Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. März 2020: Coro­na­virus / Geset­zes­test für Fami­li­en­un­ter­nehmen / Details zum VW-Ver­g­leich

16.03.2020

Die immer drastischeren Maßnahmen gegen die Coronavirus-Epidemie werden juristisch intensiv diskutiert. Die Familienunternehmen wollen bei allen Gesetzen berücksichtigt werden. VW und vzbv veröffentlichen Details zum MFK-Vergleich.

Thema des Tages

Coronavirus und Recht: Mit den rechtlichen Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus befassten sich zahlreiche Medien: Der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln Martin Huff erläutert auf lto.de, woran Rechtsanwälte denken müssen, wenn Anwälte oder Mitarbeiter in häusliche Quarantäne müssen oder die Kanzlei gar geschlossen wird. Im Interview von lto.de (Tanja Podolski) mit dem Arbeitsrechtsanwalt Jochen Keilich geht es um die Rechte und Pflichten der Eltern bei Schulschließungen und im Gespräch mit spiegel.de (Dietmar Hipp) erklärt die Verwaltungsrechtlerin Sigrid Wienhus die Möglichkeiten des Staates, angeordnete Maßnahmen auch tatsächlich durchzusetzen. Die Mo-taz (Christian Rath) beschreibt den rechtlichen Handlungsrahmen für den Staat, sollte sich die Situation weiter zuspitzen, und stellt dabei – genauso wie der Spiegel (Jonas Schaible) – fest, dass der Bundestag auf eine Epidemie unzureichend vorbereitet ist. Ebenso unklar ist, so heißt es im Tsp (Jost Müller-Neuhof), wer für Schäden durch abgesagte Veranstaltungen aufkommt. Auch Rechtsprofessor Matthias Cornills befasst sich auf verfassungsblog.de ausführlich mit dieser Frage. Auf zpoblog.de (Benedikt Windau) sind einige Aspekte zu den Auswirkungen von COVID-19 auf den Zivilprozess (insbesondere zu Fristen und Terminsverlegungen) zusammengefasst und der Insolvenzverwalter Lucas Flöther fordert im Interview mit dem Hbl (Volker Votsmeier) eine befristete Lockerung der Insolvenzantragspflichten für Unternehmer.

Rechtspolitik

Gesetzestest für Familienunternehmen: Für eine stärkere Einbindung der Familienunternehmen im Gesetzgebungsverfahren setzt sich die Stiftung Familienunternehmen ein. "Gesetze, die in der Vergangenheit mit Blick auf Großkonzerne gemacht wurden, können gravierende Auswirkungen auf Familienunternehmen haben", wird der Vorstand der Stiftung, Rainer Kirchdörfer, in einem Text im Hbl (Heike Anger/Anja Müller) zitiert. Vorgeschlagen wird deshalb ein Test, mit dem sich die Folgen von neuen Vorschriften und Gesetzesänderungen auf Familienunternehmen überprüfen lassen.

EU-Urheberrecht vs. Datenschutz: In einem Gastbeitrag für netzpolitik.org erläutert Christoph Schmon von der Electronic Frontier Foundation, warum aus seiner Sicht die Vorgaben der EU-Urheberrechtsrichtlinie mit den EU-Datenschutzvorschriften kollidieren. Es geht ihm dabei um den vieldiskutierten Artikel 17 UrhRL (vormals Artikel 13 des Entwurfes), der die Anbieter von Plattformen für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte haftbar wacht, wenn die Betreiber nicht Vorkehrungen dagegen getroffen haben. Nach Ansicht des Autors würden entsprechende Maßnahmen als "automatisierte Entscheidungen" unter Artikel 22 der Datenschutzgrundverordnung fallen, die nur in Ausnahmefällen zulässig sind.

