Die juristische Presseschau vom 27. Mai 2021: Erfolg­reiche Kli­maklage gegen Shell / BVerfG zu Infor­ma­ti­ons­rechten des Par­la­mentes / Grund­rechte-Report 2021

27.05.2021

Ein niederländisches Gericht hat den Ölmulti Shell zur Reduzierung seiner Emissionen verpflichtet. Das BVerfG bekräftigt die Informationsrechte des Bundestages in EU-Angelegenheiten und der Grundrechte-Report 2021 wurde veröffentlicht.

Thema des Tages

Niederlande – Klima-Urteil gegen Shell: Sieben Umweltschutzverbände haben den Ölkonzern Shell erfolgreich vor einem niederländischen Gericht wegen der Reduzierung von CO2-Emmissionen verklagt: Bis zum Jahr 2030 muss der Konzern seinen Treibhausgasausstoß um 45 Prozent netto verringern, gemessen am Stand des Jahres 2019. Das Verfahren gilt, ähnlich wie die erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Klimapolitik der Bundesregierung, als wegweisend. SZ (Thomas Kirchner), FAZ (Marcus Jung/Marcus Theurer), Welt (Daniel Wetzel), taz (Susanne Schwarz), Hbl (Kathrin Witsch)  und LTO berichten über die Entscheidung.

Für Björn Lomborg, Präsident des Copenhagen Consensus Centers und Visiting Fellow an der Hoover Institution, Stanford University, besteht die Gefahr, so schreibt er in der FAZ, dass mit siegreichen Gerichtsverfahren der politische Prozess umgangen werden und eine härtere Klimapolitik erzwungen wird als ursprünglich von Wählern und Regierungen vorgesehen.

Marcus Jung (FAZ) begrüßt die Entscheidung. Shell habe einen enormen Einfluss auf den Klimawandel. Das Unternehmen könne zwar noch Berufung gegen das Urteil einlegen - oder aber gleich damit beginnen, seiner auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Michael Bauchmüller (SZ) weist auf die Bedeutung der Entscheidung für künftige Geschäfte mit fossilen Energieträgern, aber auch darauf hin, dass Öl und Gas weiterhin aus Weltgegenden kämen, in denen Gerichte nicht ganz so genau hinschauen würden und in denen Regierungen mit dem Klimaschutz nicht so viel am Hut hätten.

Rechtspolitik

Asylrecht: Der Bundesrat soll in dieser Woche über eine Initiative des Landes Schleswig-Holsteins beraten, mit der Abschiebehaft für Kinder verboten werden soll. Die taz (Esther Geißlinger) erläutert den Vorstoß, weist aber auch darauf hin, dass die Erfolgschancen eher gering sind.

Justiz

BVerfG zur Informationspflicht der Bundesregierung: Auf eine Klage der Grünenfraktion hin hat das Bundesverfassungsgericht die Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Parlament präzisiert. Die Bundesregierung muss danach den Bundestag vor wichtigen Weichenstellungen auf europäischer Ebene rechtzeitig informieren. In einem Organstreitverfahren, über das die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Marlene Grunert), der Tsp (Jost Müller-Neuhof), LTO und spiegel.de berichten, hatte die BT-Grünenfraktion bemängelt, dass die Parlamentarier 2015 auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise vor entscheidenden Treffen mit den Europartnern nicht über die deutsche Verhandlungshaltung informiert wurden.

Die Entscheidung sei ein Sieg für die Grünen und für den Bundestag, schreibt Reinhard Müller (FAZ) und passe zur Rolle des Bundestages im Zuge der europäischen Integration, wie sie Karlsruhe ständig hervorhebe. Der Bundestag bekomme nun eine politische Standleitung ins Kanzleramt, prophezeit Torsten Krauel (Welt). Er könne der Regierung in den Arm fallen, in letzter Sekunde und ohne dass er das begründen müsse.

EGMR zur Geheimdiensttätigkeit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat seine Entscheidung von 2018, mit der er die frühere Überwachungspraxis der britischen Regierung und ihres Geheimdienstes GCHQ für rechtswidrig erklärt hatte, jetzt bestätigt und die Voraussetzungen, unter denen europäische Staaten ihren Geheimdiensten die Überwachung von internetbasierter Kommunikation erlauben dürfen konkretisiert. Dabei hat das Gericht auch noch einmal klar gestellt, dass eine anlasslose Massenüberwachung zwar nicht unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, es aber Sicherungsmechanismen bedarf. LTO (Markus Sehl und Maximilian Amos) stellt das Urteil vor.

