Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Juni 2020: Neuer Kin­des­miss­brauchs­fall / Kritik am Ber­liner ADG / See­hofer-Äuße­rung beim BVerfG

08.06.2020

In Münster hat die Polizei ein Kindesmissbrauch-Netzwerk aufgedeckt. Am Berliner Antidiskriminierungsgesetz gibt es weiter Kritik. Am morgigen Dienstag urteilt das BVerfG über eine AfD-kritische Äußerung von Innenminister Horst Seehofer.

Thema des Tages

Kindesmissbrauch in Münster: Erneut wird sich die Justiz in Nordrhein-Westfalen mit mehreren Kindesmissbrauchsfällen befassen müssen. Die Polizei Münster hat ein Netzwerk aufgedeckt, das sich über mehrere Bundesländer erstreckt. Elf Tatverdächtige wurden zunächst festgenommen, sechs Männer und eine Frau kamen in Untersuchungshaft. Die Männer sind dringend verdächtig, zwei minderjährige Kinder im Alter von fünf und zehn Jahren schwer sexuell missbraucht zu haben. Die Taten sollen zum Teil per Video und auf Fotos dokumentiert und über das Darknet verbreitet worden sein. Mo-SZ (Jana Stegemann) und Mo-FAZ (Reiner Burger) berichten ausführlich über die bisherigen Ermittlungsergebnisse. Wie der Haupttäter der Polizei ins Netz gegangen ist, beschreibt die Mo-SZ (Hannes Munzinger).

bild.de (Ralf Schuler, Peter Tiede) zitiert mehrere Unionspolitiker, die sich in Konsequenz des Falles u.a. für eine Erhöhung der Strafandrohung für den Besitz von Kinderpornografie und die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung aussprachen.

Nina Apin (Mo-taz) kritisiert, dass nach wie vor systematische Schulungen und eine behördliche Vernetzung der Jugendämter fehlen. Es sei deprimierend, dass die Bundesregierung trotz des offensichtlichen Bedarfs keine "Bazooka" für den Kinderschutz auspacke.

Corona und Recht

Verfassung im Ausnahmezustand: Der frühere Rechtsprofessor Josef Isensee beschreibt im FAZ-Einspruch die Herausforderungen, die die derzeitige Ausnahmesituation an die Flexibilität der Verfassung stellt und wann der Rechtsstaat eine Wiedernormalisierung verlangt. Denn, so Isensee, "keine Gesellschaft, am wenigsten eine freiheits- und wohlstandsgewohnte wie die deutsche, hält unbegrenzte Zeit das Notregime aus".

Reiselockerungen: Nachdem die EU-Kommission Mitte Mai ein Empfehlungspaket zur Lockerung der Reisebeschränkungen präsentiert hatte, wäre jetzt ein unter den Mitgliedstaaten abgestimmtes Verfahren bei den Grenzöffnungen wichtig, erklärt Rechtsprofessor Peter Van Elsuwege auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache). Allerdings ist eine einheitliche Linie bisher nicht erkennbar, vielmehr scheint jedes Mitgliedsland seinen eigenen Weg gehen zu wollen.

Rechtspolitik

Berliner Antidiskriminierungsgesetz: In der vergangenen Woche hat das Berliner Abgeordnetenhaus das Landesantidiskriminierungsgesetz beschlossen. Unter anderem soll es vor Diskriminierungen durch öffentliche Stellen, zu denen auch die Polizei gehört, schützen. Wie Sa-FAZ (Markus Wehner) und zeit.de melden, stößt das auf Kritik. So hat die Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen den dortigen Innenminister Herbert Reul (CDU) aufgefordert, bis auf Weiteres keine Polizistinnen und Polizisten mehr zu Großeinsätzen nach Berlin zu schicken. Laut Michael Maatz, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft, würden Polizisten, die gegen Tatverdächtige vorgingen, unmittelbar Gefahr laufen, "dass ihr Vorgehen als rechtswidrig eingestuft wird, obwohl sie sich absolut korrekt verhalten haben".

Für Bettina Gaus (Sa-taz) ist ohnehin nicht zu erwarten, dass sich im Alltag durch die neue Regelung viel ändern werde. Berlin solle, wenn es ihm ernst wäre, erst einmal bestehende Gesetze und Verordnungen auf Diskriminierung hin überprüfen, bevor es vollmundig ein neues, vorhersehbar folgenloses Gesetz durchsetze, meint sie.

