Die juristische Presseschau vom 9. September 2022: Haft­strafe für "Coph­unter" / IfSG-Ände­rungen besch­lossen / Neuer BVerwG-Prä­si­dent

09.09.2022

Ein Mann, der die Ermordung zweier Polizisten im Netz gefeiert hatte, muss für ein Jahr und 8 Monate in Haft. Der BT hat Änderungen im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Andreas Korbmacher ist neuer Präsident des Bundesverwaltungsgerichts.

Thema des Tages

AG Idar-Oberstein zu Mordaufruf gegen Polizisten: Der 56-jährige Volker S., der die Kuseler Morde an zwei Polizisten im Internet gebilligt und zu Nachahmungen aufgerufen hatte, wurde vom Amtsgericht Idar-Oberstein zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Gericht befand ihn wegen Beleidigung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener sowie der Aufforderung und Billigung von Straftaten für schuldig. Unter anderem hatte er in zwei selbstgedrehten Videos Anfang Februar auf seinem öffentlichen Facebook-Profil die Gründung eines "Cophunter"-Vereins angekündigt und zur "Jagd" und Tötung von Polizisten als "neuem Sport" aufgerufen. Die FAZ (Eva Schläfer) und zeit.de berichten über den dreitägigen Prozess, in dem die Verteidigung versucht hatte, die Äußerungen des Angeklagten als "Comedy" abzutun.

Rechtspolitik

Corona - Schutzmaßnahmen Herbst/Winter: Der Bundestag hat Änderungen am Infektionsschutzgesetz beschlossen, die die ab Oktober möglichen Corona-Schutzmaßnahmen regeln. Unter anderem soll es in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen eine Maskenpflicht geben. Vor dem Zutritt zu Pflegeheimen und Kliniken soll zudem ein negativer Test vorgelegt werden müssen. Ergänzend dazu können die Länder eigene Maßnahmen treffen. Die ursprünglich vorgesehene Maskenpflicht in Flugzeugen wurde gestrichen; sollte sich die Corona-Lage verschärfen, könnte die Bundesregierung sie aber trotzdem per Rechtsverordnung wieder einführen. FAZ (Christian Geinitz), SZ (Kassian Stroh), Welt (Kaja Klapsa), zeit.de (Ingo Arzt/Sarah Lena Grahn), spiegel.de und LTO fassen die Änderungen zusammen. Über die Debatte vor der Beschlussfassung schreibt spiegel.de (Milena Hassenkamp). Herausgekommen sei eine Rechtsgrundlage, so spiegel.de, der man in fast jedem Punkt ansehe, wer sich wo durchgesetzt habe.

In einer persönlichen Erklärung, die die Welt dokumentiert, erläutert der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki, warum er nicht für die Gesetzesänderung gestimmt hat: Unter anderem beklagt er fehlende Daten, kritisiert, dass es nicht nachvollziehbar sei, was das eigentliche Ziel der für den Herbst/Winter geplanten Corona-Maßnahmen ist und spricht sich nachdrücklich gegen die weiterhin möglichen Einschränkungen bei Schülerinnen und Schülern aus.

Vorratsdatenspeicherung: Auf die Forderung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach einer raschen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zur besseren Verfolgung von Sexualstraftaten gegen Kinder kam prompter Widerspruch von Justizminister Marco Buschmann (FDP), schreibt die taz (Konrad Litschko/Tanja Tricarico). Man habe im Koalitionsvertrag vereinbart, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung "endgültig abzuschaffen. Das gilt", wird Buschmann zitiert. Und auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz habe gegenüber der Zeitung betont: "Die Vorratsdatenspeicherung ist rechtsstaatlich tot, und das seit langer Zeit“. In der FAZ heißt es dagegen, Faeser arbeite gemeinsam mit dem FDP-geführten Bundesjustizministerium an einer Lösung.

