Die juristische Presseschau vom 29. September bis 1. Oktober 2018: Koa­li­ti­ons­gipfel zur Zuwan­de­rung / Or­gan­klage gegen See­hofer ange­kün­digt / Ver­kauf von "Pegida-Galgen" ver­boten

01.10.2018

Montagabend treffen sich die Koalitionsvertreter, um über das geplante Zuwanderungsgesetz zu beraten. Außerdem in der Presseschau: Die AfD will Horst Seehofer verklagen und das LG Hamburg verbietet den "Pegida-Galgen".

Thema des Tages

Zuwanderungsgesetz: Mo-SZ (Henrike Roßbach/Mike Szymanski), Mo-FAZ (Eckart Lohse/Helene Bubrowski), zeit.de und Mo-taz geben einen Ausblick auf den für Montagabend geplanten Koalitionsgipfel, bei dem es um die Frage des sogenannten "Spurwechsels" gehen soll. Damit ist gemeint, dass auch abgelehnte Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen nach dem Einwanderungsrecht in Deutschland bleiben dürften. SPD, Grüne und FDP sind für einen Spurwechsel. In der CSU und überwiegend auch der CDU wird befürchtet, dass eine solche Regelung einen zusätzlichen Anreiz zur Flucht nach Deutschland biete. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hat sich gegenüber der FAZ dafür ausgesprochen, dass das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz eine Bleibeperspektive für abgelehnte Asylbewerber eröffnet, die auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst und sich gut integriert haben. "Für diese Menschen brauchen wir eine Stichtagsregelung", wird Widmann-Mauz zitiert. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert, dass Menschen, die gut integriert sind und eine Ausbildung abgeschlossen haben, die Möglichkeit bekommen sollten, auch auf dem Arbeitsmarkt tätig zu sein. Nach Ansicht von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer widerspricht dagegen der Spurwechsel "einer geregelten Einwanderungspolitik". Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, es gebe "zwei gleichwertige Einwanderungswege nach Deutschland".

Rechtspolitik

Organspende: Mit Blick auf die Debatte um die Einführung einer Widerspruchslösung im Organspenderecht spricht sich Reinhard Müller (Sa-FAZ) dafür aus, zunächst einmal zu prüfen, ob andere, mildere Mittel nicht greifen würden und meint damit eine bessere Organisation und vor allem Aufklärung und Transparenz, bevor die Organspende zur Pflicht wird.

Managergehälter: Wie die Sa-FAZ (Tillmann Neuscheler) berichtet, hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf erarbeitet, nach dem künftig Anteilseigener an Unternehmen mit über die Höhe der Managergehälter entscheiden sollen. Auf den Hauptversammlungen soll künftig regelmäßig über die Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten abgestimmt werden.

Wahlrecht: Laut Spiegel (Anne Seith) fordern immer mehr Abgeordnete von SPD und CDU eine Frauenquote für den Bundestag. Bereits in den vergangenen Wochen hatten die SPD-Politikerinnen Katarina Barley und Eva Högl sowie die Unionsabgeordnete Annette Widmann-Mauz für eine Quote plädiert. Der aktuelle Bundestag habe mit 30,9 Prozent den geringsten Frauenanteil seit 1998.

Juristentag: Über die Ergebnisse des Juristentages berichten die Sa-SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de (Tanja Podolski). So wurde u.a. angeregt, dass das Bundesverwaltungsgericht künftig die Verhältnisse in Herkunftsstaaten, aber auch in problematischen Abschiebeländern verbindlich für die unteren Instanzen feststellen solle. Kritisch äußerten sich die Fachleute zum demnächst in Kraft tretenden Gesetz zur Einführung einer Musterfeststellungsklage. Stattdessen sprach sich eine Mehrheit für eine echte Gruppenklage aus – mit Online-Registrierung und verbindlichem Leistungstitel. Außerdem votierten die Juristen einstimmig dafür, dass das familiäre Sorge- und Umgangsrecht der Vielfalt der Betreuungsmodelle Rechnung tragen müsse. Dazu soll die geteilte Betreuung neben dem Residenzmodell gesetzlich abgebildet und nicht wie bisher als Umgang, sondern rechtssystematisch als elterliche Sorge ausgestaltet werden.

Verwirkung der Religionsfreiheit: Mit einem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion im Bundestag befasst sich auf verfassungsblog.de Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz. Die Fraktion will die Freiheit der ungestörten Religionsausübung in den Kanon der verwirkbaren Grundrechte in Artikel 18 Grundgesetz (GG) aufnehmen. Danach könnte, wer die Religionsfreiheit zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, dieses Grundrecht nach entsprechender Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht verwirken. Gräditz meint, dass der Vorschlag aus verfassungsrechtlicher Sicht sinnlos bleibe, weil Artikel 18 GG eine praktisch bedeutungslose Bestimmung sei – seit Inkrafttreten des Grundgesetzes sei sie in keinem Fall zur Anwendung gekommen.

