Die juristische Presseschau vom 18. September 2018: Maaßen am Ende? / Löschung von Face­book-Kom­men­tar recht­mäßig / Trump stützt Kava­naugh

18.09.2018

Die berufliche Zukunft von Hans-Georg Maaßen bleibt ungewiss. Außerdem in der Presseschau: Das Landgericht Frankfurt/M. billigt die Löschung eines Facebook-Kommentars und US-Präsident Trump hält an seinem US-Supreme-Court-Kandidaten fest.

Thema des Tages

Maaßen am Ende?: Am heutigen Dienstag soll über die Zukunft des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, entschieden werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und SPD-Vorsitzende Andrea Nahles wollen sich am Nachmittag zu einem zweiten Krisengespräch zusammenfinden. In einem Bericht der Welt heißt es unter Berufung auf Koalitionskreise, Merkel habe sich bereits entschieden, dass Maaßen sein Amt abgeben müsse. Sie selbst äußerte sich hierzu am Montag nicht, nachdem die drei Parteichefs zuvor Stillschweigen vereinbart hatten. SPD, Grüne und Linke plädieren für den Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten, nachdem dieser die Richtigkeit der Medieninformationen über die rassistisch motivierten Ausschreitungen in Chemnitz und die Angemessenheit des Begriffes "Hetzjagd" bezweifelt hatte. Seehofer hatte Maaßen sein Vertrauen ausgesprochen. Es berichten unter anderem SZ (Stefan Braun/Nico Fried/Constanze von Bullion), spiegel.de und Hbl (Dana Heide/Jan Hildebrand/Dietmar Neuerer). Die taz (Anja Maier/Christian Rath) erläutert zusätzlich drei mögliche Szenarien einer Ablösung Maaßens. In Betracht kämen sowohl die einstweilige Versetzung in den Ruhestand durch den Bundespräsidenten auf Initiative Seehofers oder durch Eigeninitiative Maaßens. Womöglich könne sich dieser auch Hoffnungen auf einen neuen attraktiven Posten machen.

Heribert Prantl (SZ) meint, der Fall biete Anlass, sich Gedanken über die Zukunft des Verfassungsschutzes und dessen fortwährende Strukturdefizite zu machen. In einem Gastbeitrag für die FAZ mahnt der Professor für Zeitgeschichte Constantin Goschler, dass die Existenz von letztlich der öffentlichen Kontrolle entzogenen Geheimdiensten permanentes Misstrauen der Öffentlichkeit erfordere. Dass Maaßen nun hingegen umgekehrt den Medien sein Misstrauen ausgesprochen habe, sei schlecht für den Verfassungsschutz und noch schlimmer für die Demokratie. Jan Hildebrand (Hbl) merkt an, dass diese Personalie nur das jüngste Symptom eines von Anfang an nicht vorhandenen gegenseitigen Vertrauens in der Großen Koalition verkörpere.

Rechtsprofessor Jörn Reinhardt analysiert auf verfassungsblog.de die rechtliche Zulässigkeit der Äußerungen Maaßens. Bei seiner Einschätzung, ein Video der Vorfälle sei möglicherweise eine "gezielte Falschinformation", habe er gegen elementare Anforderungen an behördliches Informationshandeln verstoßen, insbesondere das Gebot der sachlichen Richtigkeit und den Grundsatz der Neutralität. Die FAZ (Helene Bubrowski) und die taz (Sabine am Orde) erörtern weitere Hintergründe zu der Person Maaßens und den bisherigen Entwicklungen.  

Rechtspolitik

Grundsteuer: Die FAZ (Manfred Schäfers) setzt sich mit der Reform der Grundsteuer auseinander, für die laut Bundesverfassungsgericht bis Ende nächsten Jahres eine neue gesetzliche Regelung geschaffen werden muss. Der Beitrag beleuchtet einen Vorschlag des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im Rahmen einer von den Verbänden Haus & Grund und Zentraler Immobilienausschuss beauftragten Studie, die Grundsteuer künftig nurmehr nach der jeweiligen Fläche von Grundstück und Gebäude zu erheben.

Digitaler Nachlass: Die Bundesregierung beabsichtigt, anders als noch im Koalitionsvertrag vereinbart, keine gesetzliche Regelung des digitalen Nachlasses mehr. Dies berichtet Hbl (Heike Anger) und bezieht sich dabei auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Hintergrund sei ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs, nach dem aus erbrechtlicher Sicht kein Grund bestehe, digitale Inhalte anders zu behandeln als analoge Dokumente wie etwa Tagebücher oder Briefe. Angesichts dieser Rechtsprechung sehe die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf mehr.  

