Gehen Geschädigte von Corona-Impfungen wegen der Gefährlichkeit der Pandemie leer aus? Studie wirft Russland Völkermord in der Ukraine vor. Sollen Sex-Roboter besser geschützt werden, damit der Umgang zwischen Menschen nicht leidet.
Thema des Tages
OLG Bamberg – Corona/Impfschaden: Am Montag will das Oberlandesgericht Bamberg in der Berufungssache einer Klägerin weiterverhandeln, die nach einer Corona-Schutzimpfung eine Darmvenenthrombose erlitt und bis zum heutigen Tag massiv beeinträchtigt ist. Das Berufungsurteil stehe bevor, "falls das OLG nicht doch noch in die Beweisaufnahme einsteigt", schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Erstinstanzlich wurde ihre Klage abgewiesen, da ihr Schaden nicht über das "nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß" hinausgegangen sei. Sollte sich das OLG oder andere mit Impfschäden befasste Gerichte einer solch strengen Auslegung des Arzneimittelgesetzes anschließen, dürften "Menschen mit gravierenden Impfschäden letztlich mit einem "Pech gehabt" zurückgelassen werden. Angesichts einer Pandemie mit hoher Sterblichkeitsrate könnten "unter Umständen sogar tödliche Nebenwirkungen hinzunehmen" sein, wenn sie denn nur vereinzelt genug wären.
Rechtspolitik
Ausweisung/Clanmitglieder: Auch die FAZ (Helene Bubrowski u.a.) liefert nun eine Einordnung des Vorschlags von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Angehörige krimineller Clans leichter auszuweisen. Mehrere Debattenbeiträge hätten übersehen, dass der Vorschlag aus einem "Diskussionsentwurf" stammt. Die Idee, Betroffene aufgrund von Tatsachen, die eine bestimmte Schlussfolgerung rechtfertigen, auszuweisen, existiere für Mitglieder terroristischer Vereinigungen bereits, setze auch dort aber immer eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall voraus.
Einen Überblick zur Debatte bringt die SZ (Jan Bielicki) in Frage-und-Antwort-Form. Es sei keine Sippenhaft geplant.
Nach Meinung von Georg Ismar (SZ) hat sich Ministerin Faeser mit ihrem Vorschlag "keinen Gefallen getan." Ihr wahlkampfgetriebener Versuch, "als Hardlinerin zu punkten" hätte sich besser auf das "Machbare" konzentriert: die Umsetzung "längst vereinbarter Maßnahmen zur beschleunigten Abschiebung abgelehnter Asylbewerber."
Abschiebung: tagesschau.de (Max Bauer) fasst noch einmal Faesers "Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführung" zusammen, aus dem der Vorschlag zur Ausweisung von Clanmitgliedern stammt. U.a. wird darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Möglichkeit vorgesehen ist, Asylbewerber:innen schon während eines laufenden Prüfungsverfahrens in Abschiebehaft zu nehmen.
Politikerhaftung/Andreas Scheuer: Das Rechtsgutachten über mögliche Ansprüche gegenüber dem früheren Amtsinhaber Andreas Scheuer (CSU) sollte die Koalition "zum Anlass nehmen, ganz grundsätzlich zu prüfen, ob Deutschland schärfere Regeln für eine Ministerhaftung benötigt", so Wolfgang Janisch (SZ) im Leitartikel. Es sei nicht nachvollziehbar, dass "für die oberste Etage" andere Regeln gelten, als für Beamtinnen und Beamte. Zwar müsse bedacht werden, dass Schäden auch durch Unterlassungen entstehen können und Politik oft von nicht immer stringenten Kompromissen geprägt werde, doch eine Ministerhaftung für grobe Fahrlässigkeit sei vertretbar.
