Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. Dezember 2022: Geset­zes­pläne gegen Ext­re­misten / ESM-Ver­fas­sungs­klagen erfolglos / Schutz für US-"Ehe für alle"

12.12.2022

Die Bundesinnenministerin will mit dem Disziplinarrecht und im Waffenrecht besser gegen Extremisten vorgehen. Verfassungsklagen gegen Änderung des ESM-Vertrags waren erfolglos. US-Kongress beschloss Schutz für gleichgeschlechtliche Ehen.

Thema des Tages

Disziplinarrecht/Extremismus: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will das Beamtenrecht ändern, um extremistische Beamt:innen schneller als bisher aus dem Staatsdienst zu entfernen. Das Vorhaben wurde bereits seit einiger Zeit angekündigt, bekommt nun aber durch die Großrazzia im Reichsbürger-Milieu neue Dringlichkeit. Wenn Beamt:innen sich schwere Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen, sollen Behörden künftig den Rauswurf selbst verfügen können, statt wie bisher Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben zu müssen. Außerdem sollen Beamtinnen und Beamte, die wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurden, automatisch aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) berichtet über die Pläne. Bei bild.de (Nikolaus Harbusch/Elias Sedlmayr) kommen die Rechtswissenschaftler Ulrich Battis, Christian Hillgruber und Josef Franz Lindner zu Wort, die das Vorhaben kritisch sehen. Angesichts der Möglichkeit vorläufiger Dienstenthebung sehe er kein Bedürfnis für Schnellschüsse, meint beispielsweise Christian Hillgruber.

tagesschau.de (Ann-Kathrin Jeske) und zdf.de (Charlotte Greipl) erläutern die derzeitige Rechtslage für den Umgang mit extremistischen Beamt:innen beziehungsweise Richter:innen und widmen sich dabei auch beispielhaft den beiden früheren AfD-Abgeordneten Jens Maier und Birgit Malsack-Winkemann, die wieder in den Justizdienst zurückkehren wollten.

Eine Änderung des Disziplinarrechts sei dringend nötig, meint Helene Bubrowski (Mo-FAZ). Die Autorin fordert aber auch eine verpflichtende Sicherheitsüberprüfung für alle Anwärter:innen. Der Staat müsse Sorge dafür tragen, dass Staatsfeinde sich nicht in den Staatsdienst hineinschleichen können. Und dass sie, wenn sie auf verfassungsfeindliche Abwege geraten, wieder entfernt werden. Luisa Volkhausen (bild.de) befürchtet eine Beweislastumkehr, so dass künftig nicht mehr Schuld, sondern Unschuld des jeweiligen Beamten bewiesen werden müsste. Das sei eine Maßnahme, die einem unerhörten Generalverdacht gegen alle Beamt:innen gleichkomme – und am Ende ihr Ziel verfehlen werde.

Waffenrecht/Extremismus: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat in der BamS (Angelika Hellemann/Lydia Rosenfelder) eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt, um Reichsbürger "mit aller Konsequenz zu entwaffnen". Wie Mo-FAZ (Helene Bubrowski) und Mo-SZ (Roland Preuß) berichten, habe sich CDU und FDP bereits dagegen ausgesprochen. "Eine generelle Verschärfung des Waffenrechts wird es mit der FDP nicht geben", wird der FDP-Politiker Konstantin Kuhle zitiert. Der innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion Alexander Throm weist darauf hin, dass das deutsche Waffenrecht bereits heute eines der schärfsten der Welt sei. Entscheidend sei, das geltende Waffenrecht konsequent durchzusetzen.

Ronen Steinke (Mo-SZ) findet, es sei überfällig, dass die Waffenbehörden sich regelmäßig beim Verfassungsschutz informieren, ob gegen Waffenbesitzer:innen neue Erkenntnisse vorliegen. Backgrundchecks gebe es erst seit 2020 und diese auch nur beim Kauf und danach nie wieder.

BGH – Umsturzpläne: Laut LTO haben Ermittlungsrichter:innen des Bundesgerichtshofes nach der bundesweiten Razzia in der vergangenen Woche 23 Haftbefehle in Vollzug gesetzt. tagesschau.de (Kolja Schwartz/Frank Bräutigam) fassen zusammen, wie es jetzt mit ihnen und den weiteren Beschuldigten weitergeht.

