Lohnt sich für Politiker:innen die Missachtung von Gerichtsurteilen? Das AG Berlin-Tiergarten verurteilte Mustafa A. zu einer Freiheitsstrafe. Der BFH entschied, dass Umzugskosten wegen eines Arbeitszimmers nicht steuerlich absetzbar sind.
Thema des Tages
Rechtsungehorsam: Besorgt beobachtet Wolfgang Janisch (Di-SZ), dass in jüngster Zeit "mancher Politiker Gesetze und Urteile offenbar eher für unverbindliche Handlungsempfehlungen hält" – nicht nur, aber auch in Deutschland. Das Muster sei dabei immer dasselbe: Normen und Urteile würden als geradezu undemokratisch abgetan, weil sie einem behaupteten Volkswillen im Weg stünden. Als ein Beispiel wird u.a. die Forderung der CDU/CSU nach Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze genannt, die nach der hM. klar im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehe. Um Gerichtsentscheidungen besser als bisher durchsetzen zu können, will der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) das Zwangsgeld gegen staatliche Körperschaften von 10.000 Euro auf bis zu 250.000 Euro erhöhen und über Zwangshaft für Amtsträger:innen nachdenken. Dies wird allerdings vom Autor als wenig erfolgversprechend eingeschätzt. "Denn in der Welt der Politik ist die härteste Sanktion nicht das Zwangsgeld, sondern der Absturz bei Wahlen und Umfragen. Bleibt dieser aus, kann sich Renitenz lohnen." Wer den Preis für den staatlichen Rechtsungehorsam erhöhen wolle, werde also eher dort ansetzen müssen, wo man die Reputation der Renitenten treffen könne. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte nach dem Vorbild des Bundesverfassungsgerichts sei erfolgversprechender. "Wie stark die Autorität des Gerichts inzwischen ist, ließ sich zuletzt 2023 besichtigen. Als es den 60 Milliarden Euro schweren Klima- und Transformationsfonds kippte, ballten in Berlin viele Politiker die Faust in der Tasche. Zum Aufstand aufgerufen hat niemand."
Rechtspolitik
Meinungsfreiheit: In einem Gastbeitrag der Sa-FAZ warnt Rechtsprofessor Ralf Poscher, dass nicht nur in den USA durch die Trump-Administration, sondern auch in Deutschland versucht werde, bestimmte Meinungen mit dem Entzug und Ausschluss von staatlichen Zuwendungen zu sanktionieren. Hintergrund ist ein in Schleswig-Holstein geplantes Gesetz, das vorsieht, dass die Gewährung jeglicher staatlicher Zuwendung unter die Voraussetzung gestellt werden kann, "dass die zuständige Stelle nur Zuwendungsempfängerinnen oder Zuwendungsempfänger fördert, von denen bekannt ist oder bei denen offensichtlich ist, dass sie sich zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennen und gegen jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung stellen und jede Form von Antisemitismus ablehnen". "Von der Kieler könnte die Trump-Regierung lernen, sich nicht in Einzelmaßnahmen zu verzetteln, sondern politische Konformität flächendeckend einfach über eine Änderung des allgemeinen Haushaltsrechts zu erzwingen", kritisiert der Autor, der weitere Beispiele nennt.
Politikerbeleidigung: Der § 188 StGB sollte ersatzlos gestrichen werden, meint Dietmar Hipp (Spiegel) im Leitartikel. Zwar sei es wichtig, die Persönlichkeitsrechte von Politiker:innen zu schützen, damit Menschen sich trauen, sich für Staat und Gesellschaft einzusetzen. Die Fälle von Habeck ("Schwachkopf") und Faeser ("Ich hasse die Meinungsfreiheit") hätten in der Öffentlichkeit aber eher Unverständnis und Verunsicherung ausgelöst. Der Paragraf 188 werde damit zum Bumerang für den Rechtsstaat. Er erlaube der AfD und ihren Anhänger:innen, solche Fälle für ihre Systemkritik zu nutzen – und schade dem Ansehen der Justiz und unserer Demokratie, so Hipp.
