Die juristische Presseschau vom 1. Dezember 2011: Gefährliche Gebete – Gefährliche Nazis – Gefährliche Satire

01.12.2011

Mit einem Verbot von öffentlichen Gebeten versuchte eine Berliner Schulleiterin ihr Gymnasium zu befrieden. Das BVerwG billigte nun diese harte Linie und erhielt in den Medien überwiegend Zustimmung. Auf ein neues Verbotsverfahren steuert inzwischen auch die Diskussion um die NPD zu. Doch warum sucht der Verfassungsschutz gerade in Bayern nach Adolf Hitler?

Gebete in der Schule: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied, dass muslimische Gebete in der Schule verboten werden können, wenn sie eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden darstellen. Geklagt hatte ein heute 18-jähriger Gymnasiast aus Berlin-Wedding. Das BVerwG stellte aber klar, dass es für generelle Gebetsverbote derzeit keine gesetzliche Grundlage gibt. Das Urteil wird unter anderem dargestellt bei lto.de (Thomas Traub) und in der taz (Christian Rath).

Christian Bommarius (FR) erinnert in seinem Kommentar an Voltaires "Gebet um Toleranz". Georg Paul Hefty (FAZ) plädiert für die Einrichtung von Gebetsräumen. Stefan Kuzmany (spiegel.de) fordert die Verbannung der Religion aus der Schule, einschließlich Religionsunterricht.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Sicherheitsarchitektur: Der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm nimmt in einem FAZ-Gastbeitrag Stellung zur Diskussion um eine Reform der Sicherheitsbehörden. Er ist gegen die Abschaffung des Verfassungsschutzes und die Ersetzung von V-Leuten durch verdeckte Ermittler. Nehm will den Ländern ihre Landesämter für Verfassungsschutz lassen und ist skeptisch gegenüber einem zentralen Abwehrzentrum "Rechtsterrorismus". Eine neue Verbunddatei von Polizei und Verfassungsschutz bejaht er jedoch. Ausgeweitete Kompetenzen der Bundesanwaltschaft hält Nehm für überflüssig. Ein NPD-Parteiverbot sei von nur marginaler Bedeutung.

Neonazi-Datei: Die taz (Wolf Schmidt) stellt den ihr vorliegenden Gesetzentwurf von Innenminister Hans-Peter Friedrich vor. 

Regulierung der Wirtschaftsprüfer: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat verschärfte Anforderungen an Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen. Unter anderem sollen Unternehmen regelmäßig die Prüfgesellschaften wechseln. Die Kontrolleure sollten ihr Prüfgeschäft sauber von der Beratung trennen. Darüber berichtet die FTD mit mehreren Beiträgen (Zusammenfassung auf ftd.de) und hält die Vorschläge für "revolutionär" Das Handelsblatt berichtet ebenfalls, stuft die Initiative aber als "viel harmloser als vor einem Jahr" ein.

Neuer Berliner Justizsenator: Der Berliner Notar Michael Braun (CDU) soll in der neuen großen Koalition künftig als Senator für Justiz und Verbraucherschutz amtieren. Spiegel.de (Nils Klawitter) beschreibt die Kritik von Verbraucherschützern an Braun, weil dieser eng mit zwielichtigen Immobilien-Strukturvertrieben zusammengearbeitet habe.

Weitere Themen – Justiz

NPD-Verbot: In einem Interview mit der SZ (Heribert Prantl) versucht sich Ex-Verfassungsrichter Winfried Hassemer an die 2003 aufgestellten Hürden für ein NPD-Verbotsverfahren zu erinnern. In der Mitteldeutschen Zeitung (Markus Decker) kommt der Ex-Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch zu Wort, der damals federführender Richter war.

In einem Kommentar fordert Heribert Prantl (SZ) ein sofortiges NPD-Verbot, weil sich die Partei nach der Festnahme des Ex-Funktionärs und Terrorunterstützers Ralf Wohlleben als "Hort der Gewalt" entpuppt habe.  Der Rechtsprofessor Uwe Volkmann prüft in einem langen FAZ-Beitrag die Argumente für Parteiverbote und sieht deren Sinn letztlich in einer Selbstvergewisserung der Gesellschaft. 

Parlamentsrechte: SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Reinhard Müller) berichten über die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Klage der Grünen. Die Bundestagsfraktion forderte von der Regierung Auskunft über den geplanten ständigen Euro-Rettungsschirm ESM. Die Regierung verweigerte diese, weil der ESM kein EU-Organ sei und nur auf völkerrechtlichen Verträgen beruhe. 

Domainrecht: Fabian Reinholz (blog.beck.de) beschreibt einen Rechtsstreit, den das Landgericht München am 6. Dezember zu entscheiden hat. Der Koch Alfons Schuhbeck hätte gerne die Domain schuhbeck.com, die bisher aber ein Religionslehrer gleichen Namens nutzt. Reinholz räumt dem Koch wenig Chancen sein. [Anm.d.Red.: Nach Auskunft des LG München ist der Termin auf Juni 2012 verschoben worden]

Informationsfreiheit: lto.de (Angela Rapp) stellt ein Verfahren vor, über das heute am Verwaltungsgericht Berlin verhandelt wird. Ein Berliner Bürger verlangt dabei Einsicht in ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zum Thema "außerirdisches Leben" und beruft sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz. 

Bunt und böse

Adolf Hitler gesucht: "Der Verfassungsschutz bittet um Mithilfe. Wer kennt diesen Mann?", stand auf mehreren Plakaten, die Scherzbolde im bayerischen Taufkirchen aufgehängt hatten. Das Plakat zeigte ein Foto von Adolf Hitler. Darauf nahm der Staatschutz Ermittlungen wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf, wie spiegel.de, und lawblog (Udo Vetter) berichten. Das Foto mit Aufschrift war allerdings nur das aktuelle Titelbild der Satire-Zeitschrift Titanic.

Ruf nach harten Gesetzen: Ausgerechnet der wegen mehrerer Morde an Kindern angeklagte Martin N. hat vor rund zwanzig Jahren in einem Leserbrief an den Weserkurier härtere Gesetze gegen Rechtsbrecher gefordert. Das hat Bild herausgefunden. Damals ging es allerdings um Verkehrsrowdys.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau. Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

 

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Dezember 2011: Gefährliche Gebete – Gefährliche Nazis – Gefährliche Satire . In: Legal Tribune Online, 01.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4944/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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