Die juristische Presseschau vom 25. September 2018: Klage gegen Polen / Asyl­rechts­ver­schär­fung in Ita­lien / Wei­tere Vor­würfe gegen Kava­naugh

25.09.2018

Die EU-Kommission verklagt Polen wegen der Richterzwangspensionierung. Außerdem in der Presseschau: In Italien soll das Asylrecht per Dekret verschärft werden und gegen den amerikanischen Richterkandidaten Kavanaugh gibt es neue Vorwürfe.

Thema des Tages

EU-Kommission verklagt Polen: Die EU-Kommission verklagt Polen wegen der umstrittenen Justizreform vor dem Europäischen Gerichtshof. Das Gesetz zur Zwangspensionierung von Richtern verstoße gegen EU-Recht, da es den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und insbesondere der Unabsetzbarkeit von Richtern untergrabe, erklärte die Kommission am Montag in Brüssel, wie u.a. lto.de, spiegel.de, FAZ (Michael Stabenow) und SZ melden. Gleichzeitig beantragte die Kommission im beschleunigten Verfahren einstweilige Anordnungen, mit denen die EU-Richter die umstrittenen Vorschriften zumindest so lange außer Kraft setzen sollen, bis ein Urteil darüber ergangen ist. Anderenfalls drohe die "Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die richterliche Unabhängigkeit und damit für die Rechtsordnung der EU", heißt es zur Begründung.

In einem separaten Artikel erinnert die FAZ (Gerhard Gnauck) daran, dass mit einer einstweiligen Anordnung auch die Androhung von Strafzahlungen verbunden werden können. Im Fall Bialowieza beispielsweise drohten Polen Strafzahlungen von 100.000 Euro pro Tag, hätte es die umstrittenen Rodungen nicht gestoppt.

Reinhard Veser (FAZ) meint, dass die Klage der EU-Kommission dem Streit mit der polnischen Regierung eine neue Qualität gebe. Denn falls der Europäische Gerichtshof dem Antrag der Kommission folge, werde sich zeigen, ob die polnische Führung noch bereit sei, sich an europäisches Recht zu halten – oder ob sie für das Ziel eines autoritären Staats bereit sei, offen die Regeln zu brechen, die sich aus der EU-Mitgliedschaft ergeben. Thomas Kirchner (SZ) befürchtet, dass das Fundament der EU insgesamt gefährdet gewesen wäre, wenn die Kommission jetzt nachgegeben hätte. Das System des europäischen Rechts – und damit der gesamte Binnenmarkt, der den Wohlstand der Europäer sichert – beruhe auf gegenseitigem Vertrauen. Ohne dieses Vertrauen könne das System nicht funktionieren, so Kirchner.

Rechtspolitik

Reformen im Strafzumessungsrecht: Der diesjährige deutsche Juristentag (djt) befasst sich u.a. mit dem Strafzumessungsrecht. Die SZ (Wolfgang Janisch) gibt eine Vorschau auf die zu erwartende Diskussion. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass es zwischen den Bundesländern und teilweise sogar schon zwischen den Gerichtsbezirken erhebliche Unterschiede in der Höhe der verhängten Strafe gibt. Der djt wird auch darüber debattieren, inwieweit die in den USA üblichen sentencing guidelines zu mehr Gerechtigkeit beim Strafen sorgen könnten.

Reformen im Kindschaftsrecht: Mit der Frage, wie die gemeinsam getragene Elternverantwortung nach Trennung und Scheidung gestaltet werden kann und ob hier gesetzliche Reformen erforderlich sind, befasst sich der diesjährige deutsche Juristentag. deutschlandfunk.de (Peggy Fiebig) widmet sich aus diesem Anlass dem so genannten Wechselmodell, bei dem die Betreuung des Kindes etwa gleichmäßig von beiden Elternteilen geleistet wird, und lässt dabei u.a. die Vorsitzende des Familienrechtstages Isabell Götz zu Wort kommen. Sie spricht sich vehement dagegen aus, das Wechselmodell – wie von er FDP vorgeschlagen – als Regelfall in das Gesetz zu schreiben.

Justiz

BSG zum Arbeitslosengeld bei unwiderruflicher Freistellung: In einem Gastbeitrag für lto.de analysiert Rechtsanwalt Radoslaw Kleczar eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes. Die Kasseler Richter haben festgestellt, dass Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts vom Arbeitgeber unwiderruflich freigestellt wird, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen sind. Die Rechtsprechung der Landessozialgerichte war hier bisher uneinheitlich, der Autor findet es gut und richtig, dass das BSG jetzt für Rechtsklarheit gesorgt hat.

