Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. August 2018: Mon­santo muss zahlen / Kanz­lerin: Dublin-Ver­fahren "rea­li­täts­fern" / Nas­si­bullah S. wieder in Deut­sch­land

13.08.2018

Monsanto wurde in den USA wegen mangelnder Aufklärung über Glyphosat verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Laut Kanzlerin ist das Dublin-Verfahren "realitätsfern" und der zu Unrecht abgeschobene Nassibullah S. ist wieder in Deutschland.

Thema des Tages

USA – Bayer-Tochter zu Millionenzahlung verurteilt: Ein Geschworenengericht in Kalifornien hat die Bayer-Tochter Monsanto zu einer Strafzahlung von rund 250 Millionen Dollar verurteilt. Es geht dabei um das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup. Über die Entscheidung berichten das Hbl (Katharina Kort), Mo-FAZ (Roland Lindner), Mo-SZ (Elisabeth Dostert) und Mo-taz. In dem Prozess ging es um den schwerkranken Dewayne Johnson, der als Schul-Platzwart Roundup rund 30-mal pro Jahr gespritzt hatte, erläutert das Hbl. Der 46-Jährige warf dem Unternehmen vor, durch das Mittel an einem Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt zu sein. Nach Ansicht des Gerichts hat Monsanto es versäumt, den Mann und andere Verbraucher vor Krebsrisiken zu warnen. Monsanto kündigte Berufung gegen das Urteil an.

Die Entscheidung klinge bedrohlich für den US-Konzern Monsanto und seinen neuen Eigner Bayer, heißt es in einem separaten Kommentar von Siegfried Hofmann (Hbl). Denn Dewayne Johnson sei nur einer von mehr als 5.000 Klägern, die in den USA Ansprüche wegen Glyphosat-Schäden geltend machten. Das Urteil bestätige, dass sich Bayer mit Monsanto einiges an zusätzlichen Rechts- und Reputationsrisiken eingekauft habe.

Rechtspolitik

Kindergeldreform: Laut Sa-FAZ (Dietrich Creutzburg) strebt die Bundesregierung zwar eine Begrenzung von Kindergeldleistungen für im europäischen Ausland lebende Kinder an, will dafür aber kein eigenes Gesetz auf den Weg bringen, bevor sich die EU-Kommission einverstanden erklärt hat. Anders sieht es in Österreich aus: Dort hat die Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ eine entsprechende Neuregelung auf den Weg gebracht, die zum 1. Januar 2019 in Kraft treten soll. Die Mehrheit der EU-Länder spreche sich jedoch dagegen aus, die Kindergeldzahlungen ins Ausland anzupassen, erläutert die SZ in ihrer Montagsausgabe.

Rechtlich sei es, entgegen der Auffassung der EU-Kommission, durchaus denkbar, die Höhe des Kindergeldes an den Wohnsitz des Kindes zu koppeln, meint der Europarechtsprofessor Daniel Thym auf lto.de. In seinen Urteilen zum Kindergeld habe der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass man EU-Arbeitnehmern das Kindergeld zwar nicht verweigern dürfe, damit sei jedoch nicht gesagt, dass eine Indexierung nach den Lebenshaltungskosten rechtswidrig sei. Unabhängig vom Recht sollte aber in der Diskussion auch berücksichtigt werden, dass die deutsche Gesellschaft eine Fachkräftezuwanderung brauche und hiervon profitiere. Nach Ansicht von Reinhard Müller (Sa-FAZ) widerspricht es ohnehin dem Sinn einer europäischen Wertegemeinschaft, dass Kinder dauerhaft in einem anderen Land lebten als ihre Ernährer.

Kirchenasyl: Seit Anfang August gelten für das Kirchenasyl neue Regeln, die die Mo-taz (Christian Rath) erläutert. So muss ein Schutzsuchender künftig 18 statt 6 Monate in kirchlichen Räumen ausharren, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Bestehen eines Härtefalls verneint.