Unternehmen: Für einen beck-aktuell-Gastbeitrag hat sich Rechtsanwalt Pius O. Dolzer die Vorhaben der künftigen Regierungskoalition im Gesellschaftsrecht angesehen. Als erfreulich bewertet er dabei zwar das Bekenntnis zur Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts, es sei aber, wie auch die weiteren Bestrebungen – keine echte Neuigkeit und bleibe vage sowie unbestimmt. Der Wille zur Entlastung im Hinblick auf die Pflichten der ESG-Rahmenwerke sei zu begrüßen. Doch bergen schon die Formulierungen des Koalitionsvertrags weitere Unklarheiten, die es zu vermeiden gelte, so Dolzer.
Staatsreform: Bei der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" müsse unbedingt auch die Dritte Gewalt mitgedacht werden, fordert die Präsidentin des Bundesgerichtshofes Bettina Limperg auf beck-aktuell. Es bedürfe dringend eines Perspektivwechsels: Bessere Gesetze, weniger Aktivismus, mehr Einbindung: Die Anhörung der Dritten Gewalt müsse deutlich früher und deutlich ernsthafter erfolgen als bisher und sie müsse vor die Klammer gezogen werden, um die konkrete Machbarkeit gerade im Verfahrensrecht rechtzeitig in den Blick zu nehmen, so Limperg.
Wehrpflicht: Rechtsprofessorin Kathrin Groh fasst im Verfassungsblog verschiedene Modelle für einen Wehrdienst und die derzeitige Debatte darum zusammen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch das grundrechtlich verbürgte Recht, den Dienst an der Waffe verweigern zu dürfen. Kernpunkt ihres Arguments ist dabei, dass das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Deutschland besonders stark ist und selbst in Krisenzeiten Bestand haben sollte. Sie fragt aber auch kritisch, ob dieses Recht angesichts wachsender Bedrohungen und der möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht weiter so umfassend erhalten bleiben kann.
Vergewaltigung: In Frankreich und Norwegen soll im Sexualstrafrecht das "Ja-heißt-Ja"-Prinzip eingeführt werden. Die Sa-taz (Lotte Laloire) erläutert den Debattenstand. Eine Regelung auf europäischer Ebene habe Deutschland bislang blockiert. Nicht ausgeschlossen sei es jedoch, dass die wachsende Zahl an Ländern, die ihr Sexualstrafrecht reformierten, den Druck erhöhe, den es in Deutschland brauche. Freiwilliges feministisches Handeln sei von der neuen Bundesregierung nicht zu erwarten.
AfD im Bundestag: Der Doktorand Simon Schlicksup meint im FAZ-Einspruch, dass rein rechtlich die übrigen Fraktionen der AfD im Parlament zwar die Kollegialität verweigern dürfen, verfassungspolitisch dennoch Zweifel an der Strategie angebracht seien. Der Autor beleuchtet die Praxis der "Brandmauer" gegen die AfD und die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Herausforderungen und argumentiert, dass die Ausgrenzung einer Partei durch eine parlamentarische Mehrheit langfristig problematisch sein könnte. Er plädiert für eine kluge Verfassungspolitik, die den Minderheitenschutz stärkt und demokratische Prinzipien wahrt.
SPD-Mitgliederbefragung: Auch tagesschau.de (Luis Bolte) befasst sich jetzt mit der Frage nach der rechtlichen Bewertung des SPD-Mitgliedervotums über den Koalitionsvertrag und erinnert dabei an die entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Ein solches Votum seit lediglich eine politische Empfehlung, so das BVerfG 2013 im Rahmen eines Eilverfahrens. Wie die einzelnen Abgeordneten der SPD bei der Kanzlerwahl abstimmen, könnten sie immer noch frei und selbstständig entscheiden. Fünf weitere Anträge wies das Gericht 2018 als "offensichtlich unbegründet" zurück.
