Der Bundestag hat § 130 StGB u.a. um das Leugnen von Kriegsverbrechen erweitert. Eine Richterin fordert im FAZ-Einspruch höhere Richterbesoldung. Thomas Fischer schreibt über Ronen Steinkes Buch zur (Un)Gleichheit vor der Justiz.
Thema des Tages
Volksverhetzung: Der Bundestag hat Ende voriger Woche überraschend eine Verschärfung des Volksverhetzungs-Paragrafen 130 StGB beschlossen. Ein neuer Absatz 5 stellt nun auch das "öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen" von "Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen" unter Strafe, "wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören". Die Änderung beruhte auf einer Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums. Der Rechtsausschuss des Bundestags beschloss am Mittwoch, die Änderung in einem Gesetz zum Bundeszentralregister unterzubringen, das als "Omnibusgesetz" fungiert. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde die Änderung des StGB dann sogleich in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Die Ampel-Koalition und die CDU/CSU stimmten dafür, AfD und Linke dagegen. Anlass der Gesetzesänderung ist laut BMJ ein von der EU-Kommission im Dezember 2021 angestrengtes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik. Die Kommission hatte gerügt, dass Deutschland den aus dem Jahr 2008 stammenden EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus nur unzureichend umgesetzt habe. LTO (Hasso Suliak) und Mo-taz (Christian Rath) berichten.
Rechtspolitik
Richterbesoldung: Die Gehälter von Richter:innen und Staatsanwält:innen müssen steigen, fordert die Richterin Christine Schröder im FAZ-Einspruch. Es bedürfe einer grundlegend verbesserten Besoldung, um der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Justiz unter Berücksichtigung der Wirtschaftskraft Deutschlands im europaweiten Vergleich Rechnung zu tragen. Dabei genüge es nicht, die Besoldung um einige Prozente zu erhöhen, das Grundgehalt müsse von Beginn an die herausgehobene Bedeutung der Tätigkeit, die gesellschaftliche Verantwortung und die überdurchschnittliche Qualifikation der Berufsträger abbilden.
Whistleblowing: An dem Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes aus dem Haus von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) haben Sachverständige in der Anhörung in der vergangenen Woche Kritik geübt und teils erheblichen Nachbesserungen gefordert, heißt es in der Mo-FAZ (Marcus Jung). Unter anderem befürchteten Wirtschaftsvertreter den großen organisatorischen Aufwand für die Unternehmen und einen möglichen Missbrauch. Der Göttinger Rechtswissenschaftler Simon Gerdemann kritisierte die Ausnahmen, die der Gesetzentwurf für Verschlusssachen bei Behörden vorsieht.
Parteinahe Stiftungen: Ein Bündnis von sechs Vereinen, Stiftungen und Initiativen - u.a. die Anne-Frank-Stiftung - hat in einem offenen Brief an die Bundestagsfraktionen eine gesetzliche Regelung für die Finanzierung politischer Stiftungen gefordert. Hintergrund ist die anstehende Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die Initiatoren des offenen Briefes befürchten, dass es nach einer für die AfD positiven Karlsruher Entscheidung ein "gigantisches Konjunkturprogramm für die extreme Rechte" geben könnte. Eine mögliche gesetzliche Regelung, die vorschreibt, dass nur Stiftungen Gelder bekommen, die sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen, ist allerdings derzeit in der Ampel umstritten, heißt es im Spiegel (Maik Baumgärtner/Ann-Katrin Müller). Zwar seien Grüne und FDP für ein spezielles Stiftungsgesetz, doch die SPD hält auch eine Regelung im Haushaltsgesetz für ausreichend.
Suizidhilfe: Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr und der Rechtsanwalt Christoph Knauer plädieren in einem Gastbeitrag auf stern.de für eine liberale Regelung der Suizidhilfe. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 2020 sei es schlicht nicht vereinbar, die Suizidhilfe wieder unter Strafe zu stellen, wie dies einzelne Gesetzentwürfe vorsehen, so die Autor:innen. Es brauche eine Regelung, die an die Fähigkeit des Einzelnen glaubt, für sich selbst die beste Entscheidung treffen zu können - auch wenn es um den eigenen Tod geht.
Planungsbeschleunigung/VwGO: Die Pläne der Regierungskoalition zur Beschleunigung großer Infrastrukturvorhaben sind laut Mo-FAZ (Corinna Budras) ins Stocken geraten. Offenbar gebe es Auseinandersetzungen zwischen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) darüber, wie weitreichend die Änderungen im "Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich" ausfallen sollen. Es geht insbesondere um den Eilrechtsschutz, mehrere Umweltverbände hatten den Gesetzentwurf hierzu kritisiert.
