Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Dezember 2018: Bun­des­ge­setz­blatt für alle / BVerfG zu Pri­vi­le­gie­rung von Gewerk­schafts­mit­g­lie­dern / LG Berlin – Kein Ver­fahren gegen SS-Mann

24.12.2018

Die BJMin will künftig Gesetze digital verkünden. Außerdem in der Presseschau: Laut BVerfG dürfen Gewerkschaftsmitglieder gegenüber Nichtmitgliedern privilegiert werden und in Berlin wurde ein Verfahren gegen einen früheren SS-Mann nicht eröffnet.

Thema des Tages

Zugang zum Bundesgesetzblatt: Laut Mo-FAZ (Hendrik Wieduwilt) sollen künftig alle Bürger einen kostenlosen und uneingeschränkten Zugriff auf das Bundesgesetzblatt erhalten. Bundesjustizministerin Katarina Barley hat gegenüber der FAZ angekündigt, dass Gesetze und Verordnungen künftig uneingeschränkt digital verkündet werden. Das elektronische Bundesgesetzblatt werde dann die einzig verbindliche Fassung von Gesetzen und Verordnungen beinhalten. Bürger sollen kostenfrei und ohne Barrieren auf das Gesetzblatt zugreifen können. Bisher gibt es zwar schon einen kostenlosen so genannten Bürgerzugang auf das BGBl. I und das BGBl. II, allerdings sei es nicht möglich, die PDF-Dokumente zu kopieren, richtig zu durchsuchen oder auszudrucken. Voraussetzung für die digitale Verkündung ist eine Änderung des Grundgesetzes, heißt es in der FAZ.

Rechtspolitik

Rauschtaten: Laut eines Berichtes des Spiegels (Florian Bayer) hat sich Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow dafür ausgesprochen, Rauschtaten stärker als bisher zu bestrafen. Er regt eine Gesetzesreform an, nach der Menschen, die keiner Sucht verfallen sind und sich dennoch gezielt berauschen, wenn sie anderen Menschen Schaden zufügen, grundsätzlich genauso bestraft werden sollen, wie nüchterne Täter.

Verfassungsänderung – Digitalpakt: Die FAS (Frank Pergande) fasst noch einmal zusammen, warum sich die Länder so vehement gegen die im Zusammenhang mit dem Digitalpakt vorgesehene Verfassungsänderung wenden. Durch Änderung des Art. 104b GG soll festgelegt werden, dass die Länder, wenn der Bund künftig Geld gibt, dieses nur bekommen, wenn sie in gleicher Höhe eigenes Geld dazuschießen. Die wohlhabenderen Länder befürchten jetzt Eingriffe in ihr Haushaltsrecht, die anderen kritisieren, dass sie Bundesmittel verlieren würden und noch weiter zurückfielen, wenn sie ihren Anteil nicht aufbrächten.

Migrationspakt: Die Kritik am UN-Migrationspakt und dabei insbesondere die Argumente des emeritierten Strafrechtlers und Rechtsphilosophen Reinhard Merkel widerlegen auf verfassungsblog.de die Doktorandin Sinthiou Buszewski und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Hannah Birkenkötter. Die Autorinnen fordern aber eine stärkere parlamentarische und öffentliche Debatte über multilaterale Verhandlungsprozesse.

Justiz

BGH zu Terror in Ruanda: Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung des in Deutschland lebenden Präsidenten der ruandischen Terrortruppe FDLR teilweise aufgehoben, berichtet jetzt auch die FR (Ursula Knapp). Ignace Murwanashyaka, war nach einem Mammut-Prozess vom Oberlandesgericht Stuttgart zu dreizehn Jahren Haft verurteilt worden. Er soll nicht nur Rädelsführer der Gruppierung FDLR ("Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas") gewesen sein, sondern auch von Mannheim aus Beihilfe zu grausamen Kriegsverbrechen an der Bevölkerung im Ostkongo geleistet haben. Der BGH hatte "durchgreifende rechtliche Bedenken" gegen die Verurteilung wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen. Murwanashyaka habe teilweise erst im Nachhinein von den Racheaktionen erfahren und habe auch keinen nachweisbaren Einfluss auf die Milizen der FDLR gehabt, so das Gericht.