Justiz
BVerfG zu öffentlich-rechtlicher Programmvielfalt: In ihrem Medien-Teil untersucht die SZ (Wolfgang Janisch), inwiefern die Verfassungsgerichtsbarkeit die Ausgewogenheit und inhaltliche Vielfalt öffentlich-rechtlicher Sender sichern oder gar erzwingen könnte. Ausgangspunkt ist ein wenige Monate alter Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts. In diesem wurde ausdrücklich offen gelassen, ob Klagen gegen den Rundfunkbeitrag wegen mangelnder inhaltlicher Vielfalt Aussicht auf Erfolg hätten. Tatsächlich sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk "letztlich eine Kreatur" des BVerfG, der von ihm definierte Auftrag aber oftmals diffus. Direkten staatlichen Einflüssen stehe zudem der Grundsatz der Programmautonomie entgegen.
BGH zu langfristigen Persönlichkeitsrechten: Über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der dem ZDF untersagt hat, in einer Dokumentation über einen Entführungsfall von vor über 40 Jahren Bilder und Tonaufnahmen der damaligen Geschädigten zu zeigen, berichtet nun vertieft auch LTO.
OLG Düsseldorf – Diabetes-Tod auf Studienfahrt: Die taz (Christian Rath) berichtet auf der Bildungs-Seite über die nun veröffentlichte, Ende Juni ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen zwei Lehrerinnen zuließ. Unter deren Organisation und Aufsicht war im Sommer 2019 eine 13-Jährige auf einer Klassenfahrt infolge eines diabetesbedingten Herzinfarkts verstorben. Das OLG halte eine Verurteilung für wahrscheinlich. Die Pädagoginnen hätten sich verlässliche Informationen über Gesundheitsbeeinträchtigungen der teilnehmenden Schüler:innen besorgen müssen. Der Prozessauftakt am Landgericht Mönchengladbach ist für den 17. Januar vorgesehen.
OVG Berlin-BB zu Polizisten-Entlassung: Das Liken mehrerer rechtsextremer Online-Beiträge durch einen Polizeibeamten auf Widerruf kann dessen Dienstentlassung rechtfertigen. Dies entschied – anders als die Vorinstanz – das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Ende Juli. Die nicht nur vereinzelten "Likes" hätten in ihrer Gesamtheit ein derartiges Gewicht, dass Zweifel an der Verfassungstreue des Kriminalkommissaranwärters begründet seien. Dessen bis dato gute Arbeit sei für diese Einordnung ohne Belang. Es berichtet LTO.
ArbG Lübeck zu Kirchenmusiker-Entlassung: Das Arbeitsgericht Lübeck hat die Kündigung eines Kirchenmusikers für unwirksam erklärt, der eine Trauerfeier seiner Gemeinde verpasste, weil er mit den Vorbereitungen eines Musicals beschäftigt war. Die Arbeitgeberin habe nicht nachweisen können, dass der Musiker die ihm zugewiesene Arbeit beharrlich und vorsätzlich verweigert, so LTO über die Entscheidung.
AG Berlin-Mitte zu rassistischer Fahrgast-Beleidigung: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Valentina Chiofalo referiert im Verfassungsblog die vor einem Monat ergangene Entscheidung des Berliner Amtsgerichts Mitte, das dem afro-amerikanischen Opfer einer rassistischen Beleidigung während einer Fahrscheinkontrolle ein Schmerzensgeld zuerkannte. Die "zumindest teilweise" klare Benennung einer rassistischen Diskriminierung sei zwar zu begrüßen. Der Argumentation zur Nichtanwendbarkeit des Berliner Antidiskriminierungsgesetzes folgt die Autorin gleichwohl nicht. Ihr lägen grundsätzliche Fehlvorstellungen über das Verwaltungsprivatrecht zugrunde. So blieben Potenziale des Gesetzes ungenutzt.
Diesel-Affäre/Thermofenster: beck-aktuell (Michael Dollmann) berichtet, dass eine Reihe von Oberlandesgerichten bei der Entscheidung über Schadensersatzansprüche wegen des Einbaus sogenannter Thermofenster in Diesel-Fahrzeuge die hochgesteckten Erwartungen enttäuschen, die nach der grundsätzlichen Zulassung derartiger Ansprüche durch Europäischen Gerichtshof und Bundesgerichtshof entstanden waren. In den der Redaktion vorliegenden Entscheidungen von neun OLGs werde insbesondere auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum der Hersteller abgestellt.