Niemand verlange eine widerspruchsfreie Zusammenarbeit der sehr unterschiedlichen Koalitionäre, schreibt Corinna Budras (Mo-FAZ) in einem separaten Kommentar, aber ein bisschen mehr Tempo bei der Beschleunigung würde diesem Land guttun.
Vorratsdatenspeicherung: Die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs, Kerstin Claus, hat sich laut deutschlandfunk.de gegen den von Justizminister Buschmann geplanten Verzicht auf jede Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Insbesondere im Bereich der Missbrauchsdarstellungen seien die Ermittlungsmöglichkeiten ohne einen Zugriff auf die IP-Adressen deutlich reduziert. Das von Buschmann favorisierte "Quick-Freeze-Verfahren" sei weniger wirksam.
Polizeigesetz Sachsen-Anhalt: Über die Diskussion um ein neues Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt schreibt netzpolitik.org (Franziska Rau). Es gehe darum, den Einsatz von Bodycams und elektronischen Fußfesseln dauerhaft im Gesetz zu verankern, allerdings seien Beweise für die Wirksamkeit beider Maßnahmen dünn.
Justiz
Soziale Schieflage der Justiz?: Ex-Bundesrichter Thomas Fischer lehnt auf LTO die These von Ronen Steinkes Buch "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" ab. Die zahlreichen Beispiele, über die dort "durchweg einseitig, subjektiv, selektiv und effektorientiert" berichtete werde, böten entgegen dem ersten Anschein wenig Anschauungsmaterial für Ungleichheit im angeblich Gleichen, kritisiert Fischer. Steinke empöre sich darüber, dass es in der deutschen Gesellschaft gravierende Unterschiede der Lebensstandards und Chancen gebe, man könne daraus aber nicht unmittelbar auf eine Rechts- und Justizkritik umschalten. Steinke wende den Gleichheitssatz nicht an, sondern romantisiere ihn.
EGMR zu Racial Profiling: Ausführlich analysiert Rechtsprofessor Cengiz Barskanmaz im Verfassungsblog die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Racial Profiling. Die Straßburger Richter:innen hatten Deutschland verurteilt, nachdem das Verwaltungsgericht Dresden die Klage gegen einen indizstarken Vorwurf des Racial Profiling als unzulässig ablehnte, weshalb es in diesem Fall an einer unabhängigen Ermittlungsstelle für polizeiliches Fehlverhalten fehlte. Barskanmaz vergleicht die Entscheidung mit einem am selben Tag veröffentlichten Fall aus Spanien, bei dem allerdings kein Verstoß festgestellt wurde, weil schon bei der Darstellung des Geschehens Aussage gegen Aussage stand.
Christian Rath (taz.de) kommentiert, das EGMR-Urteil sei nützlich, aber keine Revolution. Am schwierigsten seien Fälle zu beurteilen, bei denen die Hautfarbe Teil eines Motivbündels der kontrollierenden Polizei ist. Das Verbot von Racial Profiling schütze nicht ethnisch homogene Tätergruppen vor Kontrollen, sondern unverdächtige Passant:innen.
EuGH – Schadensersatz für Datenschutzverstoß: Die Doktoranden Hubert Bekisz und Dominik Dworniczak fassen im Verfassungsblog (in englischer Sprache) die Schlussanträge des Generalanwalts Sánchez-Bordona im Verfahren um mögliche Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht zusammen. Danach muss für einen Ersatzanspruch ein materieller oder immaterieller Schaden eingetreten sein, bloßer Ärger reiche nicht. Die Autoren befürchten, dass, sollte der EuGH den Anträgen folgen, die nationalen Gerichte die DSGVO bei der Abgrenzung zwischen einem echten immateriellen Schaden und einem "bloßen Ärger" unterschiedlich auslegen könnten.
OLG München – islamistische Attacke im ICE: Vom Prozess gegen Abdalrahman A., der in einem ICE mit einem Messer auf drei dösende Männer eingestochen und sie dabei schwer verletzt hat, berichten Sa-FAZ (Timo Frasch), Sa-SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Jan Friedmann). Dabei gehe es weniger um den Tathergang als solchen, geklärt werden müsse, ob der Täter psychisch gestört und deswegen nicht schuldfähig ist, oder ob er das nur vorspiele. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass A. als Terrorist gehandelt hat.