Justiz
AG Berlin-Tiergarten zu Angriff auf jüdischen Studenten: Das Amtsgericht Tiergarten hat Mustafa A. zu drei Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung an dem jüdischen Studenten Lahav Shapira verurteilt und stellte dabei ein antisemitisches Tatmotiv als strafschärfenden Faktor fest. Die hohe Strafe solle nicht nur dem Ausmaß der Tat gerecht werden, sondern auch als abschreckendes Exempel dienen. Sa-FAZ (Marlene Grunert), beck-aktuell und LTO (Max Kolter) berichten.
Dieses Urteil könnte mehr zum Schutz des jüdischen Lebens beitragen als jede Resolution des Bundestages zu diesem Thema, kommentiert Thomas Jansen (Sa-FAZ). Jan Heidtmann (Sa-SZ) hinterfragt, ob das antisemitische Motiv des Täters zweifelsfrei nachgewiesen wurde und betont die Notwendigkeit, solche schwerwiegenden Vorwürfe präzise zu belegen — gerade in Zeiten steigenden Antisemitismus.
BFH zu Umzugskosten wg. Arbeitszimmer: Die Kosten eines Umzugs, der erfolgte, weil ein zusätzliches Arbeitszimmer benötigt wird, können nicht von der Steuer abgesetzt werden, hat der Bundesfinanzhof entschieden. Die Kosten für das Arbeitszimmer selbst können die Kläger zwar absetzen, bei den Kosten für den Umzug lehnte der BFH dies allerdings ab. Das Argument des klagenden Ehepaares, dass der Umzug ja beruflich veranlasst gewesen sei, weil er die Arbeitsbedingungen verbessere, überzeugte den BFH nicht. LTO berichtet.
BGH zu korruptem Staatsanwalt: Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung des früheren Leiters der Zentralstelle zur Bekämpfung von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft Alexander Badle wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung bestätigt, berichten die Sa-FAZ (Elena Zompi) und LTO. Badle hatte gemeinsam mit einem befreundeten Unternehmer ein System etabliert, das ihm mehr als zwölf Jahre lang illegale zusätzliche Einnahmen sicherte. Mit der Rechtskraft des Urteils hat der frühere Oberstaatsanwalt nun auch seinen Beamtenstatus verloren.
BGH zu Tod von Hanna Wörndl : Nun berichtet auch LTO, dass der Bundesgerichtshof die Verurteilung von Sebastian T. wegen Mordes an der Studentin Hanna Wörndl aufgehoben hat. Erfolg hatte eine Verfahrensrüge. Bezüglich der Vorsitzenden Richterin habe die Besorgnis der Befangenheit bestanden, weil sie sich per Email mit der Staatsanwaltschaft über den Fall ausgetauscht hatte und die Verteidigung dies nur durch Zufall erfuhr. Außerdem hatte die Vorsitzende Richterin im Revisionsverfahren "unaufgefordert" eine Stellungnahme abgegeben und damit, so der BGH, "ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen" lassen.
Auch wenn jetzt ein neuer Prozess starte und Sebastian T. noch einmal die Chance bekomme, dass Richter überprüfen, was genau gegen ihn vorliege, sei bereits jetzt viel Schaden angerichtet worden, kommentiert Benedikt Warmbrunn (Sa-SZ). Schon jetzt sitze Sebastian T. zweieinhalb Jahre im Gefängnis und allen, die um Hanna Wörndl trauerten, sei Gewissheit nur vorgetäuscht worden. Dass die womöglich aussichtslose Suche nach der Wahrheit nun weitergehe, sei auch ein Versäumnis der Justiz, kritisiert Warmbrunn.
