Stefanie Hubig (SPD) übernimmt heute das Bundes-Justizministerium. Die AfD klagt gegen ihre Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch". Sahra Wagenknecht (BSW) darf nicht mehr von einer Wahlmanipulation durch Forsa sprechen.
Thema des Tages
Justizministerin Hubig: Falls Friedrich Merz (CDU) am heutigen Dienstag zum Kanzler gewählt wird, erhalten heute auch die Minister:innen seiner Regierung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Ernennungsurkunden, u.a. auch Stefanie Hubig (SPD) als neue Justizministerin. Am Nachmittag findet ggf. bereits die Amtsübergabe von Übergangsjustizminister Volker Wissing (Ex-FDP) statt. Die 56-jährige Hubig arbeitete als Richterin und Staatsanwältin, vor allem aber als Ministerialbeamtin. Sie war bereits von 2000 bis 2008 im BMJ tätig. Von 2014 bis 2016 war sie zudem beamtete Justiz-Staatssekretärin unter Justizminister Heiko Maas (SPD). Zuletzt amtierte sie neun Jahre als Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz. Erwartet wird, dass es bald wie üblich Auseinandersetzungen mit dem Bundesinnenministerium geben wird, das Alexander Dobrindt (CSU) übernimmt. Porträts der designierten Justizministerin bringen LTO (Luisa Berger/Markus Sehl), beck-aktuell, RND (Christian Rath) und spiegel.de (Matthias Bartsch).
Wie beck-aktuell in einem separaten Beitrag berichtet, will Hubig mit dem Kabinett zügig über den weiteren Umgang mit der AfD beraten. Dabei soll es auch um staatliche Parteienfinanzierung und den Umgang mit Beamt:innen gehen, die AfD-Mitglieder sind.
Rechtspolitik
Lieferketten und Menschenrechte: Die taz (Hannes Koch) schildert in fünf Akten die Geschichte des deutschen Lieferkettengesetzes und der EU-Lieferkettenrichtlinie. Derzeit seien die Gegner:innen solcher Regelungen in der Offensive. Die neue Bundesregierung will das deutsche Gesetz nicht mehr anwenden, bis die EU eine reformierte Richtlinie beschlossen hat, wobei Wirtschaftsverbände, Union, AfD und FDP derweil daran arbeiten, dass diese möglichst schwach ausfällt.
Justiz
VG Köln – Einstufung der AfD: Nach der Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD nun Klage und Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Zudem hat die AfD einen Hänge-Beschluss des VG beantragt für den Fall, dass das BfV keine Stillhaltezusage abgibt. Das Vorgehen des Verfassungsschutzes bezeichnet die AfD in ihrer Klageschrift als "offensichtlich rechtswidrig" und spricht mit Blick auf anstehende Kommunal- und Landtagswahlen von einem "staatlichen Eingriff in den demokratischen Wettbewerb." Sie will erreichen, dass sie weder als gesichert rechtsextrem bezeichnet noch entsprechend behandelt werden darf. Zuvor hatte die AfD das BfV abgemahnt und für die Rücknahme der Einstufung sowie eine Unterlassungserklärung eine Frist bis gestrigen Montag gesetzt, die das Bundesamt verstreichen ließ. Es berichten SZ (Roland Preuß), FAZ (Friederike Haupt), LTO und beck-aktuell.
zdf.de (Daniel Heymann/Jan Schneider) und - in einem weiteren Beitrag - die FAZ (Friederike Haupt) schildern die Auseinandersetzung um den ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff der AfD, der bereits zur Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall führte.
LG Berlin II zu Wagenknecht vs. Forsa: Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht darf nicht weiter behaupten, das Umfrage-Unternehmen Forsa habe gezielt das Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl manipuliert. Dies entschied das Landgericht Berlin II per einstweiliger Verfügung. Forsa hatte weniger als 48 Stunden vor der Bundestagswahl das BSW nur noch auf drei Prozent Stimmanteil prognostiziert. Darin sah Wagenknecht keine Wahlprognose, sondern eine Manipulation des Wahlverhaltens, denn eine Drei-Prozent-Umfrage so kurz vor der Wahl mit breiter Berichterstattung habe Effekt "und sollte Effekt haben." Zwar sei Wagenknechts Kritik insgesamt als Meinungsäußerung zu werten, prozessual aber als unwahr anzusehen, weshalb das Grundrecht der Meinungsäußerung hinter den Schutzinteressen von Forsa zurücktrete, so die Berliner Richter:innen. Es berichtet die FAZ (Reiner Burger).