Rechtspolitik

Staatsbürgerschaft: Bei der derzeitigen Diskussion um eine vereinfachte Einbürgerung müsse auch das Ausbürgerungsrecht in den Blick genommen werden, meint die Forschungsassistentin Maria Martha Gerdes im Verfassungsblog. Die bisherigen Regelungen zum Verlust der Staatsangehörigkeit offenbarten ein ihnen zugrundeliegendes objektives sowie ein getarnt-subjektives Exklusivitätsprinzip bei der Zuordnung von Menschen zu Staaten, das der unbedingten Akzeptanz von Mehrstaatigkeit entgegenstehe.

Einwanderung und Einbürgerung: Rechtsanwältin Aziza Yakhloufi hat sich auf dem Hbl-Rechtsboard das Eckpunktepapier zur Fachkräfteeinwanderung angeschaut und wirft dabei auch einen Blick auf die ebenfalls geplante Reform des Einbürgerungsrechts. Auch wenn Aufenthaltsrecht und Staatsbürgerschaftsrecht gesondert betrachtet werden müssten, könnten die Pläne der Bundesregierung zur beschleunigten Einbürgerung ein Herausstellungsmerkmal gegenüber anderen Ländern darstellen und Zuwanderungsentscheidungen insbesondere bei hochqualifizierten Arbeitnehmern positiv beeinflussen, meint die Autorin.

BVerfG-Richterwahl: Auch die FAZ (Marlene Grunert) berichtet jetzt über die designierten neuen Verfassungsrichter:innen. Auf Monika Hermanns soll die bisherige BGH-Richterin Rhona Fetzer folgen. Peter M. Huber soll durch den BGH-Richter Thomas Offenloch ersetzt werden und für Susanne Baer soll der Berliner Rechtsprofessor Martin Eifert kommen, der bereits als Nachfolger von Johannes Masing gehandelt wurde. Am heutigen Montag soll der Wahlausschuss des Bundestags zusammenkommen.

IT-Ausstattung der Justiz: Im Interview mit der WamS (Steffen Fründt) fordert der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes Sven Rebehn eine bessere IT-Ausstattung der Justiz, um große Wirtschaftsstrafsachen wie den aktuell laufenden Wirecard-Prozess effektiver bearbeiten zu können. Sichergestellte Datenvolumen im Petabyte-Bereich würden derzeit noch die Auswertekapazitäten vieler Ermittlungsbehörden sprengen. Auf der anderen Seite könnten spezialisierte Anwaltskanzleien häufig nicht nur mehr Personal hinzuziehen, sondern vor allem auf die beste IT zurückgreifen.

Justiz

BVerfG zum ESM: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits Mitte Oktober die Verfassungsbeschwerden von sieben FDP-Abgeordneten der vergangenen Legislaturperiode gegen die Zustimmungsgesetze zur Änderung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ("Euro-Rettungsfonds") und des Bankenabwicklungsfonds verworfen. Die Entscheidung wurde am Freitag veröffentlicht. Darin wird die Behauptung der Abgeordneten zurückgewiesen, die Neuregelung übertrage Hoheitsrechte und brauche deshalb die gem. Art 23 I 3 GG notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Die Abgeordneten hätten dies nicht einmal substantiiert vorgetragen, so dass ihre Klagen sogar als unzulässig eingestuft wurden. Der Beschluss des Zweiten Senats hatte dennoch einen Umfang von 69 Seiten. Es berichteten Sa-FAZ (Manfred Schäfers/Werner Mussler), Sa-BadZ (Christian Rath) und LTO (Chiara Prestin) .

Es sei schwer nachvollziehbar, warum das BVerfG anderthalb Jahre für die Entscheidung gebraucht habe, kommentiert Werner Mussler (Sa-FAZ). Mittlerweile sei die einstige Streifrage ohnehin fast gegenstandslos geworden, weil "der von den Banken finanzierte Abwicklungsfonds SRF heute gut gefüllt ist und kein Geld des ESM mehr braucht".

EuGH zu aggressiver Steuerplanung: Rechtsanwalt Martin W. Huff erläutert auf LTO eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu den Grenzen staatlicher Eingriffe in die anwaltliche Verschwiegenheit. Es geht um eine Meldepflicht für Rechtsanwälte und andere Beteiligte in Bezug auf "potentiell aggressive grenzüberschreitende  Steuerplanungen", die eine EU-Richtlinie seit 2018 vorsieht und die in einer belgischen Regelung umgesetzt wurde. Der belgische Verfassungsgerichtshof hatte den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren angerufen. In seinem Urteil vom Donnerstag habe der EuGH jetzt entschieden, so Huff, dass schon die reine Unterrichtungspflicht das Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verletzt, das durch Art. 7 der EU-Grundrechtecharta besonders geschützt ist.

