Die juristische Presseschau vom 8. Mai 2025: Zurück­wei­sung von Asyl­su­chenden / KI-Person vor US-Gericht / Auch AfD Bran­den­burg wurde hoch­ge­stuft

08.05.2025

Innenminister Dobrindt hat die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze angeordnet. In den USA hat die KI-Version eines Verstorbenen vor Gericht gesprochen. Die Brandenburger AfD wurde als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Thema des Tages

Asyl/Zurückweisung an der Grenze: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Zurückweisung der meisten Asylsuchenden an der Grenze angeordnet. Nur vulnerable Asylsuchende, insbesondere Kinder und Schwangere, sollen noch nach Deutschland einreisen dürfen. Dobrindt nahm eine Weisung des damaligen Innenministers Thomas de Maizière (CDU) von 2015 zurück, wonach die Bundespolizei bei Grenzkontrollen Asylsuchende einreisen lassen muss. Dobrindt stützt seine Anordnung für Zurückweisungen auf § 18 Asylgesetz. Entgegenstehendes EU-Recht will Dobrindt unter Verweis auf die Notlagenklausel gem. Art. 72 AEUV nicht mehr anwenden. Eine Vollkontrolle der deutschen Grenzen ist nicht geplant, aber durch den Einsatz zusätzlicher Kräfte der Bundespolizei sollen die Grenzkontrollen intensiviert werden. Es berichten FAZ (Mona Jaeger), SZ (Markus Balser/Henrike Roßbach), taz.de und bild.de (Burkhard Uhlenbroich/Peter Tiede)

Rechtspolitik

Justizministerin Hubig: Stefanie Hubig (SPD) hat in einer Feierstunde das Amt der Bundesjustizministerin von ihrem Übergangs-Vorgänger Volker Wissing (Ex-FDP) übernommen. Das Ministerium wird nun auch wieder für den Verbraucherschutz zuständig sein, der zuletzt zum Umweltministerium gehörte; aus dem BMJ wird wieder ein BMJV. Als neue parlamentarische Staatssekretär:innen stellte Hubig die SPD-Abgeordneten Annette Kramme und Frank Schwabe vor. Hubig will nun u.a. das Gutachten zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem prüfen und die Verlängerung der Mietpreisbremse um vier Jahre rasch umsetzen, das Familienrecht soll weiter reformiert werden. Es berichten FAZ (Katja Gelinsky/Corinna Budras) und LTO (Markus Sehl)

AfD-Verbot: Die Zeit diskutiert in einem "Pro und Contra" die Frage, ob die AfD verboten werden sollte. Eva Ricarda Lautsch argumentiert, dass ein Verbot demokratische Handlungsfähigkeit beweisen würde und die Partei effektiv aus dem politischen Wettbewerb entfernen könnte. Sie betont, dass die AfD die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet und ein Verbot daher gerechtfertigt wäre. Heinrich Wefing hingegen warnt vor den politischen und juristischen Risiken eines Verbots. Er argumentiert, dass ein Verbot die Polarisierung verschärfen und die AfD als Opfer darstellen könnte. Zudem seien die rechtlichen Hürden für ein Verbot hoch und müssten eindeutig erfüllt sein. Er plädiert dafür, die AfD politisch zu stellen, anstatt auf ein Verbot zu setzen.

Justiz

EuGH/Italien – Asylverfahren in Albanien: Im Verfassungsblog analysiert die Forschungsassistentin Matilde Rocca (in englischer Sprache) die Schlussanträge von Generalanwalt Richard de la Tour zu den verbundenen Rechtssachen "Alace" und "Canpelli", in denen es um die Frage geht, welche Befugnisse ein Mitgliedstaat – in diesem Fall Italien – hat, Rechtsvorschriften darüber zu erlassen, was unter einem "sicheren Drittstaat" und einem "sicheren Herkunftsstaat" zu verstehen ist. Der Generalanwalt bestätigte, dass Italien ein Drittland als "sicher" einstufen kann, wenn es "allgemein" als solches gilt, sofern diese Einstufung mit dem EU-Recht vereinbar ist. De la Tour wies auch darauf hin, dass ein nationaler Richter in Fällen, in denen der Antrag eines Antragstellers auf Asyl oder internationalen Schutz abgelehnt wird, beantragen kann, die Quellen zu überprüfen, auf die sich ein Mitgliedstaat bei der Benennung eines sicheren Drittstaates gestützt hat, wenn sie noch nicht veröffentlicht wurden.

BAG zur digitalen Lohnabrechnung: Im Januar hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass Arbeitgeber ihrer gesetzlichen Pflicht zur Entgeltabrechnung auch ausschließlich digital nachkommen können. Rechtsanwalt Maximilian Schreiner stellt im Expertenforum Arbeitsrecht die Entscheidung vor und gibt Tipps für die rechtssichere und praxisgerechte Ausgestaltung einer digitalen Entgeltabrechnung. 