VR und KI bei Gericht: Der SWR-RadioReportRecht (Fabian Töpel/Christoph Heuser) untersucht, inwiefern Virtual Reality oder Künstliche Intelligenz den gerichtlichen Alltag beeinflussen können oder dies bereits tun.
Recht in der Welt
Ukraine – russischer Völkermord: Eine Studie der kanadischen NGO Raoul Wallenberg Centre for Human Rights gelangt zu der Einschätzung, dass im Rahmen des russischen Überfalls auf die Ukraine Völkermord zulasten der ukrainischen Bevölkerung begangen wird. Hierfür sei die angreifende Russische Föderation verantwortlich, referiert Rechtsanwalt Patrick Heinemann auf LTO. Eine Analyse frei zugänglichen Materials lasse ein Muster von Gräueltaten erkennen, aus dem die Absicht geschlossen werden könne, ukrainische Menschen als nationale Gruppe teilweise vernichten zu wollen. Auch weitere Tatbestandsvarianten der UN-Völkermordkonvention seien erfüllt, so etwa die "gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe."
Im Leitartikel warnt Reinhard Müller (FAZ) vor übertriebenen Erwartungen an eine Strafverfolgung russischer Entscheidungsträger. Vielmehr sollte man sich darauf einstellen, bei etwaigen Verhandlungen mit dem Aggressor am Tisch zu sitzen, "Sondertribunal hin oder her."
Ukraine – Häftlinge: Das ukrainische Parlament plant eine Teilreform des Strafgesetzbuches und will in diesem Zusammenhang auch aus der Sowjetzeit stammende Regeln für Inhaftierte aufheben. Die taz (Bernhard Clasen) befragt den Menschenrechtler Andri Didenko über die Zustände in Haftanstalten und Rechtsschutzmöglichkeiten Inhaftierter.
Russland – Schriftsteller Glukhovsky: In Abwesenheit hat ein Moskauer Gericht den Schriftsteller Dmitry Glukhovsky wegen Verbreitung von Falschnachrichten zu acht Jahren Straflager verurteilt. Der an unbekanntem Ort in Europa lebende Autor müsste die Strafe antreten, wenn er seine Heimat beträte oder in ein mit Russland durch ein Auslieferungsabkommen verbundenes Land reise, so die SZ (Ncolas Freund) in ihrem Literatur-Teil.
Bulgarien – häusliche Gewalt: Das bulgarische Parlament hat eine Gesetzesänderung beschlossen, die Opfern häuslicher Gewalt besseren Schutz bieten solle. Nunmehr seien nicht nur Verheiratete oder dauerhaft Zusammenlebende geschützt, sondern auch Partner:innen eines "intimen Verhältnisses" von wenigstens 60 Tagen Dauer. Die SZ (Tobias Zick) beschreibt, dass selbst diese minimalen Verbesserungen im Parlament heftig umstritten waren. Einen teilweisen Stimmungsumschwung habe ein Fall bewirkt, in dem eine junge Frau von ihrem Partner so schwer verletzt wurde, dass sie von Ärzten mit mehr als 400 Stichen genäht werden musste. Die Inhaftierung des Täters sei gerichtlich u.a. deshalb abgelehnt worden, weil die Verletzungen der Frau "leicht" gewesen seien.
Großbritannien – Asylrecht: Das britische Innenministerium will "betrügerische Einwanderungsanwälte" ausmerzen und zu diesem Zweck die Unterstützung bei "betrügerischen Asylrechtsanträgen" mit lebenslanger Haft bestrafen, zitiert LTO (Leonie Ott) Ministerin Suella Braverman. Die Äußerungen wurden von der Berufsvertretung Law Society scharf kritisiert. Offensichtlich ginge es der Regierung zuvörderst darum, von der unzureichenden Bearbeitung von Asylanträgen abzulenken, so die Law Society.
