die Betroffenen, die mit der Anordnung von Untersuchungshaft verbunden sind.

Weitere Themen – Justiz

Flughafen-Attentäter: Neben anderen Medien berichtet zeit.de (Andreas Kraft) vom gestrigen Auftakt des Mordprozesses gegen Arid U., der am 2. März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt hatte. Arid U. habe die Tat gestanden und Reue beteuert. Entgegen den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft habe er religiöse Motive bestritten; er habe behauptet, dass es ihm um die Verhinderung ziviler Opfer im Afghanistan-Krieg gegangen sei. Die Frage nach seinem Motiv sei entscheidend für den Prozess – die Feststellung niedriger Beweggründe könne zu einer Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und damit zu einer längeren Haftstrafe führen.

Atomtransporte: Wie die FAZ (Robert von Lucius) berichtet, haben Anwohner von Transportstrecken für Kernbrennstäbe kein Klagerecht gegen die Transportgenehmigung. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg habe eine entsprechende Klagebefugnis abgelehnt; die Genehmigung diene der Sicherheit des Transports und nicht den Belangen einzelner.

NPD-Wahlspot: Auch in zweiter Instanz unterliegt die NPD mit ihrer Forderung, der rbb müsse ihren Wahlwerbespot zur Berliner Abgeordnetenhauswahl senden, so lto.de. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätige das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das dem rbb erlaubt hatte, eine Ausstrahlung zu verweigern. Der Spot erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung.

Colonia Dignidad: Laut taz ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Krefeld gegen den in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verurteilten ehemaligen Arzt der Siedlung "Colonia Dignidad". Die SZ (Bernd Dörries) liefert unter dem Titel "Der Mieter" einen umfassenden Bericht über Hoppe und die Sekte. In Krefeld sei ihm gerade wegen "Unzumutbarkeit" die Wohnung gekündigt worden.

Meisterzwang: Die FTD berichtet, dass das Bundesverwaltungsgericht in einem gestrigen Urteil den Meisterzwang im Handwerk bestätigt habe. Die Anforderungen seien verhältnismäßig und auch keine Benachteiligung gegenüber EU-Ausländern.

Weitere Themen – Recht in der Welt

T-Mobile-Übernahme: Das US-Justizministerium hat Klage gegen die geplante Übernahme der Telekom-Tochter T-Mobile USA durch den Telekommunikations-Konkurrenten AT&T eingereicht, so die FR (Frank Thomas Wenzel). Die Transaktion verstoße gegen Kartellgesetze.

Flüchtlinge in Australien: Nach einem Bericht der taz (Urs Wälterlin) hat das oberste Gericht Australiens dessen Einwanderungsminister untersagt, Flüchtlinge nach Malaysia abzuschieben. Das Land habe die UN-Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet. Zudem müssten australische Behörden zunächst selbst die Asylgesuche behandeln und der Minister habe eine gesetzliche Pflicht, alleinreisende minderjährige Bootsflüchtlinge zu schützen.

Libyen-Einsatz und Völkerrecht: spiegel.de (Thomas Darnstädt) setzt sich heute mit den völkerrechtlichen Implikationen des NATO-Einsatzes in Libyen auseinander. Angesichts der "nahezu uferlos[en]" Formulierung der ermächtigenden UN-Resolution seien Menschenrechtsschutz und Regimewechsel als Ziele kaum mehr zu unterscheiden gewesen – und damit das NATO-Vorgehen von der Resolution auch gedeckt.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

 

(Hinweis für Journalisten)

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. September 2011: Rettungsschirm und Parlament – Attentäter und Motiv – Australien und Flüchtlinge . In: Legal Tribune Online, 01.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4177/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen