US-Präsident Joe Biden begnadigte seinen Sohn Hunter Biden. Vor dem IGH nahmen u.a. Vanuatu und Deutschland Stellung zu völkerrechtlichen Klimaschutz-Pflichten. Ein Berufungsgericht in Brüssel verurteilte Belgien wegen Verbrechen im Kongo.
Thema des Tages
USA – Hunter Biden: Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat nun doch seinen wegen Waffen- und Steuervergehen verurteilten Sohn Hunter Biden begnadigt. Sein Sohn sei von der Justiz "ungerecht" behandelt worden, er sei nur herausgepickt worden, weil er sein Sohn sei. Zuvor hatte Biden stets versichert, seinen Sohn nicht zu begnadigen. Hunter Biden war einerseits verurteilt worden, weil er bei einem Waffenkauf seine Drogenabhängigkeit verschwieg, und andererseits, weil er mehrere Jahre lang keine Steuern zahlte. Die Strafmaße sollten am 4. bzw. 16. Dezember verkündet werden. US-Präsidenten haben laut Verfassung weitreichende Begnadigungsbefugnisse bei Verurteilungen durch Bundesgerichte. Der designierte US-Präsident Donald Trump kritisierte das Vorgehen dennoch als "Missbrauch und Scheitern der Justiz". Es berichten SZ (Peter Burghardt), FAZ (Majid Sattar), LTO und beck-aktuell.
Andreas Ross (FAZ) meint, Biden habe mit der Begnadigung ein Versprechen an die Wähler:innen gebrochen und Trump bei dessen Kampf gegen die Justiz eine Vorlage geliefert. Denn die Begründung der politischen Verfolgung sei dieselbe, die auch Trump in Prozessen gegen sich selbst und nahe Verbündete nutze. Ähnlich sieht es Peter Burghardt (SZ). Menschlich mag die Gnade aufgrund von Bidens Familiengeschichte verständlich sein, der Rechtsprechung die Unabhängigkeit abzusprechen, sei jedoch ein fataler Fehler und erinnere an Trumps Gerede von der juristischen Hexenjagd. In einem Pro- und Contra kritisiert auch Bernd Pickert (taz) die Begnadigung, während Ambros Waibel (taz) argumentiert, dass es kein nachhaltiger Fehler sei, sondern "geradezu eine Wohltat, dass Joe Biden sich nicht um sein persönliches Renomee schert", wenn er seinen Sohn vor den "erwartbaren Verfolgungen eines sich etablierenden Unrechtsstaates schützt".
Rechtspolitik
Gewaltschutz: Das Bundesjustizministerium - inzwischen unter der Leitung von Volker Wissing (parteilos) - hat einen Entwurf zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) vorgelegt. Familiengerichte sollen künftig die Aufenthaltsüberwachung mittels elektronischer Fußfessel anordnen können, um die Einhaltung einer Gewaltschutzanordnung zu kontrollieren. Zudem sollen Täter zur Teilnahme an sozialen Trainingskursen verpflichtet werden können. Wissings Vorgänger Marco Buschmann (FDP) hatte die Einführung der elektronischen Fußfessel im Gewaltschutzgesetz im Juli noch abgelehnt, obwohl die Justizministerkonferenz dies gefordert hatte. beck-aktuell berichtet.
AfD-Verbot: Dietmar Hipp (spiegel.de) schlägt vor, dass nun die rot-grüne Bundesregierung ein AfD-Verbot beantragt, zumindest ein Verbot der radikalsten Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden. Die Bundesregierung sei auch ohne Mehrheit im Bundestags handlungsfähig. Der Autor warnt, "wenn sie es nicht tut, dann wird sie einst vor der Geschichte auch die möglichen Folgen dieses Verzichts verantworten müssen."
BVerfG-Richterwahl: Der von der CDU/CSU als Verfassungsrichter vorgeschlagene BVerwG-Richter Robert Seegmüller wird sich in dieser Woche bei den anderen Fraktionen im Bundestag vorstellen. Aus diesem Anlass wird Seegmüller nun auch von LTO (Christian Rath) portraitiert. Seegmüller ist die erste BVerfG-Personalie, bei der der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz federführend für die Fraktion einen Vorschlag machen kann. Seegmüller hatte sich bisher dafür eingesetzt, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weniger Vorgaben macht, etwa bei der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
Ex-Justizminister Buschmann: Nachdem Marco Buschmann zum neuen FDP-Generalsekretär designiert wurde, zieht die FAZ (Marlene Grunert) auch eine Bilanz seiner Zeit als Justizminister. Zu seinen Erfolgen zählt sie: "die Beendigung der Corona-Maßnahmen, die Reform der Ersatzfreiheitsstrafe und eine Reihe gesellschaftspolitischer Reformen. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine rief Buschmann ein Treffen der G-7-Justizminister ins Leben. Die Bundesanwaltschaft stärkte er mit zwei neuen Referaten zur Ermittlung von Kriegsverbrechen." Die große Familienrechtsreform konnte er dagegen nicht mehr zu Ende bringen. Im Ministerium sei er geschätzt worden, teilweise habe man ihn aber auch mehr als FDP-Mann denn als Minister wahrgenommen.
