Die juristische Presseschau vom 26. bis 28. Oktober 2019: Bekämp­fung des Rechts­ex­t­re­mismus / BRAK beriet über Berufs­rechts­re­form / DAV warnt vor erwei­terter DNA-Ana­lyse

28.10.2019

Das Bundeskabinett will am Mittwoch ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus beschließen. Außerdem in der Presseschau: Die BRAK diskutiert die Eckpunkte zur BRAO-Reform und der Deutsche Anwaltverein warnt vor der erweiterten DNA-Analyse.

Thema des Tages

Bekämpfung Rechtsextremismus: Die Mo-SZ (Ronen Steinke) stellt das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hate Speech im Internet vor, auf das sich die Koalition geeinigt hat und das am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden soll. Unter anderem ist vorgesehen, dass vor Erteilung einer Waffenerlaubnis eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgen soll. Schon die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung, zum Beispiel der NPD, soll zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen. Außerdem sollen Beleidigungen im Internet schärfer bestraft werden als solche, die offline erfolgen. Onlinediensteanbieter sollen nach den Plänen verpflichtet werden, bestimmte Straftaten direkt an eine noch einzurichtende Stelle des Bundeskriminalamts (BKA) zu melden. Dazu will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ändern und hat nach dem vorliegenden Bericht einen entsprechenden Gesetzentwurf bis Ende des Jahres angekündigt.

Hate Speech: Zur bevorstehenden Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat Bayern eine Beschlussvorlage eingebracht, mit der die Bundesregierung dazu aufgefordert werden soll, bei Betreibern Sozialer Netzwerke stärker darauf hinzuwirken, dass Auskunftsersuchen von Ermittlungsbehörden "zügig und erschöpfend" beantwortet werden. In Frankreich gebe es seit Juni dieses Jahres eine Vereinbarung zwischen den Netzwerkbetreibern und der Regierung, nach der bei Hasskommentaren die IP-Adressen der Verdächtigen an die Justiz übermittelt werden sollen, heißt es im Spiegel.

NetzDG: Rechtsanwalt Ingo Bott zieht auf lto.de nach zwei Jahren Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ein eher negatives Fazit: Der Gesetzgeber habe mit dem NetzDG einen Hybriden geschaffen, der vieles wolle und nichts erreiche. Die Anknüpfung der durch das NetzDG benannten "rechtswidrigen Inhalte" an über zwanzig Straftatbestände sorge in Rechtstheorie und -praxis nachhaltig für Irritation und mit der Frage, ob, wie und warum eine Äußerung in einem Sozialen Netzwerk unter das NetzDG falle, ließen Politik und Rechtsprechung die Anbieter weitgehend allein.

Weniger kritisch sieht Richter Christoph Buchert in seiner Replik, ebenfalls auf lto.de, das NetzDG. So habe sich gezeigt, dass die anfängliche Angst vor einem übermäßigen Löschen legaler Inhalte ("Overblocking") unbegründet gewesen sei.

Rechtspolitik

Kinderrechte ins GG: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will bis zum Ende des Jahres einen Gesetzentwurf zur Einführung von Kinderrechten in das Grundgesetz vorlegen und hat dazu jetzt den Abschlussbericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Sa-FAZ (Helene Bubrowski), die Sa-SZ (Henrike Roßbach) und lto.de (Hasso Suliak) berichten darüber.

Anwaltliches Berufsrecht: Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat sich auf ihrer halbjährlichen Hauptversammlung unter anderem mit dem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums zum anwaltlichen Berufsrecht befasst. lto.de fasst die dort diskutierten Themen zusammen. Nach wie vor kritisch bewertet die Kammer eine Öffnung des bisher bestehenden Fremdkapitalverbots und auch für eine gesetzliche Neuregelung in Bezug auf Legal Tech sieht sie keinen Bedarf.

Erweiterte DNA-Analyse: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt laut spiegel.de (Ansgar Siemes) die Bundesregierung davor, Ermittlern neue Befugnisse bei der DNA-Analyse zu geben: Der in der vergangenen Woche vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Modernisierung des Strafverfahrens sieht vor, dass künftig DNA-Spuren auch auf Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person untersucht werden dürfen. Das sei ein Tabubruch, wird DAV-Hauptgeschäftsführer Philipp Wendt zitiert.