Stiefkindadoption: Der Bundesrat hat die vom Bundestag kürzlich verabschiedete Neuregelung zur Stiefkindadoption gebilligt. Künftig können auch Unverheiratete das Kind ihres Partners/ihrer Partnerin adoptieren, meldet lto.de. Das Paar muss seit mindestens vier Jahren eheähnlich zusammenleben oder bereits ein gemeinsames Kind haben. Mit dem neuen Gesetz soll eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt werden.

Staatsleistungen an Kirchen: FDP, Grüne und Linke haben einen Gesetzentwurf zur Ablösung der sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen vorgelegt. Bei Staatsleistungen handelt es sich um historisch begründete staatliche Zuwendungen, die unter anderem kirchliche Vermögenseinbußen durch staatliche Säkularisationsmaßnahmen entschädigen sollten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder die bisher jährlichen Zahlungen an die Religionsgesellschaften in den kommenden Jahren durch einmalige Zahlungen oder durch Ratenzahlungen ablösen. Die Sa-FAZ (Daniel Deckers) und die Sa-Welt (Matthias Kamann) berichten über den Vorschlag.

In einem separaten Kommentar meint Daniel Deckers (Sa-FAZ), dass es ohnehin einhundert Jahre nach dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung beim besten Willen niemandem mehr zu vermitteln sei, dass jeder Bürger auf dem Weg der sogenannten altrechtlichen Staatsleistungen die katholische und die evangelische Kirche finanziere.

EU-Gesetzgebung: Wie der Spiegel (Markus Becker) meldet, soll es jetzt doch kein eigenes Initiativrecht des Europäischen Parlamentes im europäischen Gesetzgebungsprozess geben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor ihrer Wahl zugesagt, das bisherige alleinige Vorschlagsrecht der Kommission für Gesetze zu erweitern. Aus der Antwort auf eine Anfrage des FDP-Europaabgeordneten Moritz Körner geht hervor, dass die Kommission dieses Versprechen nun gestrichen hat.

Justiz

OLG Braunschweig – Vergleich im MFK-Verfahren: Details zur Abwicklung des zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und dem Autohersteller VW geschlossenen Vergleichs haben die Sa-SZ (Angelika Slavik) und die Sa-FAZ (Carsten Germis) zusammengestellt. VW hat sich verpflichtet, 830 Millionen Euro unter etwa 262 500 Klägern aufzuteilen. Bis zum 20. April haben die Kläger jetzt Zeit, zu entscheiden, ob sie den Vergleich annehmen wollen.

BVerfG und LG Berlin zum Berliner Mietendeckel: Die Sa-SZ (Jan Heidtmann) befasst sich mit den beiden aktuellen Entscheidungen zum Berliner Mietendeckel: Das Bundesverfassungsgericht hatte einen Eilantrag gegen die Neuregelung abgewiesen, das Landgericht Berlin sieht sie als verfassungswidrig an.

Das neue Berliner Gesetz erfülle alle Erwartungen, meint Jan Heidtmann (Sa-SZ) in einem separaten Kommentar kritisch. Handwerker klagten, dass Wohnungsbaugesellschaften ihre Investitionen zum Erhalt der Miethäuser zurückstellen, Bauträger klagten, dass sich viele ihrer Vorhaben nicht mehr rechnen würden. Und auch rechtlich geschehe das, womit zu rechnen war: Der Deckel verunsichere Vermieter wie Mieter.

BVerfG zur Suizidhilfe: Kritisch setzt sich der frühere Bundestagsabgeordnete, Minister und zweimalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in einem Gastbeitrag in der Sa-SZ mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur geschäftsmäßigen Suizidhilfe auseinander. Die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben auch im Sterben hänge vor allem von der Solidarität zwischen den Menschen ab, sagt Müntefering.

BGH – fiktiver Schadensersatz: Der für das Kaufrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat laut lto.de bei den Kollegen vom VII. Zivilsenat, die für das Werkvertragsrecht zuständig sind, nachgefragt, ob diese an ihrer Auffassung, wonach es im Werkvertragsrecht keinen fiktiven Schadensersatz mehr gibt, festhalten. Im Fall geht es um den Reparaturschaden an einer Immobilie, den der Käufer ersetzt haben will, obwohl die entsprechende Reparatur noch nicht vorgenommen wurde.