Justiz
IGH - Klimaschutz: Vor dem Internationalen Gerichtshof haben die Anhörungen zu einem Rechtsgutachten begonnen, das von der UN-Generalversammlung in Auftrag gegeben worden war. Der IGH muss die Frage klären, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz die Staaten treffen und ob bei Verstößen Schadensersatz geleistet werden muss. Das erste Wort hatte der Inselstaat Vanuatu. Er argumentierte, dass die Staaten, die mit dem Ausstoß von Treibhausgasen für die Folgen des Klimawandels verantwortlich seien, nicht nur gegen den Grundsatz der Vermeidung erheblicher Umweltschäden verstießen, sondern u.a. auch gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und verschiedene Menschenrechte. Deutschland warnte dagegen, die Menschenrechtsverträge in globale Klimaschutzverträge umzuinterpretieren. Noch bis zum 13. Dezember werden die 98 teilnehmenden Staaten und 12 Organisationen ihre Argumente vortragen. LTO (Franziska Kring) berichtet.
BGH zu Luftaufnahmen der Schumacher-Villa: Die Veröffentlichung von Luftaufnahmen der Villa der Familie des verunglückten Formel-1-Fahrers Michael Schumacher auf Mallorca ist keine Verletzung ihrer Privatsphäre. Das entschied der Bundesgerichtshof Anfang November und gab damit der Revision des Burda-Verlags statt. Zwar liege ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, der Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig, da die Aufnahmen und der Text keine Rückschlüsse auf die Lage des Anwesens zulassen, dessen Auffindbarkeit also auch nicht erleichtern. Es berichtet beck-aktuell.
BAG zu Pflege-Impfpflicht: Im Expertenforum Arbeitsrecht diskutieren Kimberly Makino und Marcel Dervishi, Anwältin und wissenschaftlicher Mitarbeiter, ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Juni 2024 zum einrichtungsbezogenen Impfnachweis. Danach konnten medizinische und pflegerische Einrichtungen auf der Grundlage ihres Weisungsrechts nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) von ihren Arbeitnehmer:innen einen Corona-Immunitätsnachweis verlangen und sie bei dessen Nichtvorlage ohne Lohnausgleich freistellen. Allerdings berechtigte die Nichtvorlage wegen der fehlenden Verhältnismäßigkeit nicht zu einer Abmahnung. Dies wirke zunächst widersprüchlich, die Heranziehung des Gesetzeszwecks von § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) a.F. überzeuge aber, so die Autor:innen.
OLG Oldenburg zu Vermieter-Haftung: Macht ein Gegenstand bei Übergabe einer Ferienwohnung einen gut erhaltenen Eindruck und ist gebrauchsfähig, ist die Vermieterin nicht verpflichtet, den Gegenstand nach etwa vorhandenen kleinsten Beschädigungen an versteckter Stelle hin zu untersuchen. Das entschied das Oberlandesgericht Oldenburg und wies damit eine Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage auch zweitinstanzlich ab. Geklagt hatte eine Familie, deren Kind sich stark verbrühte, als bei Gebrauch der in der Ferienwohnung vorhandenen Kaffeekanne der Henkel der Kanne plötzlich abbrach. beck-aktuell und LTO berichten.
LG Dortmund – tödlicher Polizeieinsatz gegen Mouhamed Dramé: Im Verfahren um den in Dortmund von der Polizei mit mehreren Schüssen getöteten 16-jährigen Mouhamed Dramé plädierte die Staatsanwaltschaft nun für vier der angeklagten Polizeibeamt:innen auf Freispruch, auch für den Todesschützen. Lediglich für den Einsatzleiter Thorsten H. beantragte sie wegen Verleitung seiner Untergebenen zur fahrlässigen Tötung und zur gefährlichen Körperverletzung zehn Monate Haft auf Bewährung. Die vier Polizeibeamt:innen seien einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterlegen und hätten geglaubt, dass sie in Notwehr handeln. Sie seien irrtümlich davon ausgegangen, der 16-Jährige greife sie an, nachdem sie ihn auf Anweisung des Einsatzleiters mit Pfefferspray attackiert hatten. Dabei war die Polizei gerufen worden, weil Dramé akut suizidgefährdet war – was dem Einsatzleiter auch bekannt war. Es berichten SZ (Christian Wernicke), taz (Andreas Wyputta) und spiegel.de.