OLG München zu anwaltlicher Pauschalvergütung/True-crime-Podcast: Weil er neben seinem Verfahren noch entgeltlich an einem Podcast mitwirkte, hat ein Anwalt seinen Anspruch auf eine über die gesetzlichen Verteidigergebühren hinausgehende Pauschalvergütung verloren. Das hat das Oberlandesgericht München entschieden. Der Anwalt hatte einen der Angeklagten im so genannten “Starnberger Dreifachmord”-Fall verteidigt und diese Verteidigertätigkeit "zur Erzielung weiterer Einkünfte durch die Mitwirkung an einem True-Crime-Podcast über das hiesige Verfahren genutzt", so die Feststellungen des Gerichts. Auch wirke er an Bühnenveranstaltungen mit, wo das Verfahren ebenfalls thematisiert werde. Etwaige Einkünfte aus einer "solchen kommerziellen Zweitverwertung der Verteidigertätigkeit" müssten insoweit berücksichtigt werden, so das OLG. LTO (Joschka Buchholz) und beck-aktuell berichten.

OLG Hamm zu Auskunft über Konto aus NS-Zeit: Der Erbe einer jüdischen Familie aus Hagen hat keinen Anspruch mehr auf ein Sparkassenkonto, das seine Vorfahren während der NS-Diktatur geführt hatten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Der Erbe hatte Auskunft über das Konto und letztlich die Auszahlung eines etwaigen Guthabens, hilfsweise Schadensersatz, verlangt. Alle Ansprüche seien jedoch 30 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit verjährt, so das Gericht laut LTO. § 197 BGB sei auch in Fällen wie diesem verfassungskonform.

VG Köln – Einstufung der AfD: Über die beim Verwaltungsgericht Köln eingereichte Klage der AfD gegen ihre Einstufung als "gesichert rechtsextrem" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schreibt nun auch tagesschau.de (Kolja Schwarz). In dem Gerichtsverfahren müsse das BfV darlegen, warum die Einstufung der Gesamtpartei als "gesichert extremistisch" gerechtfertigt sei. Das BfV habe die Beweislast und müsse deshalb die Materialsammlung und die Erkenntnisse aus dem Gutachten vorbringen. Auf diese könne die AfD dann reagieren und versuchen, sie zu entkräften, erläutert der Autor. Für eine vorläufige Entscheidung hat die Partei einen Eilantrag und auch einen Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses gestellt. Letzterer würde dann allerdings keinerlei Aussage über die inhaltlichen Erfolgsaussichten der Klage oder des Eilantrags enthalten.

VG Berlin zu Verbot von UdSSR-Fahnen: Nachdem die Berliner Polizei für die Dauer der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des WKII-Endes das Zeigen von UdSSR-Fahnen im Umfeld mehrerer Ehrenmale untersagt hatte, hat das Verwaltungsgericht Berlin dies jetzt bestätigt. Die sowjetische Flagge könne als Sympathiebekundung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verstanden werden. Ein entsprechendes "Fahnenmeer" könne einen einschüchternden und "suggestiv-militanten Eindruck" hervorrufen. Deshalb liege in der Untersagung kein Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit, so das Verwaltungsgericht laut beck-aktuell.

VG Berlin zu Ausweisung wegen Palästina-Protest: Das Verwaltungsgericht Berlin hat vorläufig die geplante Abschiebung einer irischen propalästinensischen Aktivistin gestoppt. Das Landesamt für Einwanderung hatte Anfang März Bescheide erlassen, wonach der Aufenthalt von vier an der gewaltsamen Besetzung der Freien Universität beteiligten Personen beendet werden sollte. So wie bereits in einem anderen Verfahren gegen einen Iren bestünden auch im Fall der jetzt betroffenen 24-jährigen Irin nach der gebotenen summarischen Prüfung durchgreifende Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit, so das Verwaltungsgericht. Eine herausragende Beteiligung an der Besetzung stehe nicht fest. FAZ (Marlene Grunert) und LTO (Joschka Buchholz) berichten.

AG Saarbrücken zu Erpressung durch Journalisten: Der ehemalige CEO des Finanz-Nachrichtendienstes Gomopa, Klaus Maurischat, wurde vom Amtsgericht Saarbrücken wegen Erpressung verurteilt, weil er von Anlagebetrügern 250.000 Euro verlangt hatte, um negative Berichterstattung über deren illegale Machenschaften zu unterlassen. Maurischat hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und behauptet, dass die Zahlungen nur für Rechte an Artikeln geleistet wurden. beck-aktuell berichtet.

GenStA Frankfurt/M. – Schleuser: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. hat vier Männer wegen des Verdachts der Schleuserkriminalität festgenommen. Auch ein Rechtsanwalt soll betroffen sein. Er wird verdächtigt, federführend eine Infrastruktur aufgebaut zu haben, um überwiegend wohlhabende Menschen in die Bundesrepublik zu schleusen. Dazu soll er über eine von ihm geführte Gesellschaft Wohn- und Gewerbeimmobilien in Pirmasens und Saarbrücken erworben oder angemietet haben, wo dann Scheinunternehmen mit Scheinarbeitsverträgen sowie Scheinwohnsitze eingerichtet wurden, um Aufenthaltserlaubnisse zu bekommen. LTO berichtet.