BVerfG zu EU-Corona-Aufbaufonds: Rechtsprofessor Matthias Ruffert analysiert im Verfassungsblog die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der der EU-Corona-Wiederaufbaufonds gebilligt wurde und die, so Ruffert, "nur durch eine geradezu fühlbare Lockerung des Prüfungsmaßstabs zu erklären" sei. Thu Nguyen und Martijn van den Brink wundern sich in ihrem Beitrag, ebenfalls im Verfassungsblog (in englischer Sprache), dass das Gericht angesichts der geäußerten Bedenken die Frage nach der Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen nicht dem EuGH vorgelegt hat.

BAG zu betriebsbedingten Kündigungen: Ein höheres Alter kann im Rahmen der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht nur zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigt werden, sondern die Schutzbedürftigkeit auch mindern, wenn der Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses eine abschlagsfreie Rente beziehen kann. Insofern hätten die Betriebsparteien bei einer Sozialauswahl einen Wertungsspielraum, entschied das Bundesarbeitsgericht laut LTO.

BAG zur Arbeitszeiterfassung: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur Arbeitszeiterfassung und seine Folgen werden jetzt auch noch einmal von Rechtsprofessor Manfred Löwisch auf dem Hbl-Rechtsboard zusammengefasst. Weil auch nach dem Urteil das Arbeitszeiterfassungsrecht defizitär bleibe, liege der Ball nach wie vor im Feld des Gesetzgebers, so der Autor. Dieser müsse die zulässigen Formen des Erfassungssystems und deren Ausgestaltung vorgeben und dabei gegebenenfalls nach Betriebs- oder Unternehmensgrößen oder auch nach Branchen differenzieren.

OLG Düsseldorf – geplanter rechtsextremistischer Schulanschlag: Über den Prozessbeginn vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen einen rechtsextremistischen Jugendlichen, der im Frühjahr einen Terroranschlag auf sein eigenes Gymnasium geplant haben soll, berichtet die Sa-FAZ (Reiner Burger). Nur knapp sei Essen damals einem Blutbad entgangen, heißt es im Text. Der BGH hatte Jeremy R. in seinem im Spätsommer veröffentlichten Haftsachebeschluss "eine gefestigte rassistische Gesinnung" attestiert, er sei "massiv" gewaltbereit und habe sich über mehrere Jahre mit großem Aufwand auf die geplante Tat vorbereitet.

LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Die Sa-FAZ (Marcus Jung/Henning Peitsmeier) porträtiert einen der Verteidiger im vor dem Landgericht München I laufenden Wirecard-Prozess. Für den "Routinier" Alfred Dierlamm, der den Ex-Wirecardchef Markus Braun vertritt, sei dieser Fall eine große Herausforderung, was auch an dem mitangeklagten Oliver Bellenhaus liege, der sich den Behörden freiwillig gestellt hatte und nun Braun schwer belaste. Auch die WamS (Steffen Fründt) berichtete jetzt über den Prozessauftakt am Donnerstag.

VG Köln zu Aktionskunst: Die Bundeszentrale für politische Bildung durfte den Aktionskünstler und Leiter des Zentrums für politische Schönheit Philipp Ruch zwar von ihrem Bundeskongress 2019 ausladen, sich aber nicht negativ über dessen Werk äußern. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Ruch sollte damals auf einem Podium sprechen, wurde aber vorab von der Bundeszentrale mit der Begründung ausgeladen, dass gegen ihn Ermittlungen liefen, auf die man nicht "einwirken" wolle. Dem Künstler wurde später vorgeworfen, er würde mit den Aktionen des Zentrums für Politische Schönheit einer Spaltung der Gesellschaft Vorschub leisten. Diese Äußerung stufte das Verwaltungsgericht jetzt als rechtswidrig ein. Auch die Aktionskunst von Ruch sei durch die Kunstfreiheit geschützt und dürfe von einer Behörde nicht einfach negativ bewertet werden. Die Mo-taz (Christian Rath) berichtet.

AG Flensburg zu Klimaprotest: Kritisch hinterfragt der wissenschaftliche Mitarbeiter Rouven Diekjobst im Verfassungsblog eine Entscheidung des Amtsgerichtes Flensburg vom November, deren Entscheidungsgründe in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden und in der eine Baumbesetzung als durch eine Art "Klimanotstand" gerechtfertigt angesehen wurde. Zwar sei der Klimaschutz in der Tat ein notstandsfähiges Rechtsgut, der Schutz des einzelnen Baumes zu diesem Zweck sei aber nicht im strafrechtlichen Sinne geeignet. Im Übrigen sei nicht klar, weshalb es kein milderes Mittel gegeben habe – es hätte zumindest erläutert werden müssen, warum die konkret in Frage stehenden staatlichen Maßnahmen, namentlich das behördliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig, keine gleich geeignete mildere Handlungsalternative darstellten.