In einem separaten Kommentar findet es Christian Rath (Mo-taz) erstaunlich, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Neuregelung ganz im Stillen vornahm und nicht einmal in seinem "Masterplan Migration" erwähnte. Rath vermutet, dass sich der Innenminister vor der Bayernwahl nicht allzu lautstark mit den Kirchen anlegen wollte.

Dublin-Verfahren: Bei ihrem Besuch beim spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez hat Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert, dass die Dublin-Verordnung "nicht der Realität" entspreche. Daher müssten die EU-Mitgliedstaaten daran arbeiten, ein "faires Verteilsystem zu finden und gemeinsam die Rückführung zu organisieren", wird die Kanzlerin von der Mo-taz zitiert. Die FDP hielt Merkel vor, zu lange an den Regelungen festgehalten zu haben. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff kommentierte die Äußerung der Kanzlerin laut Mo-SZ (Nico Fried/Thomas Urban) auf Twitter: "Dass Merkel es erst jetzt offen sagt, zeigt nur, dass sie und ihre Innenminister vorher Realitäts- und Politikverweigerung betrieben haben."

Jasper von Altenbockum (Mo-FAZ) meint, dass insbesondere das jetzt mit Spanien vereinbarte Rückführungsabkommen einer Reform des europäischen Asylverfahrens diene. Von "funktionsfähig" könne aber auch hier keine Rede sein, solange sich nicht alle Bundesländer, die in Frage kommen, daran beteiligten. Für Deutschland gelte dasselbe wie für die EU: Wenn die unteren staatlichen Einheiten sabotierten, was die oberen vereinbaren, helfe die schönste nationale, bilaterale oder "europäische Lösung" nichts. Skeptisch sieht auch Hannelore Crolly (Mo-Welt) das Zustandekommen eines neuen europäischen Verteilsystems. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass es ein solches System nie geben werde. Erfolg verspreche am ehesten, wenn sich Berlin und alle anderen EU-Staaten gemeinsam dafür stark machten, Griechenland, Italien und Spanien effizientere Asyl- und Abschiebeverfahren zu verschaffen.

Strafmaß bei Sexualstraftaten: Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, das Strafmaß bei sexuellem Missbrauch zu erhöhen. Das meldet die Mo-FAZ (Rüdiger Soldt). Außerdem forderte Strobl, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU ist, dass der Kriminalpolizei künftig auch sogenannte "Keuschheitsproben" erlaubt werden sollten. Dabei nutzen die Ermittler künstlich am Computer hergestelltes kinderpornografisches Material, um sich Zugang zu einschlägigen Kreisen im Internet zu verschaffen.

Justiz

LG Freiburg zu Staufener Missbrauchsfall: Helene Bubrowski (Sa-FAZ) meint, dass man als eine Konsequenz aus der Entscheidung im Staufener Missbrauchsfall bereits angehende Juristen für diesen Themenkomplex sensibilisieren müsste und sich auch Richter hier fortbilden sollten. Denn Richter seien in vielen Fällen die Letzten, die ein Kind noch retten könnten, schreckten jedoch oft vor effektiven Schutzmaßnahmen zurück – aus Angst vor dem Vorwurf, es mit der staatlichen Intervention zu übertreiben.

LG Dresden – Verfahren gegen "Moscheebomber": Im Prozess um den Anschlag auf eine Moschee und auf ein Kongresszentrum in Dresden hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zehn Jahren und neun Monaten für den Angeklagten beantragt. Vorgeworfen werden dem 32-jährigen Nino K. vierfacher versuchter Mord, zwei Brandanschläge und Sprengstoffexplosionen und mehrfache Verstöße gegen das Waffengesetz. Das berichtet die Sa-FAZ (Stefan Locke).