StA Fulda – Whistleblower-Identität: Anlässlich eines Verfahrens der Staatsanwaltschaft Fulda, die die Identität eines Whistleblowers erfahren wollte, um zu entscheiden, ob aufgrund seiner Angaben ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden soll, erläutert Rechtsanwalt André-M. Szesny auf LTO, inwieweit das mit dem gesetzlichen Hinweisgeberschutz vereinbar ist. Er weist darauf hin, dass zwar auch aufgrund von anonymen Anzeigen Ermittlungen eingeleitet werden können, wenn die entsprechenden Hinweise konkret genug sind. Allerdings könnten die Strafverfolgungsbehörden auch Informationen zur Identität eines Hinweisgebers verlangen, insofern sei hier kein Fehler der Staatsanwaltschaft zu erkennen. Einen absoluten Hinweisgeberschutz gebe es nicht, so der Autor.

Recht in der Welt

USA – KI-Aussage vor Gericht: In Arizona wurde erstmals in einem Gerichtssaal eine per KI erzeugte Aussage eines Verstorbenen eingespielt. Chris Pelkey war 2021 im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr erschossen worden. Für den Strafprozess haben Angehörige des Gestorbenen ein vier Minuten langes KI-Video produziert, in dem der Getötete aus christlicher Überzeugung um Vergebung für den Täter bittet. Den Inhalt des Videos bestimmte die Schwester des Verstorbenen, er wurde aber mit der Stimme und dem Aussehen des Opfers gesprochen. Der Täter wurde dennoch zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe wegen Totschlags verurteilt. spiegel.de berichtet.

USA – Transpersonen beim Militär: Der US Supreme Court hat ein Dekret von US-Präsident Donald Trump vorläufig bestätigt, mit dem Transpersonen vom Militär ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Anordnung des Pentagon darf bereits umgesetzt werden, auch wenn der Streit weiter vor Gericht ausgetragen wird. Obwohl damit noch keine inhaltliche Entscheidung in der Sache gefallen ist, wird dies als großer juristischer Erfolg für Trump gewertet. FAZ (Sofia Dreisbach) und LTO berichten.

EuGH/Malta - Staatsbürgerschaft: Nun analysiert auch der Doktorand Ruairi O’Neill auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, in der die EU-Rechtswidrigkeit eines maltesischen Programmes festgestellt wurde, bei dem die maltesische Staatsangehörigkeit gegen Zahlungen vergeben wird. Ein weiterer Beitrag auf dem Verfassungsblog von Postdoktorand Luke Dimitrios Spieker (in englischer Sprache) widmet sich ebenfalls der Entscheidung.

Kenia – Ameisenschmuggel: Vier Männer wurden in Kenia wegen Wildtierschmuggels zu einer Geldstrafe verurteilt, wie beck-aktuell berichtet. Sie hatten versucht, 5.000 seltene Ameisen der Art messor cephalotes außer Landes zu bringen. In ihrer Entscheidung betonte die Richterin, dass alle Tiere, von Ameisen bis Elefanten, für das Ökosystem und das nationale Erbe von Kenia wichtig seien. Die Naturschutzbehörde begrüßte das Urteil als Signal gegen illegalen Wildtierhandel und Biopiraterie.

Sonstiges

Einstufung der AfD Brandenburg: Der Brandenburger AfD-Landesverband wurde bereits Mitte April vom dortigen Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Es ist der vierte Landesverband, der in dieser Form eingestuft wird. Bislang galt die Landespartei in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Überschattet wurde die Einstufung von einer Personalie. Der bisherige Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes Jörg Müller musste auf Veranlassung der zuständigen Landesinnenministerin Katrin Lange (SPD) seinen Posten räumen. Laut der Ministerin sei das notwendige Vertrauen nicht mehr vorhanden, weil Müller sie erst drei Wochen nach der Hochstufung offiziell darüber unterrichtet hatte. SZ (Jan Heidtmann/Christoph Koopmann), zdf.de und LTO berichten. 

Die Innenministerin habe maximalen Schaden angerichtet, kommentiert Jan Heidtmann (SZ). Zur Freude der AfD befinde sich nun ein ansonsten von vielen geschätzter Verfassungsschützer im einstweiligen Ruhestand. Und die Ministerin müsse eine Bewertung der AfD vertreten, die sie so offenbar gar nicht gewollt habe. In Zukunft wolle Lange deshalb den Verfassungsschutz stärker ihrer Kontrolle unterstellen und nähre damit nur die Legende der Rechtsextremen von der "politischen" Behörde.

Einstufung der AfD-Bundespartei: spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt u.a.) hat das 1108 Seiten umfassende Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz ausgewertet.

Ein 17 Seiten umfassender Auszug des Gutachtens wird nun auch von LTO (Joschka Buchholz) vorgestellt. 


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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf/chr

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Mai 2025: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57153 (abgerufen am: 24.05.2025 )

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