BVerfG – Neutralitätspflicht von Dreyer: Die rheinland-pfälzische AfD hat Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs von Rheinland-Pfalz erhoben. Der VerfGH hatte Anfang April entschieden, dass die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Januar über das Internetportal der Landesregierung zu einer Demonstration "gegen Rechts" aufrufen und auf ihrem Instagram-Account einen AfD-kritischen Beitrag veröffentlichen durfte. Der VGH hatte in den Äußerungen zwar einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot erkannt, diesen aber als gerechtfertigt angesehen, da die Äußerungen dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dienten. Die AfD sieht darin eine Abweichung von der bisherigen BVerfG-Rechtsprechung zum Neutralitätsgebot. Es berichtet LTO.
BVerfG - Elternschaft: Im Interview mit der taz (Patricia Hecht) fordert die Rechtsanwältin Lucy Chebout, dass das Bundesverfassungsgericht nun endlich über das Recht auf Co-Mutterschaft bei lesbischen Paaren entscheiden möge. Die ersten Richtervorlagen stammen aus dem Jahr 2021 und die betroffenen Kinder kommen jetzt in die Schule. Zwar habe das BVerfG eine Entscheidung für dieses Jahr angekündigt, die Jahresvorschau sei jedoch nicht verbindlich. Chebout vermutet, dass der zuständige Bundesverfassungsrichter Henning Radtke voreingenommen ist, was sich aus öffentlichen Äußerungen ergebe.
BAG zu Schadensersatz nach DSGVO: Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), wenn eine betroffene Person mehrfach die gewünschte Auskunft nach Artikel 15 DSGVO verlangen musste - sofern der Schaden nicht hinreichend dargelegt wird. Ein bloßes Störgefühl bei der betroffenen Person reicht nicht aus. Das entschied das Bundesarbeitsgericht bereits Ende Februar. Auf LTO erörtert Anwalt Anton Barrein, inwiefern das BAG damit von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sog. "Scraping" abweicht und dadurch die Hürden für den Missbrauch des Datenauskunftsrechts – dem sog. "DSGVO-Hopping" – deutlich erhöht.
OLG Saarbrücken - Blitzer: Nun berichtet auch LTO (Luisa Berger) über die Divergenz-Vorlage des Oberlandesgerichts Saarbrücken an den Bundesgerichtshof. Das OLG will wissen, ob Rohmessdaten von Geschwindigkeitsmessungen gespeichert werden müssen, so dass sie von Betroffenen kontrolliert werden können. Der saarländische Verfassungsgerichtshof verlangt dies, nicht aber das Bundesverfassungsgericht und die anderen OLGs.
LG Braunschweig – Dieselskandal/VW: Im Strafprozess zum VW-Dieselskandal gegen vier frühere VW-Manager und Ingenieure forderten die Verteidiger eines Angeklagten nun Freispruch für ihren Mandanten. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten Betrug vor und forderte Freiheitstrafen zwischen zwei und vier Jahren. Die SZ berichtet.
LG Bremen - Greensill-Bank-Pleite: Im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Bremer Filiale der australischen Greensill-Bank hat der Insolvenzverwalter Michael Frege Anfang des Jahres vor dem Landgericht Bremen Klage gegen verantwortliche Führungskräfte auf Schadensersatz erhoben. Wie das Hbl (René Bender/Volker Votsmeier) und die SZ (Meike Schreiber) berichten, ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft zudem bereits seit Längerem gegen die Manager und Vorstände wegen des Verdachts auf Bankrott, Bilanzfälschung, Insolvenzverschleppung, Untreue und Betrug. Als das Bankinstitut im Frühjahr 2021 kollabierte, verloren mehr als 20.000 private Sparer:innen ihre Einlagen. Während diese durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken ihr Geld inzwischen vollständig zurückerhalten haben, klafft vor allem in zahlreichen Kommunen ein Loch von bundesweit rund 330 Millionen Euro, denn öffentliche Kassen fallen nicht unter den Einlagenschutz.
LG Wuppertal – Illegaler Zigarettenhandel: Am Landgericht Wuppertal hat ein Prozess gegen 19 Personen begonnen. Ihnen wird vorgeworfen, durch die illegale Produktion von Zigaretten in Deutschland und den Weiterverkauf im Ausland Tabaksteuern in Höhe von rund fünf Millionen Euro hinterzogen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben. Es berichtet die FAZ (Reiner Burger).
AG München zu Betonsockel in Tiefgarage: Betonsockel sind in einer Tiefgarage keine überraschenden Hindernisse, auch wenn sie dort erst vor einigen Jahren errichtet wurden. Dies entschied das Amtsgericht München und wies damit die Schadensersatzklage einer Autofahrerin ab, die sich an einem solchen Sockel die Beifahrertür zerkratzt hatte. Selbst wenn man eine Verkehrssicherungspflicht der Baufirma annehmen würde, so die Münchener Richter:innen, müssen Autofahrer:innen beim Ein- und Ausparken in einer Tiefgarage stets selbst auf alle Hindernisse und Bauelemente achten – seien sie auch noch so "neu" oder schlecht sichtbar. Es berichten LTO und beck-aktuell.