BGH zum Urheberrechtsschutz in Museen: Im Medienteil der Sa-FAZ wird jetzt auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes hingewiesen, nach der im kostenfreien Online-Lexikon Wikipedia eingescannte Fotos von Kunstwerken auch mit abgelaufenem Urheberrechtsschutz nicht veröffentlicht werden dürfen. Geklagt hatte der Träger eines kommunalen Kunstmuseums. Fotografien von den in der Sammlung enthaltenen Kunstwerken waren in die Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen und zum öffentlichen Abruf bereitgestellt worden. Bei den Fotografien handelte es sich teilweise um Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin, die der Beklagte zuvor eingescannt hatte. Die übrigen Fotos hatte der Beklagte bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst angefertigt und Wikimedia Commons unter Verzicht auf sein Urheberrecht zur Verfügung gestellt. In Bezug auf die eingescannten Fotografien seien die Urheberrechte des Fotografen verletzt worden, hinsichtlich der selbst angefertigten Aufnahmen liege eine Verletzung der Benutzungsordnung des Museums vor, die das Fotografieren verboten hatte, so die Karlsruher Richter. Jost Müller-Neuhof (tsp) meint, dass Fotoverbote bei gemeinfreien Werken – insbesondere, wenn es sich nicht um private Museen mit privaten Sammlungen handele, sondern um staatliche oder staatlich finanzierte Einrichtungen – nicht gerechtfertigt seien. Das museale Hausrecht werde mit der BGH-Methode zu einer de-facto-Verlängerung des Urheberschutzes und übertrage es auf die Aussteller, die dann nach eigenem Gusto bestimmen könnten, ob und wann jemand fotografieren darf und was er dafür zahlen muss.

BVerfG zur Privilegierung von Gewerkschaftsmitgliedern: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass es keinen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit darstelle, wenn bestimmte Vorteile nur Gewerkschaftsmitgliedern zugutekommen. Der "faktische Anreiz" zur Gewerkschaftsmitgliedschaft sei kein unzulässiger Druck auf Nichtmitglieder, meinten die Karlsruher Richter laut Meldungen von lto.de und BadZ (Christian Rath). Die Richter verwiesen darauf, dass Gewerkschaften nur mit Wirkung für ihre Mitglieder Tarifverträge abschließen können. Deshalb bestehe aus Sicht der Nicht-Mitglieder immer die Gefahr, dass ihr Individualvertrag hinter dem kollektiven Tarifvertrag zurückbleibe.

BVerwG – die wichtigsten Entscheidungen: lto.de (Hasso Suliak) stellt die wichtigsten Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2018 vor, darunter das Diesel-Urteil, Entscheidungen zur Wissenschaftsfreiheit, zum Wahlrecht von Minderjährigen oder zum Umgang mit Parteien wie der NPD.

BGH zu Kinderehen: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jennifer Antomo befasst sich auf lto.de mit der Vorlage des Bundesgerichtshofes an das Bundesverfassungsgericht in Sachen Kinderehengesetz. Die Autorin meint, dass das 2017 in Kraft getretene Gesetz mit seiner dort geregelten Ipso-iure-Nichtigkeit von mit Minderjährigen geschlossenen Ehen gegen Art. 6 GG verstoße, der auch lediglich nach fremdem Recht wirksam geschlossene Ehen schütze. Außerdem widerspräche die Regelung internationalem und auch EU-Recht. Sie erläutert auch die Frage, in welcher Besetzung das Bundesverfassungsgericht wohl entscheiden werde. Beim neuen Verfassungsrichter Stephan Harbarth könnten Bedenken wegen einer möglichen Befangenheit bestehen, war er doch einer der Initiatoren des Gesetzes und Wortführer der politischen Debatte.

VerfGH NRW zur AfD-Klage wegen Wahlfälschung: Das Landesverfassungsgericht Nordrhein-Westfalen hat rund eineinhalb Jahre nach der Landtagswahl eine Wahlprüfungsbeschwerde der AfD als "offensichtlich unbegründet" zurückgewiesen, wie lto.de meldet. Die Partei hatte landesweite systematische Wahlfehler und Wahlfälschung zu ihren Lasten behauptet und eine Neuauszählung aller Zweitstimmen verlangt.

LG Berlin – Verfahren gegen SS-Mann: Das Landgericht Berlin hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen früheren SS-Mann des Konzentrationslagers Mauthausen abgelehnt. Wie die Sa-FAZ meldet, sahen die Richter keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den 95 Jahre alten Mann. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, Beihilfe zum Mord in mindestens 36.223 Fällen geleistet zu haben, da er von August 1944 bis Mai 1945 zur SS-Wachmannschaft des Lagers gehört habe.

Urteile im Blick der Öffentlichkeit: Die WamS (Gisela Friedrichsen) schaut sich einige im vergehenden Jahr gefällte Strafurteile an, die in der Öffentlichkeit besonders diskutiert wurden. Häufig wurden dabei die Richter als zu lasch, zu weltfremd und die Realität verkennend kritisiert. Als Beispiel wird die Verurteilung des Täters im Fall Kandel genannt, der sich jünger gemacht und erfolgreich auf die Uneinigkeit unter den Gutachtern gesetzt hatte und deshalb mit dem Jugendstrafrecht "davongekommen" sei. Selbstverständlich fehlt auch das NSU-Verfahren nicht in der Aufzählung der meistdiskutierten Urteile.