Justiz

LG Frankfurt/M. zu Facebook-Kommentaren: Ein Facebook-Nutzer, der unter einem Artikel der Tageszeitung "Die Welt" zum Einsatz von Knüppeln gegen Asylbewerber aufgerufen hatte, ist mit einem Eilantrag gegen die Sperrung seines Accounts vor dem Landgericht Frankfurt/M. gescheitert. Obwohl das Gericht darin eine noch von Artikel 5 Grundgesetz gedeckte Meinungsäußerung erkannte, sah es die 30-tägige Sperrung wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen laut FAZ (Constantin van Lijnden) und lto.de als rechtmäßig an. Die Verbreitung von Hassbotschaften im Netz schrecke immer mehr Nutzer von einer Diskussionsbeteiligung ab, weshalb vorliegend insbesondere das von der Berufsfreiheit und dem Eigentumsgrundrecht geschützte Interesse am Betrieb der Plattform zu berücksichtigen sei. 

OLG Braunschweig – Diesel-Skandal: Laut FAZ (Carsten Germis) hat das Oberlandesgericht Braunschweig die mündliche Verhandlung im Musterverfahren gegen VW über Schadensersatzforderungen von ca. 9,2 Milliarden Euro bis Ende November unterbrochen. Nach Auffassung des Gerichts soll die VW-Muttergesellschaft auch in diesem Prozess Musterbeklagte bleiben. Der Bundesgerichtshof soll klären, ob auch Feststellungsziele gegen die Stuttgarter Holding zulässig sind.

LG Freiburg zu Staufener Missbrauchsfall: Christian L., der Hauptangeklagte im Staufener Missbrauchsfall, hat die Revision gegen seine Verurteilung zu zwölf Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung laut Meldung der FAZ (Rüdiger Soldt) zurückgezogen. Die Anfang August ergangene Entscheidung ist damit rechtskräftig.

BGH zu Bewertungsaufruf: Die Aufforderung eines Unternehmens an einen Kunden, eine positive Bewertung auf Nutzerportalen abzugeben, stellt eine unzulässige Werbung dar. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie lto.de (Maximilian Amos) meldet. Die Kundenumfrage sei als Werbung einzuschätzen, da sie das Image des Unternehmens pflegen und damit schlussendlich den Absatz fördern solle. Zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehöre auch das Recht, von unerwünschten Werbemails in Ruhe gelassen zu werden, weshalb ein Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch bestehe. Der Eingriff sei zwar gering, da man den Bewertungsaufruf auch einfach ignorieren könne, dennoch müsse sich der Kunde mit ihm "zumindest gedanklich beschäftigen". 

LG Erfurt – sexueller Missbrauch: Ein 31-Jähriger Turntrainer ist laut SZ vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Erfurt wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Zwischen 2007 und 2015 hatte er 15 junge Turnerinnen in 82 Fällen sexuell missbraucht. 

VG Gelsenkirchen – Sami A.: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat nach Meldung der SZ die vierte Androhung eines Zwangsgeldes gegen die Stadt Bochum im Fall Sami A. zurückgewiesen. Es sei nicht Pflicht der Stadt, bei der deutschen Botschaft in Tunis die Ausstellung eines Notreiseausweises zu erwirken. A. selbst habe nicht ausreichend Maßnahmen zur Erlangung eines gültigen Reisepasses ergriffen. 

AG Nürnberg – Hitzepausen: Die FAZ (Timo Kotowski) und die SZ (Claudia Henzler) berichten über das Scheitern eines Gütetermins in einem bereits länger währenden Streit zwischen dem Playmobilhersteller Geobra Brandstätter und dessen IG-Metall-Betriebsratsmitgliedern. Das Unternehmen begehrt, acht Betriebsratsmitglieder von ihren Ämtern auszuschließen, weil sie Mitarbeiter zu unerlaubten Hitzepausen animiert haben sollen.

LG Berlin zu Schönheitsreparaturen: Rechtsanwalt Michael Selk bespricht auf community.beck.de ein Urteil des Landgerichts Berlin zu Schönheitsreparaturen, das wohl bald den Bundesgerichtshof in der Revision beschäftigen werde. Dabei geht es dem Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Durchführung erforderlicher Schönheitsreparaturen, wenn die Renovierungsklausel unwirksam ist.

Recht in der Welt

USA  Vorwürfe gegen Supreme-Court-Kandidat: Der von US-Präsident Donald Trump für den US-Supreme-Court vorgeschlagene Kandidat Brett Kavanaugh hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einer versuchten Vergewaltigung zurückgewiesen. Er kündigte laut Bericht von SZ (Christian Zaschke), FAZ (Majid Sattar) und taz (Bernd Pickert) an, die von der Professorin Christine Blasey Ford erhobenen Anschuldigungen vor dem Justizausschuss widerlegen zu wollen. Mittlerweile plädieren auch einige Republikaner für eine Anhörung Blaseys, wodurch sich die für zunächst für kommenden Donnerstag angesetzte Entscheidung über Kavanaughs Berufung verschieben könnte. Trump hält weiter an ihm fest, wie zeit.de meldet.