BAG zu Überstundenzuschlägen bei Teilzeit: Das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember entschieden, dass Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitkräfte nicht erst ab der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten greifen dürfen, sondern proportional berechnet werden müssen. Diese Regelung soll die Diskriminierung von Teilzeitkräften verhindern, könne jedoch unbeabsichtigt finanzielle Anreize für Teilzeitarbeit schaffen, wie Rechtsanwalt Friedrich Goecke im Expertenforum Arbeitsrecht erläutert. Unternehmen müssten Vergütungsmodelle anpassen, um sowohl Rechtskonformität als auch faire Anreize zu gewährleisten.
BFH zu Geldauflagen: Der Bundesfinanzhof hat, wie beck-aktuell (Joachin Jahn) berichtet, im Januar entschieden, dass Geldauflagen aus Strafverfahren nicht als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden können, es sei denn, sie dienen der Wiedergutmachung oder der Abschöpfung von Taterträgen. Konkret scheiterte ein Gewerbetreibender mit seiner Klage, eine Geldauflage von 25.000 Euro als nachträgliche Betriebsausgabe abzusetzen, da der BFH dies als Sanktion mit Strafcharakter einstufte. Eine Ausnahme wäre möglich gewesen, wenn die Zahlung explizit als Einziehung nach § 73 StGB formuliert worden wäre, doch das zuständige Strafgericht hatte dies nicht eindeutig festgelegt.
VGH Bayern zu Grenzkontrollen: Die Di-taz (Christian Rath) fasst die inzwischen vorgelegte Begründung zur Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Grenzkontrollen zusammen. Der VGH hatte Mitte März entschieden, dass die Kontrollen zwischen der Bundesrepublik und Österreich zumindest von Mai bis November 2022 illegal waren. Die Bundesregierung habe im April 2022 keine "neue ernsthafte Bedrohung" als Begründung für die Grenzkontrollen genannt, sondern die Gründe aus dem Oktober 2021 wiederholt und damit die damals bestehende zeitliche Obergrenze von sechs Monaten für Grenzkontrollen überschritten. Es habe auch keinen Grund gegeben, das EU-Recht zu ignorieren, so der VGH. Revision wurde wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen.
LG Hamburg zu Aussagen über Stefan Gelbhaar/SZ: Der Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar hat einen Rechtsstreit mit der Süddeutschen Zeitung überwiegend verloren. Es geht um Berichte über Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Gelbhaar, die sich später jedoch nicht bestätigten. Das Hamburger Landgericht wies jetzt seinen Antrag auf einstweilige Verfügung in 15 von 17 Punkten zurück, zwei Darstellungen in dem Artikel muss die SZ verändern oder unterlassen. Gelbhaar will gegen den Beschluss Beschwerde einlegen. Die Sa-FAZ (Michael Hanfeld) berichtet.
LG Frankfurt/M. zu Gewalt im Remmo-Clan: Das Landgericht Frankfurt hat drei Mitglieder des Remmo-Clans zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil nach Überzeugung des Gerichtes die zwei Brüder und ihre Schwester den Noch-Ehemann der Angeklagten im September 2023 in der Wohnung der Frau festgehalten, ihn zusammengeschlagen und mittels des sogenannten Waterboardings gefoltert hatten. Das Opfer wollte im Prozess nicht aussagen, wie die Sa-FAZ berichtet.
LG Kempten zu Haftung für Gülletransport: Nachdem ein Teil der von einem Traktor transportierten Gülle nicht wie gewollt auf einem Feld, sondern im Pool einer Ferienanlage landete, verurteilte das Landgericht Kempten jetzt laut LTO den Halter des Fahrzeugs zum Schadensersatz. Der Allgäuer Landwirt muss für die Reinigungskosten und die Schäden von etwa 15.000 Euro aufkommen. Auf ein Verschulden sei es dabei nicht angekommen, so das Gericht, denn es habe sich um einen Fall der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz gehandelt.