Verfassungsschutz: Nach langem Streit über die Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz haben sich Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt, schreibt nun auch die FAS (Alexander Haneke). Danach will die Union auf eine Befugnis zur umstrittenen Online-Durchsuchung verzichten.

Betriebsrenten: Rechtsanwalt Thomas Frank erläutert auf lto.de eine gesetzliche Neuregelung, die Arbeitnehmer stärker als bisher gegen den Ausfall betrieblicher Pensionsansprüche aufgrund einer Insolvenz des Arbeitgebers absichern will.

BND-Auslandsüberwachung: Die Sa-SZ (Ronen Steinke, Georg Mascolo) beschreibt die Herausforderungen, vor denen der Gesetzgeber jetzt nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum BND-Gesetz steht. Auch wenn die Karlsruher Richter eine großzügige Übergangszeit bis 2021 eingeräumt haben, hätten die Arbeiten an einem neuen Gesetz bereits begonnen, heißt es im Text. Einen ersten Entwurf soll es bereits in diesem Sommer geben, der dann mit den beteiligten Ressorts, aber auch in der Öffentlichkeit diskutiert werde.

Wie die gerichtliche Kontrolle der Geheimdienste in Großbritannien funktioniert, erläutert David Anderson, Beauftragter der britischen Regierung, im Interview mit der Sa-SZ (Ronen Steinke).

Wohnungseigentum: Heribert Prantl (Sa-SZ) befürchtet in seiner Kolumne, dass durch das geplante Gesetz zur Modernisierung des Wohneigentumsrechts kleine Wohnungseigentümer nur noch Eigentümer zweiter Klasse gegenüber den Mehrheitseigentümern (insbesondere Immobilienunternehmen) werden könnten. Der einzelne Eigentümer werde entmachtet, seine Möglichkeiten, vor Gericht zu klagen, würden sehr gestutzt; und es würde ihm viel schwerer gemacht als bisher, Baumaßnahmen zu verhindern – seien es Fahrradständer, Fahrstühle, Balkone oder energetische Sanierungen.

Verbot von Konversionstherapien: Laut lto.de hat der Bundesrat am Freitag das Gesetz zum Verbot sogenannter Konversionstherapien passieren lassen. Die Neuregelung beinhaltet insbesondere neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten und sieht unter anderem das Verbot von sogenannten Konversionstherapien an Minderjährigen sowie an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht, vor.

Nachfolge Masing am BVerfG: Auch am vergangenen Freitag wurde – entgegen den vorherigen Planungen – kein Nachfolger für Verfassungsrichter Johannes Masing gewählt, wie lto.de schreibt. Im Rennen sind weiterhin Martin Eifert, Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin, Jes Möller, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und Lars Brocker, Präsident des Oberverwaltungsgerichts Koblenz. Doch die SPD könne sich nach wie vor nicht einigen, welchen Kandidaten sie zur Wahl im Bundesrat vorschlagen wolle. Angekündigt wurde jetzt eine erneute Befassung des Bundesrates in der nächsten Sitzung am 3. Juli.

Christian Rath (taz.de) beschreibt noch einmal, warum aus seiner Sicht insbesondere bei der jetzt zu besetzenden Position einschlägige Fachkompetenz (Martin Eiffert) vor (ostdeutscher) Herkunft (Jes Möller) gehen sollte. Da es am Bundesverfassungsgericht kaum noch Fälle mit DDR-Bezug gebe, komme es auf die DDR-Erfahrungen Möllers nicht mehr an. Es gebe noch viele Möglichkeiten, jüngere ostdeutsche Verfassungsrichter zu wählen.

Lieferketten und Menschenrechte: Die Notwendigkeit und die mögliche Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, das Menschenrechtsverletzungen entlang von Lieferketten verhindern soll, untersucht ein Online-Symposium auf verfassungsblog.de mit aktuellen Beiträgen von Miriam Saage-Maaß, Maren Leifker, Armin Paasch, Markus Kaltenborn, Alexander Schall und Markus Krajewski.

