Die juristische Presseschau vom 25. bis 28. Dezember 2020: Corona-Im­pfung und die Folgen / Brexit-Pakt beschlo­ssen / sexu­elle Iden­tität ins Grund­ge­setz?

28.12.2020

Die Impfungen gegen Covid-19 haben begonnen und werfen Fragen auf. EU und GB haben sich auf einen weitreichenden Handelspakt geeinigt. Eine Initiative will die sexuelle und geschlechtliche Identität in Artikel 3 GG verankern.

Thema des Tages

Corona – Impfung: Am Wochenende haben europaweit die Impfungen gegen Covid-19 begonnen. Die taz (Barbara Dribbusch und Christian Rath) beantwortet die wichtigsten Fragen dazu, unter anderem, ob auch Geimpfte weiterhin verpflichtet sind, eine Maske zu tragen, wer für Impfschäden haftet und ob Arbeitgeber eine Impfung anordnen können. Im Interview mit der BamS (Roman Eichinger/Burkhard Uhlenbroich) hat sich Bundesinnenminister Seehofer dagegen ausgesprochen, dass Geimpfte Sonderrechte bekommen. Dies käme einer Impfpflicht gleich, so der Minister, der auch davor warnte, dass Fluglinien, Gastwirte oder auch Bundesliga-Vereine Zutritt zu Flugzeug, Restaurant oder Stadion nur Menschen gewähren, die gegen Corona geimpft sind. Der SPD-Vorsitzende Nobert Walter-Borjans hat währenddessen laut RND bekräftigt, dass es keine Notwendigkeit für einen Parlamentsbeschluss über eine Impfreihenfolge gebe. Das Bevölkerungsschutzgesetz gebe einen sicheren Rechtsrahmen, der es erlaube, die genaue Festlegung differenziert mit Verordnungen zu regeln. Nach Ansicht des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier allerdings, so heißt es im Text weiter, hätte der Bundestag darüber abstimmen müssen, nach welchen Kriterien die für den Schutz des Lebens und der Gesundheit zur Zeit nur begrenzt zur Verfügung stehenden Behandlungen ermöglicht werden.

Für Klaus Hillenbrand (taz) ist die Warnung Seehofers vor einer Privilegierung Geimpfter allerdings nicht mehr als eine Nebelkerze. Denn selbstverständlich könne ein Minister nicht einfach verbieten, wenn beispielsweise ein Hotelbesitzer auf die Idee verfällt, künftig nur noch Geimpfte in seinem Haus übernachten zu lassen. Ohnehin sei derzeit unsicher, ob Personen nach einer Impfung nicht mehr infektiös sind, nur dann würde es überhaupt Sinn ergeben, deutlich zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden.

Rechtspolitik

Brexit-Handelspakt: Am 24. Dezember haben sich die EU und Großbritannien auf einen Handelspakt für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase geeinigt, die FAZ (Hendrik Kafsack) fasst die wichtigsten Punkte des insgesamt über 1200 Seiten umfassenden Dokumentes zusammen. In der SZ (Björn Finke/Matthias Kolb u.a.) werden die noch notwendigen Schritte für ein vorläufiges Inkrafttreten des Abkommens zum 1.1.2021 beschrieben. Die endgültige Ratifizierung und Annahme kann dann erst erfolgen, nachdem das Europaparlament im neuen Jahr seine Zustimmung gegeben hat.

zpoblog (Peter Bert) hat sich den Vertragsentwurf angeschaut und dabei zwar detaillierte Bestimmungen zur justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, nicht aber zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen gefunden. Es sei daher davon auszugehen, so der Autor, dass die EU und das Vereinigte Königreich keine Einigung über die künftige justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen erzielen konnten.

Sexuelle Identität und Grundgesetz: Über die Initiative "Grundgesetz für Alle", die eine Ergänzung von Artikel 3 Grundgesetz um die Merkmale der sexuellen und der geschlechtlichen Identität fordert, schreibt im Rhein-Main-Teil die FAS (Julia Fietz). Die Kampagne unterstützt einen entsprechenden Gesetzentwurf der Oppositionsparteien FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen vom September. Die Initiative soll jetzt bundesweit bekannt gemacht werden, um so zu erreichen, dass noch vor der Bundestagswahl im Bundestag abgestimmt wird.

EU-Rechtsstaatlichkeit: Der Rechtswissenschaftler Carlos Closa Montero erläutert im Verfassungsblog (in englischer Sprache), warum er die derzeitigen Mechanismen zur Durchsetzung von rechtsstaatlichen Strukturen in der EU für unzureichend hält und macht Vorschläge, wie Werkzeuge beschaffen sein müssten, die die Mitgliedstaaten anhalten, die Regeln einzuhalten oder um Verstöße effektiv zu ahnden.

Justiz

EuGH zu Abschalteinrichtungen: Rechtsanwalt Remo Klinger, der regelmäßig die Deutsche Umwelthilfe vertritt, erläutert im Interview mit taz.de (Christian Rath) das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17. Dezember, in dem festgestellt wurde, dass die Abgasreduktion von Motoren nur abgeschaltet werden darf, um den Motor vor "plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden" zu schützen. Klinger geht davon aus, dass nach dem Urteil auch sogenannte "Thermofenster" verboten sind und wohl alle Diesel-Pkw nachgerüstet werden müssen. Das Kraftfahrt-Bundesamt müsse aber wohl gerichtlich gezwungen werden, dies anzuordnen.

OLG Koblenz – Folter in Syrien: Der Spiegel (Hannah El-Hitami) berichtet ausführlich vom 14. Prozesstag der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz, wo zwei ehemalige syrische Geheimdienstoffiziere wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sind. Vernommen wurde der syrische Zeuge Karim A., der selbst für den Geheimdienst gearbeitet hat, allerdings aus Angst um seine Familie seine vor dem BKA gemachten Aussagen vor dem Gericht nicht wiederholen wollte. Der Koblenzer Prozess zeige, dass derartige Verfahren auch Fragen nach dem Schutz von Zeugen und ihren Familien im Ausland aufwerfen.

Recht in der Welt

EGMR/Türkei – Demirtaş: Rechtsprofessorin Başak Çalı befasst sich im Verfassungsblog (in englischer Sprache) jetzt auch mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur U-Haft des türkischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş. Sie betont die Wichtigkeit des Urteils. Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention sei mehr als die Summe ihrer Artikel.

Russland – Mordurteil gegen Professor: Weil er seine 24 Jahre alte Freundin ermordet und zerstückelt hatte, ist der russische Geschichtsprofessor Oleg Sokolow von einem St. Petersburger Gericht zu zwölfeinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Das melden die FAZ und spiegel.de.

Sonstiges

Weihnachtskarten: Pünktlich zu Heiligabend stellt LTO (Anja Hall/Tanja Podolski) die schönsten Weihnachtskarten vor, die die Redaktion in diesem Jahr erhalten hat.

"Und Frieden auf Erden": In drei Kolumnen beschreibt Martin Rath auf LTO, wie die Juristerei zum "Frieden auf Erden" beitragen könnte. Er setzte sich mit der Bestimmung des Begriffes der Völkerverständigung auseinander, schaut sich an, was Verbraucher vom Produkt "Justiz" erwarten und erklärt an Beispielen, wie in der Rechtsprechung mit Familienstreitereien in vergangenen Jahrzehnten umgegangen wurde.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. bis 28. Dezember 2020: Corona-Impfung und die Folgen / Brexit-Pakt beschlossen / sexuelle Identität ins Grundgesetz? . In: Legal Tribune Online, 28.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43834/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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