LG Stuttgart – Abgasaffäre bei Porsche: Das Landgericht Stuttgart hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, wie der Begriff der "Abschalteinrichtung" auszulegen ist. Außerdem wollen die Richter wissen, ob nach Ansicht des Luxemburger Gerichtes sogenannte Thermofenster zulässig sind. Im Ausgangsverfahren geht es um die Klage eines Käufers, der seinen Kaufvertrag rückabgewickelt wissen will. lto.de berichtet über die Vorlage.

LG Wiesbaden – Christopher Jahns: Die Sa-SZ (Jan Willmroth) stellt den aktuellen Stand im Untreueprozess gegen den früheren Präsidenten der European Business School dar. Das Verfahren sollte nach fünf Jahren Unterbrechung in der kommenden Woche fortgesetzt werden, jetzt berät das Gericht aber erneut über eine mögliche fortbestehende Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Womöglich wird das Verfahren demnächst endgültig ohne Ergebnis eingestellt.

LSG NRW zur Erstattung eines nicht zugelassenen Medikamentes: Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat, wie lto.de meldet, entschieden, dass eine Versorgung mit einem in der EU nicht zugelassenen Medikament zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheidet, soweit andere Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind. In dem vom LSG entschiedenen Fall geht es um ein sieben Monate altes Mädchen, das an spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ 1 leidet und aktuell mit einem in der EU zugelassenen Medikament behandelt wird. Den Antrag auf Übernahme der Kosten einer Behandlung mit einem anderen, in der EU nicht zugelassenen Medikament, bei dem eine einmalige Injektion rund zwei Millionen Euro kostet, lehnte die Krankenkasse ab und bekam nun vom LSG recht.

Recht in der Welt

USA – Chelsea Manning: lto.de meldet, dass ein US-Gericht die Freilassung der früheren Whistleblowerin Chelsea Manning angeordnet hat. Manning sitzt seit Mai 2019 wegen Missachtung des Gerichts in einem Gefängnis in Alexandria (Virginia) in Beugehaft. Sie hatte sich geweigert, über den Gründer der Enthüllungs-Plattform Wikileaks Julian Assange auszusagen.

Russland – Verfassungreform: Die jüngste Änderung der russischen Verfassung, die vor allem dem derzeitigen Präsidenten eine mögliche Amtszeitverlängerung bringt, beleuchten der Spiegel (Christian Esch), die Mo-taz (Klaus-Helge Donath) und die FAS (Friedrich Schmitt).

Sonstiges

Litigation: Im Interview mit lto.de (Anja Hall) erzählt Kim Lars Mehrbrey, Prozessanwalt bei Hogan Lovells, von seinen Anfängen als einer der ersten deutschen Prozessanwälte in einer Großkanzlei und darüber, wie sich die Litigation aus einer Nischenposition heraus in den letzten Jahren entwickelt hat.

Arbeitszeitgesetz: Die beiden Rechtsanwälte Matthias Brockhaus und Sebastian Maiß erläutern auf lto.de, wie Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz sanktioniert werden. Nach § 22 ArbZG ist die Verhängung eines Bußgeldes oder in den Fällen des § 23 ArbZG sogar die Ahndung als Straftat möglich.

Polizeigeschichte: Anlässlich des Internationalen Tages gegen Polizeigewalt schaut sich Martin Rath auf lto.de die verschiedenen Epochen der Polizeigeschichte seit dem sogenannten Blutmai 1929 an, als beim Versuch, ungenehmigte kommunistische Demonstrationen zu unterbinden, 33 Menschen getötet und zahlreiche verletzt wurden.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. März 2020: Coronavirus / Gesetzestest für Familienunternehmen / Details zum VW-Vergleich . In: Legal Tribune Online, 16.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40843/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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