Datenschutz beim Onlinekauf: Der Wirtschaftswissenschaftler Torsten J. Gerpott plädiert auf FAZ-Einspruch für eine Änderung der DSGVO-Pflichten für Online-Verkaufsplattformen. Es sei offensichtlich, dass der derzeitige Zwang zur ausdrücklichen Einwilligung sein Ziel verfehle und darüber hinaus hohe Kosten verursache. Der Autor schlägt vor, dass Anbieter von der Politik ermuntert werden, ihre Schutzregelungen für Personendaten durch unabhängige qualifizierte Organisationen zertifizieren zu lassen. Diese Informationen müssten dann Verbrauchern im Netz leicht zugänglich gemacht werden.

Rüstungsexporte: Rechtsprofessor Daniel-Erasmus Khan fordert auf verfassungsblog.de ein Rüstungskontrollgesetz. Entscheidungen über Rüstungsexporte werden bisher allein nach Maßgabe der "Politischen Grundsätze der Bundesregierung" gefällt – ein Dokument allein von "politischer", nicht aber "rechtlicher" Bedeutung. Über die "wesentlichen" Fragen unseres Gemeinwesens habe aber, so das Bundesverfassungsgericht, der Gesetzgeber selbst zu entscheiden, schreibt der Autor.

Fake News und Faktenchecks: Angesichts der Auseinandersetzung zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und der Plattform Twitter widmet sich Rechtsprofessor Tobias Keber auf lto.de der Zukunft des so genannten Providerprivilegs. Danach gilt die Grundregel, dass Hostprovider für rechtswidrige Inhalte Dritter erst ab Kenntnis der Rechtswidrigkeit haften und Inhalte gegebenenfalls von der Plattform nehmen müssen (notice and take down). Der Autor spricht sich für ein künftig stärker differenziertes Konzept aus, abhängig davon, in welchem Umfang eine Plattform besonders systemisch agiert.

Justiz

BVerfG – Neutralitätspflicht von Seehofer: Am Dienstag will das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur Klage der AfD gegen den Bundesinnenminister verkünden. Das Ministerium hatte eine AfD-kritische Äußerung Seehofers aus einem Interview auf die eigene Internetseite gestellt, dagegen hat die Partei geklagt. Die Mo-SZ (Wolfgang Janisch) gibt einen Ausblick auf die Entscheidung und erläutert bisherige Urteile zum Äußerungsrecht staatlicher Organe.

BVerfG zur Waffengleichheit in Äußerungsverfahren: Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass in äußerungsrechtlichen Eilverfahren der Betroffene stets angehört werden muss, bevor gegen ihn entschieden wird. Dies gelte auch dann, wenn aufgrund besonderer Eilbedürftigkeit keine mündliche Verhandlung durchgeführt werde. Laut lto.de (Maximilian Amos) streiten in dem Verfahren zwei Polizeigewerkschaften um eine Äußerung im Rahmen der Vorbereitung der Personalratswahlen bei der Bundespolizei. Sa-SZ (Wolfgang Janisch) beschreibt zudem die derzeitige Praxis: Wenn es gelte, eine angeblich üble Nachrede oder Falschdarstellung aus der Welt zu schaffen, dann genüge den Gerichten für eine einstweilige Verfügung oft der Antrag des Betroffenen und das jeweilige Medienhaus käme erst nachträglich zu Wort. Auch rsw.beck.de (Joachim Jahn) berichtet über die Entscheidung, die er einen "weiteren Rüffel aus Karlsruhe" nennt.

BVerfG zu EZB-Anleihekäufen: Einem Bericht der FAS (Konrad Schuller) zufolge wollen nach der Karlsruher Entscheidung zum Anleihekaufprogramm der EZB Abgeordnete von Regierung und Opposition im Deutschen Bundestag mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten, damit Deutschland weiter an den Anleihekaufprogrammen teilnehmen kann. Der CDU-Europaabgeordneten Sven Simon habe vorgeschlagen, dass nicht der Bundestag eine Erklärung der EZB verlangen solle, sondern das Europaparlament. So könnte eine der Forderungen aus Karlsruhe erfüllt werden: Dass die Bank darlegt, wie sie die Verhältnismäßigkeit ihrer Kredite geprüft hat.