Recht in der Welt
USA – Maßnahmen gegen Großkanzleien: Die von US-Präsident Donald Trump erlassene Executive Order gegen die Kanzlei Perkins Coie ist verfassungswidrig. Das entschied das zuständige Bezirksgericht des District of Columbia und wies die Behörden an, alle bereits ergriffenen Maßnahmen rückgängig zu machen und den weiteren Vollzug der Verordnung zu beenden. Trump hatte der Wirtschaftskanzlei – wie später auch einigen anderen Kanzleien – in einer Executive Order unter anderem vorgeworfen, mit ihren Diversity-Programmen gegen das Antidiskriminierungsrecht zu verstoßen und demokratische Grundprinzipien zu untergraben und ihnen deshalb unter anderem Zugangsberechtigungen zu Regierungsgebäuden entzogen. Es berichten beck-aktuell und LTO.
IGH/Vereinigte Arabische Emirate – Bürgerkrieg im Sudan: Der Internationale Gerichtshof hat eine Völkermord-Klage der sudanesischen Regierung gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) abgewiesen, meldet die FAZ. Das Gericht sei rechtlich nicht befugt, in dieser Frage zu urteilen. Die VAE hatten die Genozid-Konvention zwar ratifiziert, aber einen Vorbehalt zur Zuständigkeit des UN-Gerichtshofs erklärt. Die Regierung Sudans hatte den Emiraten Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen, da sie die aufständische Miliz RSF bewaffneten und unterstützten.
EuGH/Malta – Staatsbürgerschaft: In einem Beitrag auf dem Fachblog für Europarecht "Jean Monnet Saar" setzt sich nun auch Lucca Kaltenecker, wissenschaftliche Hilfskraft, mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von vergangener Woche auseinander. Darin hatte der EuGH die u.a. in Malta gängige Praxis der "Vermarktung" der Staatsangehörigkeit und damit auch der Unionsbürgerschaft für unionsrechtswidrig erklärt, was Kaltenecker überzeugend findet. Auf dem Verfassungsblog hingegen kritisiert Marijn van den Brink, Rechtsprofessor in den Niederlanden, (in englischer Sprache) das Urteil wegen seiner unjuristischen und dünnen Argumentation. Die angebliche Verbindung von Staatsbürgerschaft und Solidarität mit der EU sei politischer Opportunität geschuldet und lasse verfassungsrechtliche Leitplanken leichtfertig außer Acht. Professor Dimitry V. Kochenov geht in seinem Beitrag auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) vor allem auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ein, um zu zeigen, wie es zu dieser rechtlichen Entwicklung kommen konnte.
Sonstiges
AfD-Mitglieder im Staatsdienst: Angesichts der Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" erörtern die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Gareth Joswig) die Frage nach Konsequenzen für die AfD-Mitglieder, die Beamt:innen sind. Die Mitgliedschaft allein reiche nicht für eine Entlassung aus dem Dienst. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden, in dem sowohl die Pflichtverletzung als auch die Konsequenzen festgestellt werden. Die Entfernung aus dem Dienst sei dann nur die höchste Eskalationsstufe. Wie die SZ erläutert, kann ein solches Verfahren mitunter Jahre dauern. Gegen Beamt:innen mit Parteifunktionen sollte aber in jedem Fall ein Verfahren eingeleitet werden. Ähnlich äußert sich Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano gegenüber der taz und plädiert dafür, dass die Behörden bei Hinweisen auf eine verfassungsfeindliche Haltung in jedem Fall durchgreifen sollten.
Disziplinarverfahren gegen AfD-Mitglieder im Staatsdienst seien eine Sofortmaßnahme, die jetzt unbedingt geboten wäre – unabhängig von einem AfD-Verbotsverfahren, kommentiert Christopher Koopmann (SZ). Denn Polizistinnen, Soldaten, Richterinnen und Lehrer müssen die freiheitliche demokratische Grundordnung laut Gesetz nicht nur schulterzuckend hinnehmen, sondern aktiv dafür eintreten, dass Prinzipien wie Menschenwürde, Rechtsstaat und Demokratie erhalten bleiben. Der Bund und die Länder sollten sich deshalb dringend auf einheitliche Maßstäbe und Verfahren für Disziplinarverfahren einigen.
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LTO/ali/chr
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Die juristische Presseschau vom 6. Mai 2025: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57126 (abgerufen am: 24.05.2025 )
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