Die juristische Presseschau vom 3. Januar 2025: Bror­hilker warnt vor wei­terem Steu­er­be­trug / CSU gegen "Sil­vester-Chaoten" / BGH zu Reichs­bürger Ingo K.

03.01.2025

Ex-Staatsanwältin Brorhilker fordert mehr Konsequenz gegen Cum-Ex-Manipulationen. Politiker:innen fordern Verschärfungen nach gefährlichem Silvester. BGH sieht staatsfeindliche Motivation von Reichsbürger:innen als niedrigen Beweggrund.

Thema des Tages

Cum-Ex: Anne Brorhilker, ehemalige Oberstaatsanwältin und jetztige Geschäftsführerin der NGO "Finanzwende", warnt, dass es in Deutschland trotz der 2012 nachgebesserten Regelungen weiterhin zu cum-ex-artigem Steuerbetrug komme. "Die Täter müssen die Deals vielleicht etwas anders abwickeln, möglich sind sie aber definitiv immer noch." Ein Problem sei, dass die Banken ihre Informationen nicht auf Servern in Deutschland speichern müssen und Ermittlungsbehörden damit keinen Zugriff auf diese hätten. Zudem fehle eine zentrale Behörde zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität nach österreichischem Vorbild. Die neue Bundesregierung müsse die Aufklärung von Cum-Ex- und Cum-Cum-Manipulationen zur Chefsache machen, viele Fälle werden sonst verjähren und Steuergelder in Milliardenhöhe verloren sein. Es berichten LTO und beck-aktuell.

Rechtspolitik

Feuerwerk/Angriffe auf Polizist:innen: Nachdem an Silvester fünf Männer durch unsachgemäßen Gebrauch von Feuerwerkskörpern starben, stellt bild.de (Nikolaus Harbusch/Felix Rupprecht) Forderungen zum Umgang mit "Silvester-Chaoten" zusammen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte “maximale Härte”: “Täter identifizieren, ergreifen, sofort verurteilen und hart bestrafen.“ Dafür brauche es “mehr Videoüberwachung und die automatisierte Personenerkennung”. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: ”Wir wollen, dass künftig gilt: bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe, wenn Polizisten, Sanitäter oder Ärzte in gefährliche Hinterhalte gelockt werden." 

AfD-Verbot: Heribert Prantl (SZ) fordert in seiner Kolumne eine “Entgiftung” der Gesellschaft, insbesondere müsse ein Antrag auf ein AfD-Verbot noch vor der Bundestagswahl gestellt werden, “weil es eine Pflicht der Demokraten gibt, die Demokratie im Notfall mit den in der Verfassung vorgesehenen Mitteln zu verteidigen. Der Notfall liegt vor.”

Justiz

BGH zu Reichsbürger Ingo K.: Bei den Schüssen des Reichsbürgers Ingo K. auf Polizist:innen im Jahr 2022 handelte es sich um versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen. Der Bundesgerichtshof bestätigte Ende November das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, das K. zu 14 Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt hatte, und verwarf damit die Revision des Angeklagten. Die staatsfeindliche Motivation des zuvor auf einem abgeschotteten Bauernhof lebenden Mannes falle unter die sonstigen niedrigen Beweggründe des § 211 StGB. Damit bestätigte der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu Gewalttaten von Reichsbürgern. beck-aktuell berichtet. 

EGMR 2024: Sechs wichtige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus 2024 stellt LTO (Franziska Kring) vor. So setzten die Schweizer Klimaseniorinnen eine Staatenpflicht zum Klimaschutz durch. Russland wurde für Menschenrechtsverletzungen bei der Annexion der Krim 2014 verurteilt. Die Abschiebung eines Flüchtlings von Deutschland nach Griechenland verstieß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung.

BVerfG zu Zwangsbehandlung von Betreuten: Auf dem Verfassungsblog befasst sich nun auch Tanja Henking, Professorin für Gesundheits- und Medizinrecht, eingehend mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Krankenhausvorbehalt bei medizinischen Zwangsbehandlungen von Ende November. Darin hatten die Karlsruher Richter:innen die Regelung, wonach medizinisch erforderliche Zwangsmaßnahmen bei Betreuten in jedem Fall in einem Krankenhaus durchgeführt werden müssen, für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2026 zur Neuregelung eingeräumt. Das Urteil, so Henking, gehe an dem Problem jedoch vorbei und füge dem klaren Konzept des Gesetzgebers eine Schwachstelle hinzu.

VG Wiesbaden zu Personalausweis mit Fingerabdrücken: Die Speicherung von Fingerabdrücken auf dem Chip des Personalausweises verstößt nicht gegen die datenschutzrechtlichen Grundrechte der betroffenen Person und ist daher rechtmäßig. Das entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden. Auch der zwischenzeitlich angerufene Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die Fingerabdruckspeicherung als grundsätzlich mit den EU-Grundrechten vereinbar erklärt, die der Regelung im Personalausweisgesetz zugrundeliegende EU-Verordnung wegen eines Fehlers im Gesetzgebungsverfahrens jedoch als formal ungültig eingestuft. Die Verordnung gelte aber bis zum Erlass einer neuen Verordnung fort. beck-aktuell berichtet.