Im FAZ-Einspruch kritisiert Rechtsprofessor Jörn Axel Kämmerer nachdrücklich die BVerfG-Entscheidung. So erscheint ihm die Anweisung des Senats, dass sich die Bundesbank aus dem PSPP-Programm zurückzuziehen habe, wenn die EZB ihren Ankaufbeschluss nicht nachbessere, "wunderlich", denn der faktische Adressat dieses Auftrags, die EZB, sei nicht Verfahrenspartei, und das Parlament als Verfahrenspartei sei zur Vornahme von Korrekturen rechtlich nicht befähigt. Der Doktorand Francisco de Abreu Duarte und der Dozent Miguel Mota Delgado meinen auf lto.de (in englischer Sprache), dass es eines "letzten Wortes" bedarf, um künftig Konflikte zwischen den beiden jeweils autonomen Rechtssystemen zu lösen.

Pressearbeit des BVerfG: Dass das Bundesverfassungsgericht bevorstehende Entscheidungen bereits vorab der Karlsruher Justizpressekonferenz in Papierform und mit Sperrfrist zugänglich macht, hat Jost Müller-Neuhof (Tsp) erfahren. Die vertrauliche Vorabinformation entspreche einer "langjährigen Übung", habe ein Gerichtssprecher auf Anfrage bestätigt. 

In seinem separaten Kommentar kritisiert Jost Müller-Neuhof (Tsp) die Praxis. Die jahrelange Geheimnistuerei sei in einem Vertrauensschaden für alle Beteiligten gemündet.

BGH – Dieselklage gegen Daimler: Die Sa-FAZ (Marcus Jung) wirft einen Blick auf das erste höchstrichterliche Dieselverfahren gegen Daimler. Der Bundesgerichtshof habe hier die Verhandlung auf den 27. Oktober terminiert. In dem vom Kunden 2017 gekauften Wagen werden Abgase wieder in den Motor zurückgeführt und zum Teil verbrannt, was sich auf die Emissionen auswirkt. Einfluss auf das Verfahren könnte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs haben, die für den Sommer erwartet wird.

OVG NRW zu Quarantänepflichten: Wie die Sa-FAZ (Reiner Burger) meldet, hat das Oberverwaltungsgericht Münster die vom Land Nordrhein-Westfalen angeordnete häusliche Quarantäne für Auslandsrückkehrer vorläufig außer Vollzug gesetzt. Pauschal dürfe die vierzehntägige Quarantäne nicht angeordnet werden, so das Gericht in einer Eilentscheidung. Das Land könne allerdings Risikogebiete ausweisen, bei denen die Verhängung einer Quarantäne gerechtfertigt sei.

Verfahrensstau bei Gerichten: Der Richterbund befürchtet laut zeit.de, dass sich wegen der Coronakrise die Verfahren bei den Gerichten bis Jahresende stauen werden. Es gebe nicht überall in ausreichender Zahl Gerichtssäle, die groß genug für die geltenden Abstandsregeln seien und hinzu käme, dass viele Anwälte jetzt stark ausgelastet seien, was eine zügige Terminierung von Verfahren erschwere, wird der Geschäftsführer des Richterbundes Sven Rebehn zitiert. Das Tempo der Aufarbeitung werde darüber hinaus von zahlreichen Streitfragen wegen der Corona-Krise, beispielsweise zur Rechtmäßigkeit der Einschränkungen, verlangsamt.

Recht in der Welt

USA – Klage gegen Trump: Die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU hat Klage gegen Präsident Trump eingereicht. Hintergrund ist die gewaltsame Auflösung einer Demonstration vor dem Weißen Haus, die Trump einen Fototermin vor einer nahegelegenen Kirche ermöglichen sollte. Es habe keinen legitimen Grund gegeben, die friedliche Versammlung gewaltsam aufzulösen, heißt es laut lto.de in einer Mitteilung der ACLU. Die Klage wurde eingereicht im Namen der Black Lives Matter Bewegung und fünf Teilnehmern der Demonstration, darunter ein neunjähriger Junge.