VG Gelsenkirchen – Fall Sami A.: Laut Spiegel rechnen die tunesischen Ermittlungsbehörden nicht mit einem Ausreiseverbot für Sami A. Zurzeit spreche mehr für seine Unschuld als für eine Verwicklung in terroristische Netzwerke, wird ein Sprecher des Justizministeriums in Tunis zitiert. Sami A. war trotz eines vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verhängten Abschiebeverbotes am 13. Juli abgeschoben worden. Das Gericht hatte daraufhin angeordnet, dass A. zurück nach Deutschland geholt werden müsse und ein Zwangsgeld verhängt. In dem Artikel heißt es auch, dass die deutschen Behörden offenbar auf Zeit spielten: Wenn feststünde, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert würde, könnte das Abschiebeverbot hinfällig werden. Bisher aber gilt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen. Dieses hatte laut lto.de am Freitag einen Antrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgelehnt, das Abschiebeverbot für den Tunesier aufzuheben

Der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat unterdessen das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nach massiver öffentlicher Kritik in Schutz genommen, heißt es in der Sa- FAZ (Constantin van Lijnden). Es sei völlig unakzeptabel, wenn Richter wegen kontroverser Urteile persönlich beleidigt und bedroht würden, so der Minister. Hunderte Hass-E-Mails und -briefe hatten das Gericht nach der Entscheidung im Juli erreicht. Nach Ansicht der Neuen Richtervereinigung hat Minister Biesenbach die Justiz aber zu zurückhaltend verteidigt. Es gehe nicht an, dass unabhängige Gerichte von einem Justizminister vertreten werden, "der nicht den Mumm hat, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen", erklärte die Vereinigung in einer Presseerklärung am Freitag, wie auch lto.de meldet.

StA Mannheim – Klage gegen Darknet-Seitenbetreiber: Gegen den mutmaßlichen Betreiber der Darknet-Seite, über die der Münchener Amokläufer seine Waffe erwarb, hat die Staatsanwaltschaft Mannheim Klage erhoben. Wie die Sa-taz (Tobias Schulze) berichtet, soll der 31-Jährige vier Jahre lang das Onlineforum "Deutschland im Deep Web" betrieben haben, in dem sich User zu illegalen Geschäften verabredeten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor.

BSG zu Sozialleistungen für EU-Ausländer: lto.de berichtet über eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichtes, mit der dessen bisherige Rechtsprechung bestätigt wird, nach der auch Personen ohne Aufenthaltsrecht einen Zugang zu Sozialleistungen haben. Es gibt dabei zwar keinen Rechtsanspruch, sondern der Träger hat hier ein Ermessen, dieser Spielraum sei aber wegen der grundrechtlichen Verbürgungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auf null reduziert, wenn der Aufenthalt der betreffenden Person bereits verfestigt sei.

VGH Bayern zu Sonntagsöffnungszeiten: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine Anordnung der Stadt Ansbach aufgehoben, mit der den Geschäften der Stadt erlaubt wurde, anlässlich von Festveranstaltungen auch an Sonntagen zu öffnen. Eine Begründung der Entscheidung wurde noch nicht veröffentlicht, heißt es in der entsprechenden Meldung von lto.de. In einer Eilentscheidung hatte das Gericht aber im März erklärt, dass während eines Festivals nicht alle Geschäfte im Stadtgebiet öffnen dürften, wenn dieses nur auf einzelnen Plätzen der Altstadt stattfindet und ein Bezug des Festes zu offenen Läden in den restlichen Teilen Ansbachs sei somit nicht gegeben sei. Eine Gewerkschaft und die Katholische Arbeiternehmer-Bewegung (KAB) hatten das Normenkontrollverfahren angestrengt.

Recht in der Welt

USA – Klage gegen Hinrichtung: Wie spiegel.de meldet, ist das Unternehmen Fresenius Kabi gescheitert, die Hinrichtung eines Todesstrafenkandidaten gerichtlich aufzuhalten. Der Konzern hatte vor einem Gericht im Bundesstaat Nebraska geklagt und dabei argumentiert, er könne nicht zulassen, dass bei der Hinrichtung per Giftspritze zwei seiner Präparate zum Einsatz kommen. Das Gericht wies die Klage ab: Sie sei zu spekulativ, da die Behörden nicht mitgeteilt hätten, wer die Präparate in der Giftspritze hergestellt habe. Außerdem würde ein weiterer Aufschub der Hinrichtung deren Vollzug allgemein in Frage stellen, weil sich bei zwei der Mittel das Verfallsdatum rapide nähere und es keine "realistische Alternativen" gebe, heißt es im Artikel.