Es gehe darum, Kinder vor schwerwiegenden Eingriffen in Leib und Seele zu schützen, argumentiert Reinhard Müller (FAZ). Selbstverständlich müssten Eingriffe des Staates in Freiheitsrechte "stets gut begründet" sein, wie es im Koalitionsvertrag heißt, doch begründungspflichtig sei auch die staatliche Duldung schwerer Eingriffe in Leib und Seele von Kindern. Die "selbst ernannten Bürgerrechtsparteien" täten sich schwer mit der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, kritisiert Müller.

Unternehmens-Umwandlung: Die Rechtsanwälte Cédric Müller und Philipp Honisch erläutern im Hbl-Rechtsblog das Gesetz zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen, das Ende Januar 2023 in Kraft treten soll und beschreiben, wie grenzüberschreitende Formwechsel auch schon vor der Neuregelung möglich sind.

Parität im Wahlrecht: FAZ-Einspruch (Stephan Zenner) stellt die Dissertation von Anna Gloßner "Paritätsgesetze und repräsentative Demokratie" vor, in der die Vereinbarkeit von gesetzlichen Quotenregelungen mit dem Grundgesetz untersucht wird. Dabei komme die Autorin zu dem Ergebnis, dass diese gegen die grundgesetzlich normierte Freiheit, Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl verstoßen. Außerdem meint sie, dass Paritätsgesetze, die intersexuellen Personen eine Entscheidung zwischen Männer- und Frauenplätzen auf Wahllisten abverlangen, in jedem Fall gegen deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verstießen.

Justiz

BVerwG – neuer Präsident: Andreas Korbmacher ist neuer Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes. Der 61-jährige bisherige Vizepräsident tritt damit die Nachfolge von Klaus Rennert an, der 2021 in den Ruhestand getreten war. LTO berichtet.

BFH zu Sport-Fördergeldern: Zahlungen der Stiftung Deutsche Sporthilfe an einen Leistungssportler können gewerbliche Einnahmen darstellen, hat der Bundesfinanzhof entschieden. Zwar sei eine sportliche Betätigung nicht einkommensteuerpflichtig, allerdings stehe sie hier in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit der gewerblichen Vermarktung dieser Sporttätigkeit im Rahmen von Sponsorenverträgen, so das Gericht laut LTO.

OLG Stuttgart zu Drohungen gegen Schule: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat einer Waldorfschule recht gegeben, die zwei Schulverträge gekündigt hatte, weil die Eltern Lehrkräfte bedroht hatten. In einer Email hatten sie, wie LTO schreibt, in Bezug auf die ergriffenen Corona-Schutzmaßnahmen der Schule unter anderem vorgeworfen, "alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchzusetzen", "Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen" und hegten den Verdacht, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, "Kinder zu erniedrigen und zu belehren". Bei einer solch nachhaltigen Beschädigung des Vertrauensverhältnisses könnten sich die Eltern auch nicht auf ihre Meinungsfreiheit berufen, so das Gericht.

OVG NRW zu Pornoportalen mit Sitz in Zypern: Wie es bei spiegel.de heißt, hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Eilverfahren zweitinstanzlich die Eilanträge von zwei Pornoportalen mit Sitz in Zypern gegen ein Verbreitungsverbot pornografischer Internetangebote in Deutschland abgewiesen und damit bekräftigt, dass auch Pornoportale mit Sitz im EU-Ausland von deutschen Jugendschützern reguliert werden können.

VGH BaWü zu Anti-Abtreibungs-Mahnwache: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Eva-Maria Bredler kritisiert auf dem Verfassungsblog eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württtemberg von voriger Woche, mit der das Verbot einer Mahnwache gegenüber einer Pro Familia-Bertungsstelle für rechtswidrig erklärt wurde. Der VGH habe einen falschen Maßstab gewählt. Das Vermeiden eines Spießrutenlaufs von ungewollt schwangeren Frauen sei nicht das alleinige Kriterium für das Zulassen von Anti-Abtreibungs-Mahnwachen.

VG Dresden zu rechtsextremer Kampfsportveranstaltung: Das Verwaltungsgericht Dresden hat das Verbot der Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" bestätigt. Die zuständige Behörde habe zutreffend angenommen, dass bei der Veranstaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden habe, so das Gericht laut LTO. Im Vordergrund habe keine Sportveranstaltung gestanden, sondern die Vorführung von Kampftechniken sowie die Kampfertüchtigung als Einstieg in den physischen politischen Kampf, um auf diese Weise politische Ziele gewaltsam durchsetzen zu können.

