Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. Mai 2018: Pro­test gegen bayPAG / CDU will Nach­bes­se­rungen bei Mus­ter­fest­stel­lungs­klage / Arbeits­kreis Recht der Fami­li­en­un­ter­nehmen

14.05.2018

Kritik gegen das geplante bayerische Polizeiaufgabengesetz hält an. Außerdem in der Presseschau: CDU will beim Gesetz zur Einführung einer Musterfeststellungsklage nachbessern und Gründung des Arbeitskreises Recht der Familienunternehmen.

Thema des Tages

Bayerisches Polizeiaufgabengesetz: Am Donnerstag haben in München mehr als 30.000 Menschen gegen die Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes demonstriert. Organisiert wurden die Proteste von dem "noPAG"-Bündnis, in dem sich Parteien, Gewerkschaften, Anwälte, der Bayerische Journalistenverband und andere zusammengeschlossen haben. netzpolitik.org (Marie Bröckling) berichtet. Ungeachtet dessen soll das neue Gesetz voraussichtlich am Dienstagabend verabschiedet werden, die Umsetzung soll durch eine Kommission begleitet werden, melden spiegel.de und Montags-SZ (Wolfgang Wittl) im Bayernteil. Mittlerweile hat sich auch die Gesellschaft der Polizei gegen die umstrittene Novelle ausgesprochen. "Handgranaten oder andere Sprengmittel, die gegen Personen gerichtet werden könnten, lösen das Bild der Bürgerpolizei, so wie wir es verstehen, auf und ersetzen es durch eine militarisierte Polizei", wird der Bundesvorsitzende Oliver Malchow in der Samstags-Welt (Martin Lutz) zitiert. Laut lto.de sieht auch der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Ulrich Schellenberg "sehr gute rechtliche Argumente gegen das kritisierte Gesetz".

Als "Meisterfeier für den Rechtsstaat" bezeichnet Heribert Prantl (SZ) in seiner Videokolumne die Demonstration in München. Das neue Gesetz sei ein Verstoß gegen das Übermaßverbot und mache aus der Polizei eine "Darf-fast-alles-Behörde", meint Prantl (Montags-SZ) in einem separaten Kommentar. Reinhard Müller (Samstags-FAZ) meint, dass die Bayern sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur 'drohenden Gefahr zu eigen gemacht hätten' – allerdings auf großzügige Weise. Es werde hier streng auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu achten sein, durch die Behörden wie auch durch die Gerichte. Im Feuilleton widerspricht Constanze Kurz (Montags-FAZ) Äußerungen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, der den Kritikern erst eine "unsägliche Desinformationskampagne" und später dann "Lügenpropaganda" vorwarf, und fragt, seit wann man Menschen diffamiere, nur weil sie eine andere Meinung öffentlich demonstrierten.

Rechtspolitik

DSGVO: Die Samstags-Welt (Michael Gassmann/ Benedikt Fuest) erläutert die Schwierigkeiten, die insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) befürchten. Nach einer aktuellen Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 300 Start-ups sei man in jedem dritten Jungunternehmen gerade erst dabei, sich mit dem Thema zu befassen, habe aber noch nichts Konkretes in die Wege geleitet. Nur neun Prozent hätten die Umsetzung abgeschlossen – keine vier Wochen vor dem Inkrafttreten der neuen Regel, heißt es im Artikel. Laut lto.de haben auch die Kanzlei KPMG Law und der Branchenverlags Legal 500 eine Studie erstellt. Danach hat gerade einmal rund die Hälfte der deutschen Unternehmen entsprechende Vorbereitungen getroffen.

Rechtsprofessor Kai von Lewinski meint auf lto.de, dass das meiste in der DSGVO lediglich eine bloße Fortentwicklung der derzeitigen Rechtslage sei. Nur manches sei wirklich neu und vieles sei bürokratischer als bisher.

Musterfeststellungsklage: Im Spiegel (Melanie Amann/Gerald Traufetter) wird berichtet, dass führende CDU-Abgeordnete an die vom Kabinett beschlossene Musterfeststellungsklage für Verbraucher noch einmal Hand anlegen wollen. Es geht um die Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe. "Wir brauchen eine klare Positivliste mit seriösen klageberechtigten Verbänden, und darauf hat diese semikriminelle Vereinigung nichts zu suchen", wird der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion Joachim Pfeiffer zitiert.