OLG Dresden – militante Antifa/Lina E.: Vom Fortgang des Verfahrens gegen Lina E., der die Bildung einer linksextremen kriminellen Vereinigung und mehrere Angriffe auf Neonazis vorgeworfen werden, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). In der Verhandlung erzählte Lina E. aus ihrem Leben als Studentin und Sozialpädagogin. Versuche des Richters, mit ihr über die RAF zu sprechen, seien dagegen gescheitert.
LAG München zur Arbeitszeiterfasung: Auch bei einer Vertrauensarbeitszeit müssen Arbeitgeber einen Überblick darüber haben, wie viele Arbeitsstunden geleistet werden und der Betriebsrat könne hierüber Auskunft verlangen. Das hat das Landesarbeitsgericht München laut spiegel.de entschieden. Zwar müssen Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich nur solche Informationen bereitstellen, über die sie auch verfügen, etwas anderes gelte jedoch, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht habe, weil er sie nicht erheben wolle, das aber leicht möglich wäre.
LG Frankfurt/M. – bestechlicher Staatsanwalt/Befangenheit: LTO (Felix W. Zimmermann) liegen nun die Gründe des Landgerichts Frankfurt a.M. vor, warum der zuständige Vorsitzende Richter Werner Gröschel im Verfahren um den wegen Bestechlichkeit angeklagten Staatsanwalt Alexander Badle nicht befangen ist. Dienstliche Beziehungen eines Richters zu einem Beschuldigten (z.B. gemeinsame Mittagessen, Duzen) ließen nur dann Voreingenommenheit besorgen, wenn es sich um eine "besonders enge dienstliche Zusammenarbeit" handelt oder sich aus der dienstlichen Beziehung ein "enges persönliches Verhalten entwickelt hat" - beides sei hier nicht der Fall.
LG München I – Jérôme Boateng: Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen Jérôme Boateng schreiben Sa-FAZ und Sa-SZ (Lena Kampf/Jana Stegemann), dass eine Zeugin angegeben habe, sich von den Bodyguards des Fußballers bedroht zu fühlen. Die 30-Jährige sagte aus, dass sie vor dem Gerichtsgebäude gefilmt worden sei. Sie ist eine Freundin von Boatengs Ex-Freundin Shirin S. und will gesehen haben, wie er S. in einem Karibikurlaub attackiert, geschlagen und beleidigt hatte.
LG Nürnberg zu Corona-Test-Betrug: Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat zwei Betreiber von Corona-Testzentren wegen Betruges zu mehreren Jahren Haft verurteilt, eine weitere Angeklagte erhielt wegen Beihilfe eine Bewährungsstrafe. Die Männer hatten 36.000 Test abgerechnet, die nie durchgeführt worden waren, und so laut spiegel.de rund 400.000 Euro erschlichen.
LG Stuttgart zu SWR-App: Die SWR-App "Newszone" ist jedenfalls in ihrer Fassung aus dem April 2022 unzulässig und darf daher laut Landgericht Stuttgart vorerst nicht mehr verbreitet werden. Sechzehn Zeitungsverlage hatten gegen die öffentlich-rechtliche App geklagt, weil sie zu "presseähnlich" sei und erwirkten jetzt im Eilverfahren eine einstweilige Anordnung. Zwar greife die App auf Inhalte des genehmigten SWR-Telemedien-Angebots DasDing.de zurück, so das Gericht, es liege aber "eine grundlegende thematisch-inhaltliche Änderung" zwischen DasDing und Newszone vor, so dass die Genehmigungspflicht der neuen App nicht entfalle. Die Newszone-App sei auch unzulässig presseähnlich gewesen, weil zu viele Beiträge durch Text und Bild geprägt und nicht hörfunk- oder fernsehähnlich seien. Die Sa-SZ berichtet.
VG Berlin zu Begnadigungen des Bundespräsidenten: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, mit der ein Auskunftsersuchen über die Begnadigungspraxis des Bundespräsidenten abgelehnt wurde, kommentiert Rechtsprofessor Arnd Diringer in seiner WamS-Kolumne. Die Argumentation des Gerichts sei zwar nachvollziehbar, unabhängig davon "sollten wir uns aber über das Begnadigungsrecht grundsätzliche Gedanken machen", meint Diringer. Es gehöre schlicht abgeschafft.
VG Magdeburg zur Frist bei polizeilicher Bachelor-Arbeit: Die in der einschlägigen Prüfungsordnung enthaltene Frist für die Bachelorarbeit ist keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dafür, einen Polizeibewerber für den gehobenen Dienst endgültig nicht bestehen zu lassen. Das hat das Verwaltungsgericht Magdeburg laut LTO entschieden und dem Kläger damit ermöglicht, die Prüfung erneut abzulegen.