Recht in der Welt

USA – gleichgeschlechtliche Ehe: Nach dem Senat hat am Freitag auch das US-Repräsentantenhaus ein Gesetz beschlossen, das die gleichgeschlechtliche Ehe schützt, berichtet die Sa-FAZ (Majid Sattar). Hintergrund ist eine Äußerung des konservativen Verfassungsrichters Clarence Thomas, der nach der Aufhebung des Verfassungsrechts auf Abtreibung angekündigt hatte, dass der Oberste Gerichtshof sich auch noch einmal mit der gleichgeschlechtlichen Ehe beschäftigen könnte. 2015 hatte der Supreme Court in seinem Grundsatzurteil "Obergefell vs. Hodges" ein Recht auf eine gleichgeschlechtliche Ehe postuliert. Nach dem jetzt verabschiedeten Gesetz müssen die Bundesstaaten nun derartige Verbindungen anerkennen – ein gesetzliches Recht auf eine gleichgeschlechtliche Eheschließung ist damit allerdings nicht verbunden.

USA – Supreme Court/Wahlrecht: Wie in den USA konservative Kreise versuchen, auf die Entscheidungen des Supreme Courts Einfluss zu nehmen und wie sich das beispielsweise auf das anstehende Urteil zum Wahlrecht im Verfahren Moore vs. Harper auswirken könnte, beschreibt ausführlich zeit.de (Johanna Roth). Es geht in dem Verfahren um die Frage, wer den Zuschnitt von Wahlbezirken kontrollieren und korrigieren können soll. Gäbe das Gericht den klagenden Republikanern aus North Carolina recht, wäre das ein Präzedenzfall dafür, dass niedere Gerichte wie in diesem Fall das Verfassungsgericht des Bundesstaats solchen "Reformen" von Wahlkreisen keinen Einhalt mehr gebieten könnten, so die Autorin.

Russland – Verfahren gegen Oppositionelle: Beispielhaft beschreibt die Sa-FAZ (Friedrich Schmidt) mehrere Entscheidungen russischer Gerichte, mit denen Oppositionelle verurteilt wurden. Am Freitag wurde beispielsweise der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin zu achteinhalb Jahre Lagerhaft verurteilt, weil er "wissentlich falsche Informationen" über die russischen Streitkräfte verbreitet haben soll.

Das Recht zähle in Wladimir Putins Russland schon lange nicht mehr, kommentiert Reinhard Veser (Sa-FAZ). Doch je länger der Krieg gegen die Ukraine andauere, desto gewalttätiger werde sein Regime – nach außen wie nach innen. Es seien auch solche Entwicklungen, die deutlich machten, dass mit Russland unter dieser Führung kein Frieden möglich sei.

Sondertribunal zum Ukrainekrieg: Im Spiegel (Ann-Dorit Boy/Severin Weiland) wird die bereits wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vom Völkerrechtler Philippe Sands aufgebrachte Idee eines Sondertribunals, vor dem sich die Verantwortlichen des Krieges verantworten sollen, geschildert und die jüngeren Entwicklungen beleuchtet. Bislang lehnten die USA, Frankreich und Deutschland den Plan ab, jüngst kam jedoch von der EU-Kommission ein neuer Vorstoß, in dem ein Ad-hoc-Tribunal vorgeschlagen wird. Voraussetzung dafür wäre die Rückendeckung der UN-Generalversammlung. Unter deutschen Völkerstrafrechtler werde ein Sondertribunal unterschiedlich beurteilt. Viele sähen die Idee kritisch und forderten, stattdessen lieber den ICC zu stärken.

Ukraine – Frieden und Völkerrecht: Dass es in der Ukraine auch aus völkerrechtlicher Sicht keinen "Diktatfrieden" geben dürfe, schreibt Reinhard Müller (Sa-FAZ). Selbstverständlich könne die Ukraine, wie jeder andere Staat auch, in freier Entscheidung und im Einklang mit dem Völkerrecht über eigenes Staatsgebiet verfügen – aber eben nur in freier Entscheidung. Ein Diktat nach dem Motto "Land gegen Frieden", das ein erschöpftes und immer noch bedrohtes Land unterschreibe, sei nichts wert. Der Westen dürfe dem nicht zusehen, wenn er noch an seine Prinzipien glaube.