LG Essen zu Tötung ukrainischer Basketballer: Wegen heimtückischem Mord aus niedrigen Beweggründen hat das Landgericht Essen zwei deutsche Jugendliche zwischen 15 und 16 Jahren als Haupttäter und zwei 14- und 15-jährige syrische Jugendliche als Beteiligte zu langjährigen Jugendstrafen verurteilt. Die vier zur Tatzeit Minderjährigen haben im Februar diesen Jahres die beiden ukrainischen Nachwuchsbasketballer Volodymyr Yermakov und Artem Kozachenko anlasslos mit Schlagstöcken und Messer angegriffen und getötet. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. FAZ und spiegel.de berichten.
LG Hamburg zu Impfschäden: Das Landgericht Hamburg hat eine weitere Klage gegen den Corona-Impfstoffhersteller Biontech abgewiesen. Die im Prozess vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien nicht ausreichend, um nachzuweisen, dass der Wirkstoff geeignet ist. die von der Klägerin beschriebenen Impfschäden auszulösen. Wie die SZ und die FAZ berichten, forderte die Hamburger Medizinerin von Biontech wegen Impfschäden wie Schmerzen im Oberkörper ein Schmerzensgeld von mindestens 150.000 Euro.
AGH Berlin zur Berufung per Fax: Nun berichtet auch LTO über eine Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Berlin aus dem September. Danach müssen Anwält:innen zur Einreichung von Schriftsätzen stets das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nutzen; dies gilt auch in anwaltsgerichtlichen Verfahren, in denen sie selbst Betroffene sind.
Recht in der Welt
Belgien – Entziehung von Kindern im Kongo: Belgien muss fünf Frauen, die während der belgischen Kolonialzeit in Kongo als Töchter kongolesischer Mütter und belgischer Väter geboren worden waren, entschädigen. Das entschied ein Brüsseler Berufungsgericht und korrigierte damit die erstinstanzliche Entscheidung. Die belgischen Kolonisatoren hatten die fünf Klägerinnen als Kinder ihren Familien entzogen und in Waisenhäuser verbracht. Damit habe sich Belgien wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar gemacht. Die Verbrechen seien nicht verjährt. Es berichtet die FAZ (Thomas Gutschker).
Iran – Kopftuch: Das Parlament in Teheran soll demnächst ein neues weitgreifendes Kopftuchgesetz verabschieden. Danach droht Geschäften und Restaurants, deren Kundinnen die Kopftuchpflicht nicht beachten, die Schließung, Taxifahrern könnte die Fahrerlaubnis entzogen werden. Bisher geht der Gesetzgebungsprozess jedoch nur schleppend voran. Unter anderem wird befürchtet, dass derart repressive Maßnahmen nur zu mehr Unmut in der Bevölkerung führen werden. FAZ (Friederike Böge) und beck-aktuell berichten.
Sonstiges
DAV-Vielfaltstag: Am vergangenen Wochenende fand der erste "Vielfaltstag" des Deutschen Anwaltvereins (DAV) statt. Wie beck-aktuell (Joachim Jahn) berichtet, wurde dort die Unterrepräsentation diverser Gruppen wie LGBTQ+, Menschen mit Migrationshintergrund oder ohne akademischen Hintergrund innerhalb der Anwaltschaft beleuchtet. Diskutiert wurde unter anderem, wie konservative Strukturen, mangelnde Vorbilder und fehlende Diversität Zugänge erschweren und Nachwuchs abschrecken, während vor allem auch Großkanzleien zunehmend Vielfalt fördern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Anwältin im Familienrecht: Auf LTO-Karriere erklärt die Referendarin Lena Donay die Facetten der anwaltlichen Tätigkeit im Familienrecht. Dies erfordere neben juristischer Expertise auch ausgeprägte Soft Skills wie Empathie und Verhandlungsgeschick, da die Fälle häufig emotional aufgeladen sind. Gerade auch deshalb sei es für beratende Rechtsanwält:innen wichtig, "Strategien zur Abgrenzung zu entwickeln", um eine gesunde Work-Life-Balance sichern zu können.
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LTO/ali/chr
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Die juristische Presseschau vom 3. Dezember 2024: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56015 (abgerufen am: 19.01.2025 )
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