AG Recklinghausen zu Assauer-Testament: Wie spiegel.de berichtet, hat das Amtsgericht Recklinghausen das letzte Testament des verstorbenen Fußballmanagers Rudi Assauer aus dem Januar 2012 für unwirksam erklärt. Es sei davon auszugehen, dass Assauer wegen einer fortgeschrittenen Alzheimer-Demenz damals "nicht testierfähig" gewesen sei, heißt es zur Begründung. Im Testament ist die Tochter Assauers, Bettina Michel, als Alleinerbin vorgesehen gewesen. Dagegen war ihre Halbschwester Katy Assauer vorgegangen.
StA Stuttgart – Landesinnenminister Thomas Strobl: swr.de (Michael-Matthias Nordhardt/Christoph Kehlbach) erläutert den rechtlichen Rahmen für eine Einstellung des Verfahren gegen den baden-württembergischen Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) gem. § 153a StPO. Dabei müsste Strobl, dem die Weitergabe von Verfahrensdokumenten aus der sogenannten Polizei-Affäre an die Presse vorgeworfen wurde, 15.000 Euro Geldauflage bezahlen. Dies sei ein sehr häufig genutztes Verfahren in der Strafprozessordnung.
Recht in der Welt
Ukraine – russische Kriegsverbrechen: Eine große Mehrheit der EU-Staaten will russische Kriegsverbrechen in der Ukraine strafrechtlich verfolgen, vereinzelt wurde kürzlich bei einer Sitzung der EU-Justizminister sogar ein Verfahren gegen Russlands Präsident Putin gefordert, berichtet der Spiegel. Nach Angaben der EU-Kommission hätten ukrainische Behörden inzwischen zu mehr als 37.000 Verdachtsfällen ermittelt, es gebe bereits 160 Anklagen und neun Verurteilungen.
Die estnische Premierministerin Kaja Kallas und ihr lettischer Kollege Krišjānis Kariņš fordern die Einrichtung eines internationalen Sondertribunals zur juristischen Aufarbeitung russischer Verbrechen in der Ukraine, schreibt die Sa-FAZ (Thomas Gutschker). Ein solches Sondertribunal könnte dann, anders als derzeit der Internationale Strafgerichtshof, dessen Zuständigkeit auf die Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord beschränkt ist, auch den erst 2018 neu hinzugekommenen Tatbestand der Aggression prüfen.
USA – Tierschutz: Rechtprofessor Jeff Sebo stellt (in englischer Sprache) im Verfassungsblog ein derzeit vor dem US-amerikanischen Supreme Court laufendes Verfahren vor, in dem es um die Kompetenz der Bundesstaaten zur Regelung von Mindestplatzanforderungen für Nutztiere geht. Das Gericht muss prüfen, ob eine entsprechende Regelung im kalifornischen Recht gegen eine Klausel in der Bundesverfassung verstößt, die die Regelung von Angelegenheiten des Handels zwischen den Bundesstaaten dem Kongress zuweist.
Großbritannien – Weitergeltung von EU-Recht: Wie der britische Gesetzentwurf zum EU-Recht das Gleichgewicht der Kräfte in Frage stellt, erläutert die Doktorandin Eleftheria Asimakopoulou im Verfassungsblog (in englischer Sprache). Der Gesetzesvorschlag bedrohe ein grundlegendes Prinzip der britischen Verfassung – die Vormachtstellung des Parlamentes, schreibt die Autorin.
Bosnien und Herzegowina – Hoher Repräsentant: Kritisch erläutern die beiden Doktoranden Benjamin Nurkić und Faris Hasanović im Verfassungsblog (in englischer Sprache) die Änderungen der Verfassung und des Wahlgesetzes, die der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, Anfang Oktober erlassen hatte. Er habe sich bei dieser Entscheidung nicht an internationalen und europäischen Rechtsnormen orientiert, werfen die Autoren Schmidt vor. Anstatt sich auf die Gewährleistung der Menschenrechte gemäß den Urteilen des EGMR zu konzentrieren, habe er sich auf den Schutz ethnischer Interessen konzentriert.
USA – Schach: Der amerikanische Schachgroßmeister Hans Moke Niemann wehrt sich jetzt vor Gericht gegen die von seinem Konkurrenten, dem Schachweltmeister Magnus Carlsen, erhobene Behauptung, er habe beim Schachspielen betrogen. In einer Verleumdungsklage fordert Niemann einen Schadensersatz von mindestens 100 Millionen Euro. Die Betrugsvorwürfe hätten, obwohl es keine Beweise gebe, Niemanns Ruf und Karriere zerstört. heise.de (Daniel AJ Sokolov) berichtet.