VG Regensburg zu Einbürgerung/Existenzrecht Israels: In einem Beitrag auf dem Verfassungsblog kritisiert Florian Meinel, Professor für vergleichendes Staatsrecht und politische Wissenschaften, das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg zur Anerkennung des Existenzrechts Israels als Voraussetzung für eine Einbürgerung als “Fehlurteil”. Die zuständige bayerische Behörde habe die Einbürgerung aufgrund von inkompetenten Fragen abgelehnt. Das Staatsangehörigkeitsgesetz sei zudem gegen seinen Wortlaut ausgelegt worden, indem statt der Anerkennung jüdischen Lebens die Anerkennung des Existenzrechts Israels gefordert wurde. 

Tönnies vs. NRW: Der Tönnies-Konzern und das Land Nordrhein-Westfalen haben ihren Streit um Entschädigungszahlungen beigelegt. Der Vergleich sieht vor, dass NRW 3,2 Millionen Euro für soziale Projekte zugunsten von "Beschäftigten in schwierigen Arbeits- und Lebenssituationen" zahlt und der Fleischkonzern im Gegenzug alle Klagen gegen Land, Städte und Kreise fallen lässt. Im Sommer 2020 war ein Schlachthof des Fleischkonzerns wegen zahlreicher Corona-Infektionen vorübergehend geschlossen und die Wiedereröffnung mit zusätzlichen Auflagen verbunden worden. Tönnies verlangte hierfür Schadensersatz und Erstattung der Lohnfortzahlung. Laut Ministerium waren in diesem Zusammenhang noch mehr als 1.000 Gerichtsverfahren anhängig, wie beck-aktuell schreibt.

Düsseldorfer Tabelle: Aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes von 250 Euro auf 255 Euro ab 2025 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die "Zahlbetragstabelle" neu gefasst und das Berechnungsbeispiel zu Anmerkung C. (Mangelfälle) angepasst. Die aktualisierte Düsseldorfer Tabelle für 2025 ist nun auf der Internetseite des OLG verfügbar, so beck-aktuell.

Recht in der Welt

Ungarn – Rechtsstaatlichkeit: Nun berichten SZ (Verena Mayer/Hubert Wetzel) und LTO vertieft, dass Ungarn – als erstes Land in der EU – den Anspruch auf EU-Hilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit verloren hat. Die Gelder waren 2022 eingefroren worden. Für die Freigabe des Geldes hätte die ungarische Regierung bis Ende 2024 Reformauflagen – wie die Änderungen von Gesetzen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Korruptionsbekämpfung – umsetzen müssen, was aber nicht geschah. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán sieht hierhin politische Willkür und hofft, die Haushaltslücke durch Kredite aus China zu füllen.  

Auch wenn die EU-Zuschüsse für das Bruttoinlandsprodukt von Ungarn nicht existenziell sind, sei diese Maßnahme gerechtfertigt, meint Hubert Wetzel (SZ) in einem gesonderten Kommentar. Wenn Orbán korrupt sein wolle, dann wenigstens nicht mit dem Geld anderer Menschen.

EGMR/Rumänien – Präsidentenwahl: Der rechtsextreme und russlandfreundliche Politiker Calin Georgescu hat gegen die Annullierung der ersten Runde der Präsidentenwahl in Rumänien beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage eingereicht. Der Rechtsextremist hatte beim Wahlgang Ende November überraschend den ersten Platz erreicht. Weil der gesamte Wahlprozess aber irregulär abgelaufen sei, hatte das rumänische Verfassungsgericht im Anschluss die Wahl annulliert. Es berichtet die SZ.

USA – Guantánamo: Eine Schließung des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba ist nicht absehbar. 16 Jahre nachdem der damalige US-Präsident Barack Obama versprochen hatte, das wegen Folter und unmenschlichen Haftbedingungen bekannte Lager zu schließen, befinden sich dort immer noch 26 Gefangene, 14 davon sind schon lange zur Freilassung freigegeben. Wie die taz (Bernd Pickert) berichtet, scheitert die Freilassung häufig an einer Einigung mit den Herkunftsstaate der Insassen oder sonstigen Aufnahmestaaten. Anlass des Berichts ist die Überstellung des Tunesiers Ridah Bin Saleh al Yazidi, der 23 Jahre ohne Anklage in Guantánamo verbrachte, an Tunesien.

Sonstiges

Musks Wahlwerbung: Nach der Wahlwerbung von Elon Musk für die AfD über seinen Kurznachrichtendienst X wird diskutiert, wie die EU gegen Musk als Chef von X vorgehen soll. Zur Bekämpfung der Verbreitung von Desinformation und Hass im Netz hatte die EU die Verordnung Digital Services Act (DSA) beschlossen. Der DSA bietet jedoch nur dann eine Handhabe, wenn Desinformation oder Hass zur Wahlbeeinflussung verbreitet werden. Meinungsäußerungen fallen laut EU-Kommission nicht darunter. Es berichtet die FAZ (Hendrik Kafsack).

Französische Anwältin: Im Interview mit LTO (Franziska Kring) erzählt die französische Anwältin Louise Freund von den Unterschieden im Arbeitsleben in Frankreich und Deutschland. Außerdem schildert sie, wie sie Familie und Großkanzlei unter einen Hut bekommt und rät, dass es sich lohne, auch einfach mal zu fragen, wenn man etwas möchte.


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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/ali/chr

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. Januar 2025: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56247 (abgerufen am: 15.01.2025 )

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