Türkei – Portät Rechtsanwältin Eren Keskin: Die Sa-taz (Baris Altintas) stellt die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin vor, die sich seit Jahrzehnten für Menschenrechte in der Türkei einsetzt und sich dabei auch selbst gegen zahlreiche Anklagen verteidigen musste und muss. Aktuell liefen 143 Verfahren gegen sie.

Sonstiges

Dokumentationspflichten nach DSGVO: Im beck-blog meint Professor Thomas Hoeren, dass mit der Behauptung vermeintlich nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung gestiegener Dokumentationspflichten von interessierten Seiten Panikmache betrieben werde. Im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung sei eine neue Spezies von Datenschutzbeauftragten entstanden, die ihre eigene Existenzberechtigung aus einem Zuviel an Dokumentationspflichten ziehe, meint Hoeren. Diese neue Spezies werde noch unterstützt von zahlreichen neuen "Datenschutzexperten" aus der Anwaltschaft und anderen mit Rechtsfragen rund um den Datenschutz oft juristisch laienhaft befassten Personenkreisen, die gerne Verunsicherung rund um den Datenschutz verbreiteten und damit in nicht unerheblichem Maße für ein unnötiges Mehr an Arbeit und Umsatz sorgten.

Rückholung von Nassibullah S.: Die Sa-FAZ (Helene Bubrowski/Matthias Wyssuwa) beschreibt den Fall von Nassibullah S., der, obwohl ein Asylprozess noch anhängig war, nach Afghanistan abgeschoben wurde und jetzt wieder nach Deutschland zurückgeholt werden musste. Am Sonntagnachmittag ist Nassibullah S. wieder in Berlin-Tegel gelandet, so spiegel.de und zeit.de. Anfang September soll das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Greifswald fortgeführt werden.

Kommunikation bei Kartellrechtsverfahren: Über die wichtigen Punkte in der Kommunikation vor, während und nach einem Kartellrechtsverfahren informieren der Rechtsanwalt Patrick L. Krauskopf und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Seraina Gut auf lto.de. Rechtsanwälte seien gut beraten, einen Klienten nicht nur technisch-rechtlich zu betreuen, sondern diesem auch eine zielführende Litigation-PR zu empfehlen. Eine maßgeschneiderte Kommunikationsarbeit könne helfen, die oft einschneidenden Folgen, die eine Untersuchung der Kartellbehörde mit sich bringen kann, zu schmälern oder im besten Fall ganz zu verhindern.

Rechtsgeschichte – Herrenchiemseekonferenz: Auch lto.de erinnert jetzt an die Konferenz, auf der vor 70 Jahren die Grundlagen des Grundgesetzes erarbeitet wurden. Der Raum im Augustiner-Chorherrenstift, in dem 1948 getagt wurde – einst das Speisezimmer von König Ludwig II. – ist original erhalten und heute Besuchern zugänglich. Anhand der Sitzordnung, die ausliegt, könne man sehen, wer sich damals über die Verfassung für die noch gar nicht existierende Bundesrepublik stritt.

Literatur – Berlin als Stadt des Verbrechens: Martin Rath (lto.de) schaut sich literarische Beispiele an, in denen die dunklen Seiten der Stadt Berlin aufgearbeitet wurden. Er beleuchtet dabei Werke früherer Jahre und hat auch in alte Hörspielproduktionen des RIAS hineingehört, die nach dem Vorbild realer Fälle in Berlin (West) produziert wurden.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/pf

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. August 2018: Monsanto muss zahlen / Kanzlerin: Dublin-Verfahren "realitätsfern" / Nassibullah S. wieder in Deutschland . In: Legal Tribune Online, 13.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30293/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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