Juristische Ausbildung
Jura und Sozialwissenschaften: Martin Rath blickt auf LTO auf die langjährige Diskussion um die Frage zurück, inwieweit Juristen auch sozialwissenschaftliche Methoden lernen und anwenden sollten. So sei seit den frühen 1960er Jahren das Interesse an den beiden Zugängen der Soziologie zum Recht zumindest zeitweise gestiegen: einmal mit der soziologischen Betrachtung der Justiz als Forschungsobjekt, dann mit der deutlich heikleren Idee, soziologische oder andere sozialwissenschaftliche Methoden könnten für die juristische Lehre und Praxis nützlich gemacht werden. Anlass der Betrachtungen ist das Themenheft "Reform, Revolte, Rechtssoziologie" der Zeitschrift "Mittelweg 36".
Sonstiges
Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit: Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz ordnet im Verfassungsblog ein, wie Meinungsäußerungen von Wissenschaftler:innen rechtlich zu bewerten sind, welchen rechtlichen Schutz sie genießen und welche Möglichkeiten die Universitäten haben, auf Falschbehauptungen oder Verschwörungstheorien, wie sie beispielsweise während der Pandemie geäußert wurden, zu reagieren: "Um die Integrität der und das Vertrauen in die Wissenschaft zu sichern, müssen sich Hochschulen gegen diejenigen wehren, die ihre Amtsautorität missbrauchen und mit dem Anschein von Wissenschaft Falschbehauptungen, unhaltbare Spekulationen oder krude Verschwörungstheorien verbreiten."
Recht im Metaverse: Rechtliche und steuerliche Fragestellungen im virtuellen Universum Metaverse beleuchten die Steuerberaterin Christina Demmelmair und die Rechtsanwältin Anna-Kristine Wipper im FAZ-Einspruch. Auch wenn bisher die steuerrechtlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen im Metaverse noch überwiegend ungeklärt seien, handele es sich beim Metaverse nicht um einen rechtsfreien Raum. Es sei abzusehen, dass sich – vergleichbar mit dem Internetrecht – in den nächsten Jahren durch Mitwirkung der Gerichte und der Gesetzgeber daneben ein Metaverserecht etablieren werde.
True-Crime-Serie "Dahmer": Der wissenschaftliche Mitarbeiter Tim Nicklas Festerling befasst sich auf LTO mit der neuen Netflix-Serie über den Massenmörder Jeffrey Dahmer, die sich in den aktuellen Trend der so genannten "True Crime"-Veröffentlichungen einfügt. "Dahmer - Monster" treibe das Verlangen nach echten Verbrechen durch schauspielerisches und künstlerisches Geschick an die Grenze zur Realität, resümiert der Autor. Als Zuschauer erhalte man scheinbar tiefe Einblicke in das Leben von Dahmer, die Linie zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimme beinahe. Ob man sich allerdings dem "Gruselfaktor True Crime" aussetzen möchte, sei aber glücklicherweise jedem selbst überlassen.
Fernsehrichterin Barbara Salesch: Gerichtsshows seien besser als ihr Ruf, stellt Verena Mayer (Sa-SZ) in ihrer Kolumne "Vor Gericht" mit Bezug auf die kürzlich ins TV-Programm zurückgekehrte Fernsehrichterin Barbara Salesch fest. Die Skripte seien zwar noch immer hölzern, die Darstellerinnen laienhaft, aber es falle auch auf, wie viele Elemente des Strafprozesses genau dort seien, wo sie hingehörten. Vor allem aber habe man es mit einem zutiefst optimistischen Blick auf die Gesellschaft zu tun, weil in jeder Gerichtsshow am Ende die Wahrheit ans Licht komme. Wenn es das sei, was die Menschen mit der Justiz verbinden, wäre das doch gar nicht so schlecht, meint Mayer.
Das Letzte zum Schluss
OLG Dresden zu renitentem Parker: Auch das gute Zureden des Gerichtes konnte einen älteren Herrn nicht davon überzeugen, rechtskonform zu parken. Er stellte seinen PKW immer wieder vor der Einfahrt eines Nachbarn ab. Der klagte – der entsprechende Rechtsstreit endete 2019 mit einem Vergleich, nach dem eine Vertragsstrafe von 150 Euro für jeden Parkverstoß zu zahlen waren. Weil er aber nach wie vor die Einfahrt blockierte, muss der renitente Nachbar 9.300 Euro zahlen, hat laut LTO das Oberlandesgericht Dresden jetzt bestätigt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/pf
(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)
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Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Oktober 2022: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49963 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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