BGH – Lindt-Goldhasen: In einem Gastbeitrag für LTO erläutert Rechtsanwalt Constantin Rehaag die beim Bundesgerichtshof anstehende Entscheidung zum markenrechtlichen Schutz des Farbtons des Lindt-Schokoladenhasens. An diesem Donnerstag wird der BGH über die Frage verhandeln, ob der Schweizer Chocolatier einem Konkurrenten die Benutzung eines verwechslungsfähig-ähnlichen Farbtons untersagen kann. Auch die SZ (Wolfgang Janisch) widmet sich dem Verfahren.

LG Bochum – Totschlag durch Polizisten: Wegen des Vorwurfs des Totschlags muss sich ein Polizist vor dem Landgericht Bochum verantworten. Wie spiegel.de berichtet, soll der Beamte drei tödliche Schüsse auf einen Rentner abgegeben haben. Bei einem Polizeieinsatz habe der 74Jährige eine Pistole aus seinem Hosenbund gezogen und auf den Polizisten angelegt. Später hatte sich herausgestellt, dass es sich bei der vermeintlichen Waffe des Rentners um ein Feuerzeug in Form einer Pistole handelte.

KG Berlin zu Versicherungssumme für Goldmünze: Der Eigentümer der aus dem Berliner Bode-Museum gestohlenen Goldmünze "Big Maple Leaf" hat Anspruch auf weitere 1,26 Millionen Euro von der Versicherung. Das hat, laut SZ (Verena Mayer) und spiegel.de, das Kammergericht entschieden. Die geforderten mehr als drei Millionen Euro gestand das Gericht dem Eigentümer wegen einer nicht gemeldeten Sicherheitslücke im Museum allerdings nicht zu.

VG Gelsenkirchen zur Impfpriorisierung: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat einem Rechtsanwalt Recht gegeben, der als Angehöriger der Impfgruppe 3 einen Termin im regionalen Impfzentrum bekommen wollte. Die Stadt Bochum hatte das mit Verweis auf den aktuellen Erlass des Landes NRW, nach der Anwälte derzeit nicht zu berücksichtigten seien, abgelehnt. LTO (Tanja Podolski) erläutert die Entscheidung und beschreibt dabei auch die in NRW vorgesehene Priorisierung, die zwar Impfungen für Justizbeschäftigte und sogar Referendarinnen und Referendare, trotz Intervention der dortigen Kammern nicht aber für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ermöglicht.

Recht in der Welt

Belgien – EU-Kommission vs. Astrazeneca: Mit dem Streit zwischen der EU-Kommission und dem Impfstopfhersteller Astrazeneca um ausbleibende Lieferungen muss sich jetzt laut LTO ein Brüsseler Gericht befassen. Anstatt 120 Millionen Impfdosen wurden im ersten Quartal 2021 lediglich 30 Millionen an die 27 EU-Staaten geliefert. Die Kommission hatte Ende April den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der Astrazeneca verpflichtet werden sollte, weitere Millionen Dosen Impfstoff zu liefern.

Sonstiges

Grundrechte-Report 2021: LTO (Hasso Suliak) schreibt über die Vorstellung des diesjährigen Grundrechtereports, der von Bürgerrechts-Organisation herausgegeben wird. Schwerpunkt des Berichts, der den Zeitraum bis Dezember 2020 beleuchtet, sind die "ungleichen (Un-)Freiheiten", die die Pandemie "mit sich gebracht hat – oder die durch sie noch akuter geworden sind". Staatliche Institutionen hätten sich im vergangenen Jahr allzu oft nicht als Garanten der Bürgerrechte erwiesen, sondern vielmehr "zu ihrer Aushöhlung" beigetragen, wird konstatiert. Die taz (Christian Rath) widmet sich darüber hinaus einem weiteren Schwerpunkt der Präsentation – der Stigmatisierung arabischer Großfamilien im Kampf gegen sogenannte Clan-Kriminalität. So wirke es mehr als stigmatisierend, wenn die Polizei einfache Gewerbekontrollen zum Beispiel in Shishabars mit Dutzenden oder Hunderten teils schwer bewaffneten Polizistinnen und Polizisten absichere. Daneben finden sich im Grundrechte-Report auch Beiträge zu Themen wie Asyl, Gleichstellung und Überwachung.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Mai 2021: Erfolgreiche Klimaklage gegen Shell / BVerfG zu Informationsrechten des Parlamentes / Grundrechte-Report 2021 . In: Legal Tribune Online, 27.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45055/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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