BAG zu arbeitsvertraglicher Ausschlussklausel und Mindestlohn: Mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, in der festgestellt wird, dass eine arbeitsvertragliche Verfallsklausel, die Ansprüche auf den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt, insgesamt unwirksam ist, befasst sich Rechtsanwalt André Zimmermann auf Handelsblatt-Rechtsboard. Er gibt Unternehmen den Rat, zu prüfen, ob die Ausschlussklauseln in ihren Standardarbeitsverträgen Mindestlohnansprüche ausnehmen und insoweit hinreichend transparent formuliert sind, und diese gegebenenfalls nachzubessern.

VG Berlin – Klage auf Herausgabe von BMI-Twitter-Nachrichten: Die Betreiber der Internet-Plattform FragdenStaat.de haben beim Verwaltungsgericht Berlin Klage auf Herausgabe der Twitter-Direktnachrichten, die das Bundesinnenministerium versandt hat, erhoben. Das meldet auf netzpolitik.org der Initiator von FragdenStaat.de, Arne Semsrott. Es geht um das vom Ministerium ausdrücklich als Dialog eingerichtete Format "FragdenMinister". Die Kläger wollen wissen, ob die inzwischen tausend Kommentatoren eine befriedigende Antwort bekommen haben oder inwieweit das Ministerium selbst entscheidet, auf welchen Kommentar geantwortet wird und auf welchen nicht.

LG Regensburg – Verfahren gegen Oberbürgermeister: Über den Prozessauftakt gegen den derzeit suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs berichtet die taz (Dominik Bauer). Die Staatsanwaltschaft wirft dem 47-Jährigen Vorteilsannahme und Verstoß gegen das Parteiengesetz vor.

OLG Düsseldorf zu Kriegsverbrechen in Syrien: Wie zeit.de berichtet, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf einen 43-jährigen Syrer wegen Mordes und Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sei verantwortlich für Kriegsverbrechen in Form von Folter und Mord sowie Entführungen, sagte der Vorsitzende Richter.

BVerfG zur CDU-Wahlmöglichkeit in Bayern: Das fränkische Anwaltsehepaar, das durchsetzen will, dass auch in Bayern die CDU wählbar wird, ist laut lto.de mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Recht in der Welt

Italien – Asylrecht: Einem Bericht von spiegel.de zufolge will die italienische Regierung per Dekret das Asylrecht einschränken und Abschiebungen erleichtern. Nach dem Willen des italienischen Innenministers Matteo Salvini sollen Asylanträge künftig ausgesetzt werden können, "wenn der Antragsteller als 'sozial gefährlich' eingestuft werde oder in erster Instanz verurteilt worden sei". Salvini wies in einer Pressekonferenz zudem auf die Neuregelung hin, "Terroristen" die italienische Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Das Parlament und der Präsident müssen dem Dekret noch zustimmen.

USA – Missbrauchsvorwürfe gegen Richterkandidat: Gegen den von Präsident Trump nominierten Richterkandidaten für den Supreme Court, Brett Kavanaugh, gibt es – so melden es die SZ (Hubert Wetzel), FAZ (Majid Sattar) und spiegel.de – weitere Vorwürfe. Nach der Professorin Christine Blasey Ford erhebt nun eine weitere Frau schwere Vorwürfe gegen Kavanaugh. Er soll Deborah Ramirez sexuell belästigt haben, als beide an der Universität Yale studierten. Kavanaugh weist die neuen Vorwürfe zurück. "Dieser angebliche Vorfall vor 35 Jahren hat nicht stattgefunden", heißt es in einer Erklärung des Richters, so spiegel.de. Es handle sich um eine "Schmutzkampagne, schlicht und einfach".

Hubert Wetzel (SZ) meint, dass die Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh zwar juristisch nicht besonders solide seien, aber das Gremium, das über die endgültige Bestätigung des Kandidaten zum Richter entscheide, eben auch politischen und nicht juristischen Regeln folge. Für Republikaner und Demokraten gehe es um Sieg oder Niederlage, nicht um Wahrheit oder Schuld, so Wetzel.

Sonstiges

Facebook und das Recht: Die Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit auf Facebook beleuchtet lto.de (Maximilian Amos). Es geht darum, welche Grenzen Facebook einhalten muss, wenn es Inhalte seiner Nutzer löschen will.

NRW-Polizei an Belastungsgrenze: Wie lto.de meldet, haben führende Vertreter der Polizeigewerkschaften angesichts mehrerer Großeinsätze in Nordrhein-Westfalen in dieser Woche vor einer Überlastung der Polizei gewarnt. Die Rede ist auch davon, dass möglicherweise Spiele der Bundesliga abgesagt werden müssen. "Wir müssen trotz Hambacher Forst und Erdoğan-Besuch noch Reservekräfte zur Verfügung haben, falls es zu einem unvorhersehbaren dramatischen Ereignis kommen sollte. Notfalls müssen auch Fußballspiele abgesagt werden", wird der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, Heiko Müller, zitiert.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/pf

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. September 2018: Klage gegen Polen / Asylrechtsverschärfung in Italien / Weitere Vorwürfe gegen Kavanaugh . In: Legal Tribune Online, 25.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31105/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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