Anzeigepflicht für sexuellen Missbrauch: Die Mo-SZ (Anna Fischhaber) stellt die Diskussion um die Einführung einer Anzeigepflicht für sexuellen Kindesmissbrauch dar. Der Ex-Polizist Manfred Paulus sei dafür, Beratungsstellen eher dagegen.

Berliner Mietendeckel: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof, Sabine Beikler u.a.) erläutern, wie es jetzt mit dem sogenannten Mietendeckel weitergeht, den der Berliner Senat beschlossen hat. Mit einer Beschlussfassung im Berliner Abgeordnetenhaus rechnen die Autoren erst im nächsten Februar. Die Sa-Welt (Michael Gassmann) hat Rechtsexperten befragt, auf was sich Vermieter einstellen sollten. Die Berliner CDU hat laut Mo-Welt angekündigt, zu dem Gesetz das Verfassungsgericht anrufen zu wollen.

Arbeitszeit: Rechtsprofessor Gregor Thüsing plädiert in einem SZ-Gastbeitrag für eine Neuregelung des Arbeitszeitrechts. Flexibilisierungsmöglichkeiten des EU-Rechts sollen genutzt werden, um das Gesetz den praktischen Gepflogenheiten der Betriebe anzupassen.

Justiz

OLG Naumburg zur Berufungsbegründung: In einem Verfahren um eine Schadensersatzforderung wegen eines mutmaßlich in der Abgas-Software manipulierten Audi hat das Oberlandesgericht Naumburg die Berufung abgelehnt, weil die Begründung lediglich aus vorgefertigten Textbausteinen bestanden hat. Die eingereichte Begründung habe sich nicht detailliert mit dem Urteil des Landgerichts auseinandersetzt, sondern sei "erkennbar aus einem Schriftsatz entwickelt, der als Begründung der Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Braunschweig verwendet wurde", so laut lto.de das Gericht.

OVG RP zum Entzug der Waffenerlaubnis: Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat den Widerruf einer Waffenbesitzerlaubnis gegenüber einem sogenannten Reichsbürger bestätigt. Wer ein "reichbürgertypisches" Verhalten an den Tag lege und damit Grund zu der Annahme gebe, dass er die Existenz des deutschen Staats nicht anerkennt, besitze auch nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, um Waffen anvertraut zu bekommen, heißt es zur Entscheidung bei lto.de.

LG Frankfurt am Main zur Entlastung des Deutsche-Bank-Vorstands: Das Landgericht Frankfurt am Main hat auf die Klage eines Kleinaktionärs hin die Entlastung von Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bank für nichtig erklärt. Das melden Spiegel und Sa-FAZ (Timm Kanning/Hanno Mußler) Es geht um nach Ansicht des Gerichtes unzureichend beantwortete Fragen zur Rolle der US-Investmentgesellschaft Cerberus, die sowohl Aktionärin als auch Beraterin der Deutschen Bank ist. Das Hbl (Yasmin Osman) erläutert ausführlicher die Hintergründe.

LG München II – Schlammlawine in Brasilien: Wie der Spiegel (Hubert Gude u.a.) meldet, wurde beim Landgericht München II eine Schadensersatzklage gegen den TÜV Süd wegen einer verheerenden Schlammlawine in Brasilien vor neun Monaten eingereicht. Brasilianische Mitarbeiter des TÜV hatten die Sicherheit eines Staudamms attestiert, obwohl daran erhebliche Zweifel bestanden. 900 Kläger werfen dem TÜV Süd nun vor, an der Katastrophe, bei der 252 Menschen getötet wurden, mitverantwortlich zu sein.

LG Hamburg – SS-Wachmann: Sa-FAZ (Mattias Wyssuwa) und Sa-SZ (Peter Burghardt) berichten vom Hamburger Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D., der im KZ Stutthof an der Tötung von Gefangenen beteiligt gewesen sein soll.