Auf lto.de befassen sich die Rechtsanwälte Christoph Baus und Johann Christoph Schaper mit den Plänen. Die Autoren meinen, dass der in der vergangenen Woche beschlossene Gesetzentwurf in vielen Punkten in die richtige Richtung gehen, es bleibe jedoch abzuwarten, ob die Musterfeststellungsklage in der vorliegenden Form ein Erfolgsmodell werde. Im Übrigen könne es sein, dass der Gesetzgeber wegen der europäischen Pläne für eine Richtlinie zur Einführung einer echten Sammelklage erneut tief in das Prozessrecht werde eingreifen müssen.

Numerus clausus im Medizinstudium: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das Numerus-clausus-Verfahren für die Zulassung zum Medizinstudium für nicht verfassungsgemäß erklärt hat, müssen die Länder jetzt ein neues Verfahren entwickeln. Auf die Eckpunkte für einen neuen Staatsvertrag dafür haben sich jetzt laut Samstags-FAZ (Heike Schmoll) die Wissenschaftsstaatssekretäre geeinigt. Danach soll die Wartezeitquote wegfallen, unklar sei allerdings, was aus den bisherigen Bewerbern werde, die noch auf der Warteliste stünden.

Einwanderungsgesetz: spiegel.de teilt mit, dass die Bundeskanzlerin auf dem Katholikentag ein Einwanderungsgesetz für in spätestens zwei Jahren angekündigt hat. Merkel habe betont, dass diese Diskussion nichts mit der humanitären Verpflichtung Deutschlands zu tun habe. Ein Einwanderungsgesetz soll die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland regeln.

Suizidhilfe: Der Spiegel (Cornelia Schmergal) meldet, dass mittlerweile 20 der 104 Patienten, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt haben, ein Medikament zur Selbsttötung erwerben zu dürfen, gestorben sind. Bisher hat das BfArM über keinen der Anträge entschieden, weil die Bundesregierung ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht umsetzt. Die Leipziger Richter hatten im vergangenen Jahr geurteilt, dass das BfArM Schwerstkranken den Kauf einer Selbsttötungsarznei in "extremen Notlagen" nicht verwehren dürfe.

Anwaltliches Gesellschaftsrecht: Die Bundesrechtsanwaltskammer hat auf ihrer Frühjahrshauptversammlung den Vorschlag für eine Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechtes beschlossen, den der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln Martin Huff auf lto.de vorstellt. Darin ist unter anderem vorgesehen, den Zusammenschluss von Rechtsanwälten in der Rechtsform der GmbH & Co. KG zu ermöglichen. Weiter sieht der Entwurf der BRAK vor, dass Anwaltsgesellschaften eigene Tochtergesellschaften gründen dürfen.

Justiz

OLG München – NSU-Prozess: Im Spiegel (Julia Jüttner) werden die drei Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben vorgestellt, die, so heißt es dort, die einzigen Anwälte im NSU-Prozess seien, die der rechten Szene angehören.

LG Stuttgart – Anlegerprozess gegen VW: Im Prozess gegen VW weigert sich der Zulieferer Bosch dem Gericht Dokumente zur Verfügung zu stellen, aus denen hervorgehen soll, ab wann Führungskräfte bei VW von illegalen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung gewusst haben. Bosch beruft sich, so heißt es im Spiegel (Martin Hesse), auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Das Unternehmen hat VW mit Software für die Motorsteuerung und Abgasreinigung beliefert. Weil die Software womöglich illegal zur Manipulation genutzt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch gegen Bosch-Mitarbeiter.

Anzeige gegen Martin Winterkorn: Laut Samstags-SZ hat der Bundestagsabgeordnete von den Grünen, Oliver Krischer, Strafanzeige gegen den ehemaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn erhoben. Krischer wirft ihm vor, den Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages belogen zu haben, als er 2017 behauptet hat, er habe von den Abschalteinrichtungen "sicher nicht vor September 2015" erfahren.

LG Gießen – Mord an Achtjähriger: Vom Prozess um die Tötung eines achtjährigen Mädchens vor achtzehn Jahren vor dem Landgericht Gießen berichtet die FAS (Helmut Schwan). Der Angeklagte konnte Ende letzten Jahres mit Hilfe der digitalen Aufbereitung von Fingerabdrücken ermittelt werden.