EU/Großbritannien – Brexit: Das Hbl (Ruth Berschens/Jan Hildebrand/Andreas Kröner) setzt sich ausführlich mit möglichen Brexit-Szenarien und Plänen der EU-Kommission für eine Notgesetzgebung auseinander. Dabei solle für den Fall eines "harten" Brexits etwa durch die Änderung von Richtlinien zu den Eigenkapitalvorschriften oder zum Wertpapierhandel Rechtssicherheit für in Großbritannien aktive Banken, Versicherungen und Investoren aus der EU geschaffen werden. Die genauen Entwürfe werden indes bislang streng geheim gehalten. 

Belgien – Rapper Valtònyc: Wie spiegel.de berichtet, darf Belgien den Rapper Josep Miquel Arenas, alias Valtònyc, nach Auffassung eines erstinstanzlichen Gerichts in Gent vorerst nicht nach Spanien ausliefern. Der europäische Haftbefehl sei nicht ausreichend begründet, da die geahndeten Delikte in Belgien nicht gleichermaßen strafbar seien. Der Oberste Gerichtshof in Spanien hatte im Februar die Verurteilung Valtònycs zu dreieinhalb Jahren Haft bestätigt, weil dieser in seinen Liedtexten u.a. Politiker bedroht, Terrorismus verherrlicht und die Königsfamilie beleidigt haben soll.

Österreich – Bundesverwaltungsrichter: Die SZ (Peter Münch) berichtet ausführlich über den am Montag erklärten Rücktritt des in Österreich für das Amt des Bundesverwaltungsrichters nominierten Hubert Keyl. Der langjährige FPÖ-Mitarbeiter hatte am gestrigen Montag seine Bewerbung zurückgezogen, nachdem eine Kontroverse über seine Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen entbrannt war. 

Ungarn – Rechtsstaatsverfahren: Klaus Bachmann, Professor für Politikwissenschaft, erläutert in einem englischsprachigen Beitrag auf verfassungsblog.de den zu erwartenden weiteren Gang des Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn, welches das EU-Parlament letzte Woche beschlossen hat. Mögliche Sanktionen gegen Ungarn könnten nach Artikel 7 Abs. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV) nur einstimmig beschlossen werden, wobei Polen bereits angekündigt habe, einen solchen Beschluss zu blockieren. Da jedoch gegen Polen selbst bereits ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet worden sei, bestünde die Möglichkeit, über beide Verfahren gemeinsam abzustimmen und so die Vetomöglichkeit auszuhebeln.

Polen – Justizreform: Polen hat die von der EU-Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geforderten Änderungen an seiner umstrittenen Justizreform abgelehnt. Dies meldet lto.de. Streitpunkt ist die vorzeitige Pensionierung von Richtern am Obersten Gericht Polens. Nach einer Gesetzesänderung bedürfen diese nach Ablauf des 65. Lebensjahres einer besonderen Genehmigung des Präsidenten, um ihren Dienst bis zum 70. Lebensjahr fortzusetzen. Kritiker sehen hierin einer Bedrohung für die Unabhängigkeit der Gerichte, da nicht genehme Richter vorzeitig entfernt werden könnten.   

IStGH zu Bemba: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat die Verurteilung von Jean-Pierre Bemba Gombo, des früheren Vizepräsidenten des Kongo (Kinshasa), zu einem Jahr Freiheitsstrafe wegen Zeugenbestechung bestätigt. Dies melden lto.de und taz (Dominic Johnson). Im eigentlichen Hauptverfahren vor dem IStGH war Bemba im Juni 2018 indes in zweiter Instanz wegen schwerer Verfahrensfehler freigesprochen worden, nachdem er in erster Instanz noch wegen Kriegsverbrechen zu 18 Jahren Haft verurteilt worden war. Da er während des Hauptverfahrens bereits zehn Jahre in Untersuchungshaft saß, gilt die Haftstrafe wegen Zeugenbestechung als bereits verbüßt. Indes platzen mit der endgültigen Verurteilung seine Chancen bei der Wahl im Kongo, da die kongolesische Wahlkommission seine Bewerbung für unzulässig erklärt hat.  

Sonstiges

Großkanzleien in Berlin: Aled Wyn Griffiths analysiert im Hbl, warum große Kanzleien in Berlin eine "Randerscheinung" blieben. Da sich dort durch Venture Capital kein profitables Geschäft erwirtschaften lasse, werde die Arbeit traditionell von kleineren Kanzleien übernommen.

 

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lto/lmr/mps

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. September 2018: Maaßen am Ende? / Löschung von Facebook-Kommentar rechtmäßig / Trump stützt Kavanaugh . In: Legal Tribune Online, 18.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30967/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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