USA – Investorenklage gegen Bayer: lto.de berichtet vom Berufungsverfahren gegen die Bayer AG gegen das erste Glyphosat-Urteil, in dem das Unternehmen auf Schadensersatz von fast 300 Millionen Dollar, die später auf knapp 80 Millionen Dollar reduziert wurden, verurteilt wurde. Nun sieht sich die Bayer AG, die 2018 den Glyphosathersteller Monsanto übernommen hatte, auch den Klagen von Investoren gegenüber. Die Anleger werfen dem Unternehmen die Verletzung von Ad-hoc-Publikationspflichten vor.

Juristische Ausbildung

Weiterbeschäftigung von verurteiltem Referendar: In Sachsen formiert sich Kritik an der Weiterbeschäftigung des wegen schweren Landfriedensbruches mittlerweile rechtskräftig verurteilten Rechtsreferendars Brian E. Er soll 2016 an Krawallen in Leipzig beteiligt gewesen sein, bei denen auch Hunderte Neonazis und Hooligans randaliert hatten. lto.de (Markus Sehl) berichtet von einer Stellungnahme, die 234 Referendare unterstützen und die dem OLG als Ausbildungsbehörde eine fehlerhafte Entscheidung vorwirft. Die Stellungnahme werde auch unterstützt von der Arbeitsgruppe sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Leipzig, deren Vorsitzender, Arnold Arpaci, gegenüber LTO vor der späteren Zulassung des Referendars zur Anwaltschaft warnte.

Sonstiges

Gerichtsöffentlichkeit bei Videoverhandlungen: Wie die Gerichtsöffentlichkeit auch bei einer Videoverhandlung nach § 128a Zivilprozessordnung gewährleistet werden kann, hat sich Rechtsreferendarin Anna K. Bernzen für zpoblog.de angeschaut. Sie sieht den Gesetzgeber hier in der Pflicht: Er sollte § 169 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) dahingehend öffnen, dass der Bundesgerichtshof nicht nur seine Entscheidungsverkündung, sondern die ganze Verhandlung übertragen dürfe. Daneben sollte er § 169 Abs. 1 S. 3 GVG so reformieren, dass an den Instanzgerichten auch Videoübertragungen in einen (virtuellen) Medienarbeitsraum möglich sind.

Adbusting: Dass das so genannte Adbusting, also das Kapern und Überschreiben von Plakatwerbung, oft unverhältnismäßig streng verfolgt wird, erläutern Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano und Forschungsassistent Andreas Gutmann auf verfassungsblog.de. Es werde nicht berücksichtig, dass auch diese Form des Protestes vom Schutzbereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit umfasst sei.

Strafrecht I: Rechtsprofessor Matthias Jahn stellt in der Sa-FAZ das neue Buch von Jörg Kinzig "Noch im Namen des Volkes? – Über Verbrechen und Strafe" vor. Das verschärfte Sexualstrafrecht in weltumspannender #MeToo-Gesellschaft, der Ausruf "schon wieder war’s ein Ausländer", gefühlte Kriminalität im sozialen Nahraum und irrationale Ängste um Hab und Gut, dem ausländische Verbrecherbanden rund um die Uhr nachstellen – kein Aufregerthema werde ausgespart. Kinzig behandle die Themen neben der nötigen Portion Gelassenheit, auch mit feiner Ironie zwischen den Zeilen, so Jahn.

Strafrecht II: Einem etwas älteren Werk zum Sinn des Strafens widmet sich Martin Rath auf lto.de. Bereits in den siebziger Jahren hat der Bielefelder Richter Helmut Ostermeyer in seinem Buch "Die bestrafte Gesellschaft. Ursachen und Folgen eines falschen Rechts" die "innere Einstellung des Bürgers zum Verbrechen" untersucht.

Täterschaft und Teilnahme: In der vergangenen Woche wurde wegen der Tötung von Walter Lübcke das Hauptverfahren eröffnet. Angeklagt ist nicht nur der Hauptbeschuldigte E. wegen Mordes, sondern auch H. wegen Beihilfe. Der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer erläutert in seiner Spiegel-Kolumne aus diesem Anlass die Grundlagen zur Täterschaft und Teilnahme und stellt dabei auch noch einige weitere strafrechtliche Begrifflichkeiten klar.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Juni 2020: Neuer Kindesmissbrauchsfall / Kritik am Berliner ADG / Seehofer-Äußerung beim BVerfG . In: Legal Tribune Online, 08.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41826/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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