LG Essen zur Werbung bei E-Zigaretten: Das Landgericht Essen hat einem E-Zigarettenhersteller auf die Klage der Wettbewerbszentrale hin verboten, mit dem Slogan "Genuss ohne Reue" zu werben. Dies sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die in der Werbung verboten sei, so das Gericht laut Meldungen von lto.de und Mo-FAZ (Gustav Theile).

VG Köln zu Höcke, AfD-"Flügel" und BfV: Der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke ist, wie nun auch die Sa-FAZ (Marlene Grunert) meldet, vor dem Verwaltungsgericht Köln mit einem Antrag gescheitert, dem Bundesamt für Verfassungsschutz Äußerungen zum extremistischen Charakter des sogenannten "Flügels" zu verbieten. Das Gericht verwarf den Antrag schon deshalb, weil der strittige Satz nicht auf Höcke persönlich bezogen gewesen sei.

VG Berlin – Klimawandel: Vor dem Verwaltungsgericht Berlin klagen mehrere Biobauern gemeinsam mit der Umweltorganisation Greenpeace gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der Vorwurf: Es werde zu wenig getan, um den menschengemachten Klimawandel einzudämmen. Konkret geht es um das Klimaziel 2020, das die Bundesregierung nicht ausreichend konsequent verfolge. Die Sa-taz (Gesa Steeger) stellt die Kläger ausführlich vor.

AG Würzburg zu Todesfahrt eines Heranwachsenden: Politiker haben laut Welt (Claudia Kade) die Entscheidung des Amtsgerichts Würzburg kritisiert, das einen Heranwachsenden, der betrunken eine junge Frau mit seinem Auto getötet hatte, zu einer Geldstrafe verurteilte. "Eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro für das Töten eines Menschen durch eine Alkoholfahrt sorgt nicht nur bei mir für Unbehagen", wird beispielsweise der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU) zitiert.

StA Halle – Aussagen von Rechtsextremisten: Die Seite-3-Reportage der Mo-SZ (Annette Ramelsberger) untersucht den Umgang mit rechten Umtrieben in Sachsen-Anhalt und beschäftigt sich dabei großteils mit der Frage, warum die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) Strafverfahren gegen Rechtsextremisten wegen Beleidigung und Volksverhetzung fast immer einstellt. Laut Staatsanwaltschaft sei "das Bewerten von Geschmacklosigkeiten und politischen Provokationen" nicht ihre Aufgabe.

Recht in der Welt

Spanien – Verurteilung von Separatisten: Rechtsprofessor Victor Ferreres Comella von der Universität Barcelona widerspricht auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) seinem Kollegen José Luis Martí, der an gleicher Stelle das Urteil des Obersten Spanischen Gerichtshofes gegen katalanische Separatistenführer heftig kritisiert hatte.

Juristische Ausbildung

Erfolgloses Examen: Dass ein Nichtbestehen des juristischen Staatsexamens keineswegs das Aus für eine juristische Karriere bedeuten muss, erklärt die FAS (Annika Klotzko). So gebe es die Möglichkeit, unter teilweiser Anrechnung der bisherigen Studienleistungen im Ausland, z.B. in Österreich, einen juristischen Abschluss zu erwerben oder hierzulande ein Bachelorstudium im Wirtschaftsrecht zu absolvieren.

Sonstiges

Zurückweisungshaft: Der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka erläutert auf verfassungsblog.de, warum die Inhaftierung von Personen, die an der deutsch-österreichischen Grenze festgesetzt werden, rechtswidrig ist.

Künstliche Intelligenz im Unternehmen: Die rechtlichen Schwierigkeiten beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung unternehmerischer Entscheidungen erläutert Wirtschaftsrechtsprofessor Ulrich Noack auf dem Handelsblatt-Rechtsboard.

Bier oder Nichtbier: Die Auseinandersetzung zwischen den bayerischen Herstellern von Bier und den außerbayerischen Herstellern von bierähnlichen Getränken in den 1950er Jahren beschreibt Martin Rath auf lto.de.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. bis 28. Oktober 2019: Bekämpfung des Rechtsextremismus / BRAK beriet über Berufsrechtsreform / DAV warnt vor erweiterter DNA-Analyse . In: Legal Tribune Online, 28.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38407/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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