Recht in der Welt

Polen – Justizreform: Am Donnerstag hat das polnische Unterhaus Sejm, einem Bericht von lto.de zufolge, eine Änderung der Reform des Obersten Gerichtes beschlossen. Danach wird u.a. die Möglichkeit zur sogenannten "außerordentlichen Klage", wonach rechtskräftige Urteile etwa auf Antrag des Justizministers und Generalstaatsanwalts Zbigniew Ziobro von dem Gericht wieder aufgehoben werden können, eingeschränkt. Ob das aber ausreiche, um das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission beizulegen, sei unsicher, heißt es bei lto.de.

USA – Ermittlungen gegen VW: Der Spiegel (Frank Dohmen/Simon Hage u.a.) berichtet über den aktuellen Stand der Ermittlungen gegen VW in den USA nach der Anklageerhebung gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden und die Reaktionen des Unternehmens. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass, solange der frühere Finanzvorstand Aufsichtsratsvorsitzender und Stadler Audi-Chef bleiben und solange die Ergebnisse von Jones Day nicht veröffentlicht würden, es jedenfalls klar sei, dass der Konzern nicht lückenlos aufklären und nicht die nötigen Konsequenzen ziehen wolle.

US-Sanktionen gegen Iran: Die BadZ (Christian Rath) untersucht die Frage, ob die US-Sanktionen gegen den Iran durch ihre Wirkung auch auf europäische Firmen gegen das Völkerrecht verstößt. Allerdings kommt er zu dem Ergebnis, dass, auch wenn die EU davon ausgeht, dass solche "Sekundärsanktionen" völkerrechtswidrig sind, den betroffenen Staaten nur diplomatische Verhandlungen bleiben, um sie zu verhindern.

Italien – Berlusconi: Ein Mailänder Gericht hat den Ämterbann gegen Silvio Berlusconi aufgehoben, meldet die Montags-SZ (Oliver Meiler). Der Ämterbann war die Folge einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs im Jahr 2013. Die Richter begründeten die Aufhebung mit "guter Führung".

EU/Europarat – Datenschutz: Mit den parallelen Bemühungen von EU und Europarat im Bereich Datenschutz befasst sich der Rechtsberater des Europarats Jörg Polakiewicz im Samstags-FAZ-Einspruch. Er sagt, dass die zunehmende Konvergenz der Mitgliedschaft zwischen der EU und dem Europarat ein kohärentes System von Grundrechts- und Rechtsstaatlichkeitsschutzmechanismen für den gesamten Kontinent erfordere.

EGMR-Richter-Wahl: Claudia Kornmeier (lto.de) beleuchtet die Wahl der Richter beim EGMR, die, wie am Beispiel der türkischen Richterin dargestellt wird, häufig erst verzögert erfolgt. Die Autorin appelliert an den Europarat, das Problem nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Sonstiges

Medienrecht: Die Samstags-SZ (Karolina Meta Beisel) hat sich mit dem Hamburger Medienrechtler Wolfgang Schulz über die Notwendigkeit von gesetzlichen Anpassungen an die technische Entwicklung unterhalten. Insbesondere geht es dabei um die Frage, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf und was nicht.

Rechtsstaat: spiegel.de (Jörg Diehl/Philipp Seibt) beklagt, die mangelnde Verurteilungsquote bei bestimmten Delikten. So würde beispielsweise bei Betrug und Untreue die Polizei nur von einem geringen Teil der Taten überhaupt erfahren und die Staatsanwaltschaft die Mehrzahl der Verfahren einstellen. Verurteilt werde dann nur etwa jeder dritte ermittelte Tatverdächtige.

Hamburger Arbeitskreis Recht der Familienunternehmen: Die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet über die Gründung des Arbeitskreises Recht der Familienunternehmen unter der Leitung von Jens Prütting. In dem Kreis haben sich spezialisierten Juristen, aber auch Vertreter anderer Fachrichtungen wie Psychologie zusammengefunden, um die Besonderheiten der Familienunternehmen interdisziplinär zu untersuchen.

Dissertationen: Martin Rath (lto.de) stellt neun, aus seiner Sicht lesenswerte Dissertationen vor.

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. Mai 2018: Protest gegen bayPAG / CDU will Nachbesserungen bei Musterfeststellungsklage / Arbeitskreis Recht der Familienunternehmen . In: Legal Tribune Online, 14.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28579/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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