AG Frankfurt/M. zum Einzug von Streaming-Erträgen: Dass bei beleidigenden Songs auch Streaming-Erträge eingezogen werden können, hat jetzt das Landgericht Frankfurt/M. entschieden und gegen den Rapper "SchwrzVyce" die Einziehung von 600 Euro angeordnet. Er war, wie beck-aktuell und LTO berichten, für eines seiner Musikvideos rappend mit einer AfD-Fahne durch Frankfurt gelaufen und hatte dabei zwei Mitglieder der damaligen Bundesregierung als "Stricher" bzw. "Fotze" beleidigt. Das Amtsgericht verurteilte ihn deshalb bereits im vergangenen August gem. § 185 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen.
AG Bamberg zu Politikerverleumdung/Faeser: Im Interview mit beck-aktuell (Maximilian Amos) erläutert Rechtsprofessor Armin Engländer, warum seiner Ansicht nach die Bewährungsstrafe wegen Verleumdung von Innenministerin Nancy Faeser an der Realität vorbei gehe. Auch er halte die Vorstellung für abwegig, jemand könne den Inhalt des Memes ("Ich hasse die Meinungsfreiheit") ernst nehmen. Aus dem verobjektivierten Empfängerhorizont scheine klar zu sein: Niemand würde auf die Idee kommen, dass Faeser tatsächlich eine solche Äußerung getätigt habe, so der Autor, der auch die Bewährungsauflage – der Täter soll sich bei der Politikerin entschuldigen – skeptisch sieht.
AfD-Klagen: Die Di-SZ (Robert Probst) stellt das Buch "Stresstest AfD" des Journalisten Joachim Wagner vor. Keine Partei habe die Gerichte bisher so belastet wie die AfD. Wagner kommt zum Schluss: "Wehrhafter Rechtsstaat und Justiz haben den Stresstest AfD im Großen und Ganzen bestanden." Die Justiz habe sich bisher nicht als "Hebel zum Machtgewinn" missbrauchen lassen.
Recht in der Welt
USA – Schutz für Richter:innen: Die US-Bundesgerichte fordern laut zeit.de mehr finanzielle Mittel für den Schutz von Richterinnen und Richtern, da die Zahl der Drohungen gegen sie zugenommen habe, besonders im Zusammenhang mit Klagen gegen die Regierung von Donald Trump. In mehreren Fällen mussten Behörden außerordentliche Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Betroffenen und ihrer Familien zu gewährleisten.
USA – Harvey Weinstein: Valérie Catil (Sa-taz) kommentiert die Wiederaufnahme des Vergewaltigungsprozesses gegen den früheren Filmproduzenten Harvey Weinstein. 2020 war er von einer New Yorker Jury vom Vorwurf der Vergewaltigung ersten Grades freigesprochen, die ihm die Schauspielerin Jessica Mann vorwarf. Er wurde letztendlich "nur" wegen einer Vergewaltigung dritten Grades verurteilt. Die Autorin erläutert die Unterscheidung, bei der es im Wesentlichen um die Frage geht, ob Gewalt angewendet wurde. Sie meint, dass in der Rechtsprache übersehen werde, "dass es keine Penetration gegen den Willen einer Person ohne Gewalt geben kann". Sicher sei eine Abstufung notwendig, die es erlaube, manche Vergewaltigungen schlimmer als andere zu kategorisieren – solange man keinen Denkfehler begeht und glaubt, eine Vergewaltigung dritten Grades sei gewaltfrei.
USA – Versicherungen: Über die Strategie amerikanischer Versicherer "Delay, Deny, Defend", die im Zusammenhang mit der Tötung des CEO des größten US-amerikanischen Krankenversicherers United Healthcare oft thematisiert wurde, schreibt Rechtsanwalt Andreas Grözinger in einem LTO-Gastbeitrag. Dieses Motto sei in den USA längst zum Sinnbild einer fragwürdigen Praxis mancher Versicherer geworden, Leistungsansprüche von Versicherungsnehmern selbst dann zu bestreiten, wenn sie offensichtlich berechtigt sind, Deckungszusagen hinauszuzögern, Klagen zu provozieren – und schließlich mit aller Härte zu prozessieren. Nach deutschen Recht könne das vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Eingehungsbetrug sogar strafrechtlich relevant sein und deshalb auch ein Compliance-Risiko bergen, so der Hinweis des Autors.