Recht in der Welt

Spanien – Stierkampfverbot: Das spanische Verfassungsgericht hat das vom Regionalparlament der Balearen Inseln verhängte Verbot, Stiere zu verletzten und zu töten aufgehoben. Das von Linksparteien beherrschte Regionalparlament der Balearen in Palma de Mallorca habe seine Kompetenzen überschritten, heißt es in einem Beitrag von lto.de. Da der Stierkampf 2013 zum nationalen Kulturgut erklärt wurde, könne nur der spanische Staat darüber entscheiden, hieß es.

USA – Strafreform: US-Präsident Donald Trump hat den "First Step Act" unterzeichnet, eine weitreichende Reform der Strafjustiz. Das berichtet die Mo-FAZ (Andreas Ross). Darin sind u.a. Hafterleichterungen für jene Gefängnisinsassen, die sich gut betragen und an Bildungsmaßnehmen teilnehmen, vorgesehen. Außerdem weicht das Gesetz die "Three Strikes"-Regel auf. Diese besagt bisher, dass ein ernstes Gewaltverbrechen automatisch zu lebenslanger Haft führt, sofern der Angeklagte zuvor schon zweimal wegen irgendwelcher Straftaten verurteilt worden war.

ICTY: Die Mo-FAZ (Michael Martens) stellt eine neue Untersuchung zum Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien vor. Der Autor des Werkes mache deutlich, dass sich die Arbeit des Tribunals rasch professionalisierte und viele seiner Urteile wichtige Quellen seien, "die auf einem hohen Niveau historische Begebenheiten darlegten. Einzelne Gerichtsurteile bieten sogar eine dermaßen detaillierte Darstellung der konfliktreichen Ereignisse, wie man sie in anderen Abhandlungen nicht finden kann."

Ungarn – Proteste gegen Arbeitsgesetze: Die Mo-taz (Ralf Leonhard) berichtet über die anhaltenden Proteste gegen die neuen ungarischen Arbeitsgesetze, die den Unternehmern die Möglichkeit geben, Überstunden im Ausmaß von 400 statt bisher 250 Stunden jährlich einzufordern und sich mit der Bezahlung drei Jahre Zeit zu lassen.

Sonstiges

Ulrich Kelber im Interview: lto.de (Hasso Suliak) hat sich mit Ulrich Kelber (SPD), der im Januar die bisherige Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhof (CDU) ablöst, unterhalten. Im Gespräch beklagt Kelber das ramponierte Image des Datenschutzes und fordert mehr Transparenz bei Bundesbehörden. Heftig kritisiert er den Umgang mit der Stiftung Datenschutz, die gegründet worden sei, um für Datenschutz zu sensibilisieren und Vorschläge für eine praxisgerechte und wirksame Datenpolitik zu machen. Die Stiftung sei von Anfang an viel zu schwachbrüstig aufgestellt worden und das BMI lasse sie gerade so viel arbeiten, dass sie nicht sterbe – sie solle nur bloß nicht zu groß werden, sagt der künftige Bundesdatenschutzbeauftragte.

Nachruf Horst Herold: In seinem Nachruf auf Ex-BKA-Präsident Horst Herold auf spiegel.de erinnert Ex-BGH-Richter Thomas Fischer daran, dass der frühere Chef des Bundeskriminalamtes auch der Erfinder der Rasterfahndung war, und wie dieses Instrument in früheren Jahren bereits angewandt wurde. Außerdem weist Fischer auf das Potential hin, dass künftige Rasterfahndungsmethoden durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz haben können.

Ausspähen von Flughäfen: Die rechtliche Abgrenzung zwischen Gefährdern und Tatverdächtigen erklärt am jüngsten Beispiel möglicher Ausspähungen von Flughäfen durch Drohnen der tsp (Jost Müller-Neuhof).

Tarifvertragsgesetz: Auf 100 Jahre Tarifvertragsgesetz blickt Martin Rath auf lto.de zurück.

Initiative "Palandt umbenennen": Die Mo-Welt (Thomas Schmoll) fasst zusammen, worum es der Initiative "Palandt umbenennen", die mittlerweile auch Unterstützer in der Politik hat, geht.

Weihnachtsmann und DSGVO: Potentielle Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung durch den Weihnachtsmann beleuchten Privatdozent Jan D. Lüttringhaus und der Doktorand Andres Zöllner auf juwiss.de.

Weihnachten 2018: Welch besonders kreative Weihnachtskarten die Redaktion in diesem Jahr erhalten hat, erzählt lto.de (Anja Hall/Tanja Podolski).

 

 

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Am Donnerstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/pf

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Dezember 2018: . In: Legal Tribune Online, 24.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32915 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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