EGMR/Schweiz – Klimaseniorinnen: Ab dem kommenden März verhandelt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über die Klage der "KlimaSeniorinnen", einer Gruppe von mittlerweile über 2.000 Klägerinnen, die sich gegen die Schweizer Klimapolitik wenden. LTO (Franziska Kring) hat die Co-Präsidentin des Vereins Rosemarie Wydler-Wälti interviewt, die das Ziel der Klage beschreibt: Man wolle erreichen, dass insbesondere die Menschenrechte der älteren Frauen als besonders vulnerabler Gruppe in die Festlegung der Reduktionsziele einbezogen werden.

WTO-Schiedsgericht/USA – Strafzölle: Das Schiedsgericht der WTO hat in der vergangenen Woche festgestellt, dass die von der Trump-Regierung 2018 eingeführten Strafzölle auf Stahl und Aluminium regelwidrig sind. Die amerikanische Regierung, die nach der Amtsübernahme von Joe Biden an den Zöllen festgehalten hatte, wies den Schiedsspruch zurück, so die Mo-FAZ (Hendrik Kafsack). Auf die EU hat die Entscheidung zunächst keine Auswirkung, sie hatte sich im vergangenen Jahr mit den USA darauf geeinigt, eine einvernehmliche Lösung finden zu wollen.

Das Urteil und die brüske Reaktion der Amerikaner zeige noch einmal in aller Klarheit, dass die EU auf die Amerikaner nicht zählen kann, wenn es um multilaterale Handelslösungen gehe, schreibt Hendrik Kafsack (Mo-FAZ) in einem separaten Kommentar. Dennoch müsse die EU am multilateralen Weg festhalten, auch ohne oder gerade gegen die USA.

Juristische Ausbildung

Jurastudium und Juralehre: Zwei Bücher für (potentielle) Juralernende und Juralehrende stellt die Mo-FAZ (Jochen Zenthöfer) vor. Ein von Jörn Griebel und Roland Schimmel herausgegebener Band will die Frage beantworten, ob es sich überhaupt lohnt, Jura zu studieren und wenn ja, für wen. Und Julian Krüper hat in einem, wie Zenthöfer schreibt, "hervorragenden Monumentalwerk" Beiträge zur Rechtsdidaktik zusammengefasst

Sonstiges

Boris Becker: Dass dem wegen Insolvenzbetrugs verurteilten ehemaligen Tennisstar Boris Becker nach der angekündigten Freilassung und Abschiebung aus Großbritannien in Deutschland keine weitere Strafe droht, schreibt LTO. Nach seiner Abschiebung dürfe Becker allerdings aller Voraussicht nach längere Zeit nicht nach Großbritannien einreisen, obwohl dort seine Partnerin wohne. Offen sei ebenfalls, ob Becker sich an bestimmte Bewährungsauflagen zu halten hat.

Blockadeverbot in München: Die Mo-SZ (Ronen Steinke) beschäftigt sich im München-Teil in Frage-Antwort-Form mit dem generellen Verbot von Sitzblockaden ohne Anmeldung durch die Stadt München. Dies könnte die Sanktionierung der Blockierenden erleichtern. Rechtsprofessorin Isabelle Feichtner glaubt jedoch, dass die rechtlichen Voraussetzungen für ein präventives Verbot fehlen.

Rechtsgeschichte – Russell-Tribunale: Martin Rath erinnert auf LTO an die so genannten "Russell-Tribunale", die auf Initiative des britischen Mathematikers, Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Bertrand Russell zunächst Menschenrechtsverletzungen während des Vietnam-Krieges und später dann in Südafrika und Lateinamerika anprangerte. Das 3. Tribunal widmete sich der Bundesrepublik, insbesondere den Berufsverboten Zensurvorwürfen und Reformen des Strafverfahrens.

Rechtsgeschichte – Monika de Montgazon: Verena Mayer (Sa-SZ) berichtet in ihrer Kolumne vom Justizirrtum im Fall Monika de Montgazon. Sie soll 2003 ihren Vater durch Brandstiftung getötet haben, später stellte sich heraus, dass die Sachverständigen schwere Fehler gemacht hatten und der Brand nicht durch Spiritus entstanden war, sondern der Vater nachts im Bett eine Zigarette geraucht hatte und dabei eingeschlafen war. Der BGH hatte die Verurteilung später aufgehoben.

 

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LTO/pf/chr

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. Dezember 2022: Gesetzespläne gegen Extremisten / ESM-Verfassungsklagen erfolglos / Schutz für US-"Ehe für alle" . In: Legal Tribune Online, 12.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50429/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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