USA – Zölle: Der US-Bundesstaat Kalifornien klagt gegen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Einfuhrzölle. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom und Generalstaatsanwalt Rob Bonta argumentieren, dass der Präsident mit der Einführung der neuen Zölle seine verfassungsmäßigen Befugnisse überschreite, berichtet LTO.
USA - Krypto-König Do Kwon: Rechtsanwalt Sebastian Brill blickt auf LTO zurück auf die bisherige Strafverfolgung gegen Do Kwon, Gründer von Terraform Labs, der nach dem Zusammenbruch seines Unternehmens und einem Verlust von 45 Milliarden Dollar, international gesucht und schließlich 2023 in Montenegro wegen gefälschter Pässe festgenommen wurde. Seine Auslieferung war Gegenstand eines juristischen und politischen Tauziehens zwischen den USA, Südkorea und Singapur, wobei schließlich die USA den Zuschlag erhielten. Im Dezember 2024 wurde Do Kwon medienwirksam an die US-Strafverfolgungsbehörden übergeben, wo ihm ein langwieriger Prozess droht.
Belgien – Wettbewerbskontrolle: Der Doktorand William Wulff berichtet auf dem Jean Monnet Saar-Blog (in englischer Sprache) über den Vorschlag der belgischen Wettbewerbsbehörde (BCA), ein nationales "Call-in"-Instrument einzuführen, um Fusionen unterhalb der klassischen Schwellenwerte besser prüfen zu können und potenziell wettbewerbsgefährdende Übernahmen – insbesondere "Killer Acquisitions" – gezielter zu erfassen. Mehrere EU-Staaten haben bereits ähnliche Mechanismen eingeführt oder planen deren Umsetzung, um Wettbewerbsverstöße effektiver zu verhindern.
Juristische Ausbildung
Nachwuchswerbung der Großkanzleien: Die Sa-FAZ (Annabelle Richter) berichtet über die Strategien der Großkanzleien zur Nachwuchsgewinnung an Universitäten. Viele Kanzleien locken Jurastudenten mit Praktikumsprogrammen und Kontakten. So biete beispielsweise die Kanzlei Linklaters seit 2006 Studenten ab dem zweiten Semester ein strukturiertes sechswöchiges Praktikum an. Ausgewählte Studenten:innen hätten zudem die Möglichkeit, an einem zehntägigen Programm in London teilzunehmen. Nach dem Praktikum lade die Kanzlei Studenten:innen weiterhin zu Alumni-Veranstaltungen und Networking-Dinners ein.
Sonstiges
Justizmitarbeiter:innen: LTO-Karriere (Lena Donay) erklärt, welche beruflichen Möglichkeiten es in der Justizverwaltung gibt und welche Wege dorthin führen.
CCO Hanno Kunkel: In der Reihe "most wanted" stellt LTO (Stefan Schmidbauer) im Interview Hanno Kunkel, Chief Compliance Officer bei Siemens, vor. Er berichtet u.a. über seine Entscheidung, aus einer Großkanzlei auszusteigen und darüber, welche Überlegungen ihn zum Jurastudium gebracht hatten.
Rechtsgeschichte – Zeugen Jehovas und NS: Martin Rath erinnert auf LTO an die Verfolgung der Zeugen Jehovas während der NS-Zeit und die Schwierigkeiten einer juristischen Aufarbeitung dieser Verfolgung nach Kriegsende.
Das Letzte zum Schluss
Oster-Eier: Juristische Skurrilitäten rund um Ostern hat sich beck-aktuell (Jannina Schäffer) angeschaut. Sie ist u.a. auf den Rechtsstreit um den Eierlikör-Werbeslogan "Ei, Ei, Ei" und auf andere Auseinandersetzungen um Eier und Hühner gestoßen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/pf/chr
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Die juristische Presseschau vom 18. bis 22. April 2025: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57036 (abgerufen am: 21.05.2025 )
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