AG Dresden zu Reichsbürger-Krankenkasse: Das Landgericht Dresden hat die Verfahren gegen vier Angeklagte im Prozess um die Gründung der Reichsbürger-Krankenkasse "DeGeKa" gegen Zahlung einer Geldauflage zwischen 600 und 2.500 Euro eingestellt. Wie LTO berichtet, sollen die ursprünglich insgesamt sieben Angeklagten ab April 2017 die "DeGeKa" mit Sitz in Dresden ohne entsprechende Genehmigung betrieben, 49 Mitglieder geworben und insgesamt 8.110 Euro an Beiträgen eingenommen haben. Das Geschäft wurde trotz Einstellungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im August 2017 noch bis zum Frühjahr 2018 weiterbetrieben.

Recht in der Welt

EuGH/Niederlande – Aufenthaltsberechtigung von Angehörigen: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass ein Drittstaatsbürger, der als Familienangehöriger eines Unionsbürgers über einen Aufenthaltstitel verfügt, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erlangen kann, wenn er die im Unionsrecht ansonsten vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Es ging um eine ghanaische Staatsangehörige, die Mutter eines niederländischen Staatsangehörigen ist. Anders als die niederländischen Behörden ist der EuGH der Auffassung, dass ihr Aufenthalt in den Niederlanden nicht nur vorübergehender Natur sei. Das Abhängigkeitsverhältnis sei gerade nicht auf kurze Dauer angelegt, sondern könne sich vielmehr über einen beträchtlichen Zeitraum erstrecken, weshalb die Daueraufenthaltsrichtlinie anwendbar sei. LTO berichtet.

EuGH/Polen – Diskriminierung von Homosexualität: Die polnische Regelung, nach der ein Vertrag wegen der Homosexualität des potenziellen Vertragspartners abgelehnt werden darf, verstoße gegen die EU-Rahmenrichtlinie für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diese Einschätzung vertrat Generalanwältin Tamara Cápeta in ihren Schlussanträgen in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Ausgangs-Rechtsstreit geht es um einen freien Mitarbeiter des polnischen öffentlichen Fernsehsenders, der nach seinem Outing keine Aufträge mehr erhielt. LTO berichtet.

USA – Stephen Bannon: Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat erneut Anklage wegen Betruges gegen den früheren Trump-Berater Stephen Bannon erhoben. Bannon wird beschuldigt, Spendengelder veruntreut zu haben, die im Zusammenhang mit der geplanten Grenzmauer zu Mexiko gesammelt worden waren, heißt es auf spiegel.de und zeit.de. Eine frühere Anklage führte nicht zu einem Prozess, weil Trump Bannon am Tag vor dem Ende seiner Amtszeit begnadigt hatte

Juristenausbildung

Assessorkurs: LTO-Karriere (Sabine Olschner) erläutert die Unterschiede zwischen dem auf das Erste Staatsexamen vorbereitenden Repetitorium und einem auf das Zweite Staatsexamen gerichteten Assessorkurs. Sie beschreibt, wann ein Assessorkurs sinnvoll sein kann und welche Alternativen es gibt.

Sonstiges

Cybercrime: Im Interview mit LTO (Hasso Suliak) spricht Oberstaatsanwalt Frank Lange über Cybercrime-Angriffe auf Unternehmen durch Erpressungssoftware und über staatsanwaltliche Ermittlungsansätze in diesem Bereich. Lange meint, dass auf solche Forderungen nicht eingegangen werden sollte, weil man damit kriminelle Akteure unterstütze und weitere Straftaten finanziere. Im Übrigen sei es auch nicht garantiert, dass die verschlüsselten Daten tatsächlich wiederhergestellt werden, wenn man gezahlt habe.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. September 2022: Haftstrafe für "Cophunter" / IfSG-Änderungen beschlossen / Neuer BVerwG-Präsident . In: Legal Tribune Online, 09.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49575/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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