Justiz

BVerfG – Klage gegen Horst Seehofer: Die Fraktion der AfD im Bundestag hat eine Organklage gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angekündigt, weil dieser das Handeln der Fraktion als "staatszersetzend" bezeichnet hat. Man habe einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung der Aussagen durch das Bundesinnenministerium nach Karlsruhe geschickt, erklärte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner laut zeit.de. Es sei skandalös, dass das entsprechende Interview nach wie vor auf der Seite des Bundesinnenministeriums abrufbar sei, wird Brandner zitiert. Der Minister habe gegen das Gebot der Mäßigung verstoßen.

Interview mit BFH-Präsident Mellinghoff: Die Sa-FAZ (Heike Göbel/Hendrik Wieduwilt) hat anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Steuerrechtsprechung ein Gespräch mit dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs, Rudolf Mellinghoff, geführt. Unter anderem spricht er über eine derzeit laufende Ausstellung zur Geschichte des Reichs- und Bundesfinanzhofs, über die demnächst geltende Anzeigepflicht für neue Steuersparmodelle und über die Überlegungen zu einer Digitalsteuer.

BVerwG zur Wissenschaftsfreiheit: Anlässlich einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts befasst sich Rechtsanwalt Dennis Hillemann auf lto.de mit den Grenzen der Wissenschaftsfreiheit bei Personalentscheidungen von Hochschulsenaten. Das Resümee des Autors: Allgemeine Rechtsgrundsätze, zum Beispiel Auslegungsregeln, aber auch Rechte Dritter können und müssen die Wissenschaftsfreiheit einschränken. Es gebe keinen Schutz der Wissenschaftsfreiheit "um jeden Preis".

BVerwG zu journalistischem Auskunftsanspruch: lto.de und Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, mit der das zuständige Landtagsamt verpflichtet wurde, einem Journalisten Auskunft über das vom CSU-Landtagsabgeordneten Walter Nadler an seine Ehefrau gezahlte Bruttogehalt zu geben. Dem Auskunftsanspruch der Presse gebühre Vorrang gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Freiheit des Mandats und dem Schutz personenbezogener Daten des Abgeordneten und seiner Ehefrau, so das Gericht.

BAG zur Verzugskostenpauschale: Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Verzugskostenpauschale befasst sich nun auch Rechtsanwalt Martin Greßlin im Handelsblatt-Rechtsboard. Nach Ansicht der Erfurter Richter haben Arbeitnehmer bei Verzug des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung keinen Anspruch auf die Verzugskostenpauschale in Höhe von 40 Euro nach § 288 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Entscheidung sei richtig und würde hoffentlich zu einer erheblichen Beruhigung beitragen, sagt der Autor.

OLG Köln zu "wir-sind-afd.de": Das Oberlandesgericht Köln hat u.a. laut lto.de einem Berliner Blogger untersagt, die Domain "wir-sind-afd.de" zu nutzen, um Zitate bekannter AfD-Mitglieder zusammenzutragen. Er habe damit die Namensrechte der AfD verletzt, so das Gericht.

LG Hamburg zum Pegida-Galgen: Der sogenannte Pegida-Galgen darf nicht weiter öffentlich zum Verkauf angeboten werden. Das hat, wie taz.de (Christian Rath) und Sa-SZ (Peter Burghardt) berichten, das Landgericht Hamburg am Freitag entschieden. Ein Onlinehändler hatte Miniaturnachbildungen eines während einer Pegidademonstration 2015 getragenen Galgens mit den Aufschriften "Angela 'Mutti' Merkel" und "Siegmar 'das Pack' Gabriel" im Internet angeboten. Dagegen hatte Sigmar Gabriel geklagt und nun Recht bekommen.

AG Frankfurt/M. zum Stadionverbot: Das Amtsgericht Frankfurt/M. hat entschieden, dass ein Stadionverbot unwirksam sein kann, wenn keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Besorgnis künftiger Störungen besteht. Über die Entscheidung berichtet lto.de. Einem Hannoveraner Fußballfan wurde vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) auf Empfehlung der Polizei ein bundesweites Stadionverbot auferlegt. Der DFB dürfe sich jedoch nicht auf die subjektive Einschätzung der Polizei verlassen, sondern müsse eine eigene Tatsachengrundlage ermitteln, so das Gericht.

LG Paderborn – Höxter-Prozess: Ende der Woche sollen im Verfahren um das sogenannte Horrorhaus von Höxter die Urteile verkündet werden. Die Mo-SZ (Hans Holzhaider) fasst noch einmal die Hintergründe zusammen. Einem Paar wird vorgeworfen, mehrere Frauen über Jahre gequält und letztendlich getötet zu haben.

BGH – mehr Staatsanwälte zur Verfolgung von Völkerrechtsverstößen: Der Spiegel (Martin Knobbe) meldet, dass beim Generalbundesanwalt ein weiteres Referat eingerichtet wird, das sich um Fälle des Völkerstrafrechtes kümmert. Statt bislang sechs würden dann elf Staatsanwälte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen.

Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit: Die Sa-taz (Sara Tomšić) hat Anke Stein, die Leiterin der JVA Moabit, zur Frage interviewt, wie man Gefangenen vorurteilsfrei begegnen könne. "Wer was, wie getan hat, interessiert mich nur, wenn es mein Beruf fordert. Für meine alltäglichen Begegnung mit den Gefangenen spielt es keine Rolle, was in ihrer Akte steht", sagt Stein in diesem Gespräch.

Recht in der Welt

Polen – Interview mit Minister Jarosław Gowin: Die Sa-SZ (Florian Hassel) hat mit dem früheren Justiz- und jetzigen Wissenschaftsminister Polens, Jarosław Gowin, über die Justizreform gesprochen. Er glaube, so Gowin, dass die Reformen, die die Regierung jetzt ins Leben rufe, mit der Ordnung eines demokratischen Staates übereinstimmten.

Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem: Gegen den Umzug der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem haben die Palästinenser den Internationalen Gerichtshof angerufen. Wie die Mo-FAZ meldet, wird das UN-Gericht aufgefordert, "die Vereinigten Staaten anzuweisen, ihre diplomatische Vertretung aus Jerusalem zu entfernen". Palästina berufe sich auf die Wiener Konvention von 1961, die die diplomatischen Beziehungen von Staaten regelt, heißt es in der FAZ.

USA – Kontroverse um Richterkandidat Brett Kavanaugh: In den USA wird weiter über den Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, gestritten. Jetzt soll das FBI die Vorwürfe prüfen, die gegen ihn erhoben werden. Kavanaugh soll als Jugendlicher versucht haben, die damals 15-jährige Blasey Ford zu vergewaltigen. Unter anderem die Sa- und Mo-FAZ (Majid Sattar), die FAS (Thomas Gutschker), die Sa-Welt (Clemens Wergin) und die Sa-taz (Bernd Pickert) berichten über die Auseinandersetzung.

Dabei gehe es mehr um politische als um rechtliche Konstellationen, meint Hubert Wetzel (Mo-SZ). Danach sei Kavanaugh als Supreme-Court-Richter untragbar und seine Nominierung hätte längst zurückgezogen werden müssen.

Frankreich – Mordprozess Hélène Pastor: Die Sa-FAZ (Michaela Wiegel) berichtet über den Prozess wegen des mutmaßlichen Auftragsmordes an der Immobilienmilliardärin Hélène Pastor. Der Lebensgefährte ihrer Tochter soll die Tötung in Auftrag gegeben haben.

Sonstiges

Fotografieren und DSGVO: Die FAS (Corinna Budras) hat die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Fotografieren nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung zusammengestellt.

"Ehe für alle": Die FAS (Philipp Schulte) gibt einen Überblick über ein Jahr "Ehe für alle". Seit dem vergangenen Herbst können auch homosexuelle Paare heiraten, die Mentalität in der Gesellschaft ändere sich aber nur langsam. Homophobe Einstellungen in der Bevölkerung seien nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes noch immer verbreitet.

80 Jahre Münchener Abkommen: Im lto.de-Feuilleton erinnert Martin Rath an das Münchener Abkommen, mit dem Teile der Tschechoslowakei an Deutschland übertragen wurden. Noch Jahrzehnte später beschäftigten sich deutsche Gerichte mit den Folgen des Abkommens, Der Autor beleuchtet drei der Verfahren.

Alles Theater? Die Parallelen zwischen den Vorgängen im Gerichtssaal und auf der Theaterbühne zeichnet Alexander Rupflin, freiberuflicher Autor, Reporter und Jurist, auf lto.de nach. Der lebendige, freie Austausch in beiden Räumen zeige sich als Gradmesser für den gesunden Volksstaat. Wenn in der Türkei Behörden Theaterstücke absetzten, weil darin der Präsident Erdoğan erkannt werde, wenn die polnische Regierung Gerichte entmachte, dann höre der aufmerksame Bürger die Gemäuer der Demokratie bröckeln, so Rupflin.

Medienkritik und sexuelle Selbstbestimmung: In seiner Kolumne auf spiegel.de nimmt sich Thomas Fischer, Bundesrichter a.D., der Untersuchungshaft- und Medienpraxis der Münchener Justiz, dem Echo auf die Bremer BAMF-Vorgänge sowie strafrechtswissenschaftlichen Überlegungen an, Täuschungshandlungen zur Gestattung sexueller Handlungen unter Strafe zu stellen.

Rechtsanwalt und Krimiautor Tibor Rode: Im Interview mit der Mo-taz (Marco Carini) erzählt Tibor Rode, wie er es schafft, seine Tätigkeit als Rechtsanwalt mit dem Krimischreiben zu koordinieren, und von seinem jüngsten Roman. Darin geht es um einen jungen New Yorker Anwalt, der von einem Tag auf den anderen nicht mehr schlafen muss, das zuerst genießt, weil er endlich das tun kann, wozu ihm bislang die Zeit gefehlt hatte, später aber merkt, dass diese Schlaflosigkeit zum Fluch wird.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. September bis 1. Oktober 2018: Koalitionsgipfel zur Zuwanderung / Organklage gegen Seehofer angekündigt / Verkauf von "Pegida-Galgen" verboten . In: Legal Tribune Online, 01.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31233/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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