USA – Trump vor Gericht: Ein New Yorker Bundesgericht hat die Verleumdungsklage von Ex-Präsident Donald Trump gegen die Autorin E. Jean Carroll abgewiesen. Sie dürfe das 30 Jahre zurückliegende Geschehen in der Umkleide eines Kaufhauses nun weiterhin als Vergewaltigung bezeichnen. Dies berichtet die SZ (Reymer Klüver) und legt im Weiteren dar, dass die schiere Anzahl der aktuellen Prozesse ein Problem für den Präsidentschaftskandidaten darstelle. Trumps Verteidigungsteam betreue gleichzeitig auch zahlreiche mutmaßliche Mitttäter bzw. Unterstützer und liefere sich so dem Verdacht von Interessenkonflikten aus. "Für viele Richter" sei dies ein Grund, "Anwälte vom Verfahren auszuschließen." Sonderermittler Jack Smith habe zudem beantragt, "Trump in die Schranken zu weisen", nachdem dieser in Posts seiner Online-Plattform mögliche Drohungen gegen potentielle Zeugen ausgesprochen hatte.
Israel – Justizreform: Das Hbl (Pierre Heumann) bringt ein großes Porträt von Esther Hajut. Die Präsidentin des Obersten Gerichts Israels wird ab September eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des jüngst verabschiedeten Gesetzes prüfen, das dem Gericht die Möglichkeit der Angemessenheitskontrolle von Regierungsmaßnahmen nahm. Im Oktober scheidet die Präsidentin altersbedingt aus dem Amt.
Sonstiges
Sex-Roboter: Im Feuilleton stellt die SZ (Ronen Steinke) am Beispiel sogenannter Sexroboter die Notwendigkeit dar, die rechtliche Grundsatzfrage zu klären, "ob der Mensch diese Maschinen stärker respektieren sollte (...) damit die Umgangsformen auch zwischen Menschen nicht verlottern" Tatsächlich ist seit 2021 bereits der Besitz kindlich aussehender Sex-Puppen strafbar. Dagegen sei die "Vergewaltigung" von nein-sagenden Sex-Robotern bisher nicht strafbar.
Compliance: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ macht Rechtsanwalt Eric Mayer darauf aufmerksam, dass sogenannte D&O- oder auch Managerhaftungsversicherungen nicht alle Haftungsrisiken "für Geschäftsführer, Vorstände und zunehmend auch für Aufsichtsräte" abschließend abdecken. Ein angemessenes Compliance-Management sei durch neue Gesetze sowie den gerichtlich etablierten "failure to prevent"-Grundsatz mittlerweile zwingender Bestandteil unternehmerischen Handelns.
Erbschaft: Am Beispiel der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren erklärt Rechtsanwalt Dietrich Ostertun im Finanzen-Teil der FAZ, wie ein Testament errichtet werden kann und geht hierzu auch auf den Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis ein.
BND: Im Interview mit beck-aktuell (Monika Spiekermann) spricht BND-Präsident Bruno Kahl über die Bedeutung des Rechts für den Bundesnachrichtendienst, Geheimdienstkontrolle und internationale Kooperation.
Das Letzte zum Schluss
Rap-Beef: Neuigkeiten aus dem konfliktgeladenen Miteinander deutschsprachiger Rap-Artisten berichtet die FAZ (Sebastian Eder, ausführlicher auf faz.net): Weil Fler noch Schulden bei Bushido hat, erwirkte Letzterer nun am Berliner Amtsgericht Schöneberg einen Haftbefehl gegen Ersteren. Fler solle am 6. September gegenüber einem Gerichtsvollzieher eine Vermögensauskunft erteilen, widrigenfalls wandere er in den Bau. Der von der Zeitung kontaktierte Schuldner kommentiert: Bushido "tritt jetzt mit seinen Anwälten nach, weil er auf der Rap-Ebene verloren hat."
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 9. August 2023: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52445 (abgerufen am: 16.10.2024 )
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