Die juristische Presseschau vom 13. März 2018: Groko startet / Frau­en­an­rede in Bank­for­mu­laren / Oskar Grö­ning ges­torben

13.03.2018

Die Große Koalition hat angekündigt, was sie als erstes vorhat. Außerdem in der Presseschau: Der BGH entscheidet über die weibliche Anrede in Bankformularen und Ex-SS-Mann Oskar Gröning ist vor Antritt seiner Haft gestorben.

Thema des Tages

Erste Gesetzesvorhaben: Am Montag wurde der Koalitionsvertrag unterzeichnet, am Mittwoch soll die Kanzlerin gewählt und die Ministerriege ernannt werden. spiegel.de (Philipp Wittrock) und  zeit.de (Ferdinand Otto und Katharina Schuler) stellen Themen vor, die die neue Regierung an vorderster Stelle bearbeiten wird. Nach Ostern soll es dazu eine erste Kabinettsklausur geben, dann soll mit der Umsetzung begonnen werden, hat Horst Seehofer angekündigt. Zu den ersten Maßnahmen der neuen Regierung soll die Einführung eines Baukindergeldes, die Regelung des Rückkehrrechtes von Teilzeit in Vollzeit und die Neufassung des Familiennachzugs von Flüchtlingen gehören. Im Innenministerium dürfte man außerdem über eine Reform beim Telekommunikations- und Telemediengesetz nachdenken, bei der es vor allem darum gehe, welche Durchgriffsrechte Sicherheitsbehörden im digitalen Raum haben, heißt es auf zeit.de.

Rechtspolitik

Unternehmensinterne Aufklärung: Im Koalitionsvertrag wurde die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die unternehmensinterne Aufklärung (Internal Investigations), insbesondere mit Blick auf beschlagnahmte Unterlagen und Durchsuchungsmöglichkeiten, angekündigt. Zudem sollen Anreize dafür sorgen, dass Unternehmen "Aufklärungshilfe" leisten und die Erkenntnisse der internen Ermittlungen offenlegen. Das Hbl (Heike Anger) hat mit mehreren Rechtsanwälten gesprochen, die in diesem Bereich tätig sind und eine gesetzliche Klarstellung durchgehend begrüßen. "Man brauche Regelungen, aber praxistaugliche, wird Bernd Mayer von der Kanzlei Skadden Arps zitiert.

Seehofers Masterplan: Die SZ kommentiert im "Streiflicht" den vom künftigen Innenminister Horst Seehofer angekündigten Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequente Abschiebungen. Er, der Master, habe also einen Plan gemacht, wie man in Windeseile eine Frage beantworten kann, über die sich soziologische und politische Meisterdenker seit Jahren die Köpfe zerbrechen würden.

§ 219a StGB:  Jost Müller-Neuhof (Tsp) meint zur Debatte um die Änderung beziehungsweise Abschaffung des § 219a StGB, dass sich das Problem auch von alleine lösen könnte. Zum einen könnte die umstrittene Entscheidung gegen die Ärztin aus Gießen bereits auf dem Rechtsweg korrigiert werden, denn sie habe lediglich über die Abtreibung informiert und diese gerade nicht angepriesen. Zum anderen fangen die Bundesländer jetzt richtigerweise damit an, entsprechende Ärztelisten zu veröffentlichen. Eine völlige Abschaffung des Paragrafen könnte dagegen, so befürchtet es der Autor, zu einem dem Gegenstand unangemessenen Werbeverhalten führen.

Entkriminalisierung des Schwarzfahrens: lawblog.de (Udo Vetter) stellt einen Gesetzentwurf der Linken zur Abschaffung der Beförderungserschleichung vor. Das Schwarzfahren soll nur noch eine Ordnungswidrigkeit darstellen, was die Justiz und den öffentlichen Haushalt erheblich entlasten würde. Die Verkehrsbetriebe könnten ihre Interessen durch effektive Fahrscheinkontrollen schützen.

Entschädigung verurteilter homosexueller Männer: In der taz.bremen (Jan Zier) heißt es, dass bis 1969 insgesamt 842 Bremer wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, die seit dem vergangenen Jahr mögliche Entschädigung jedoch nur schleppend vorankommt. Da bisher entsprechende Ansprüche nur selten geltend gemacht werden, fordert die Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm (Die Linke) eine Reform des entsprechenden Gesetzes. Der Kreis der Berechtigten müsse erweitert werden auf Männer, gegen die zwar ein Verfahren eingeleitet wurde und die zum Teil monatelang in Untersuchungshaft saßen, die aber keinen Anspruch haben, weil gegen sie kein Urteil ergangen sei.

Justiz

BGH – weibliche Anrede in Bankformularen: Heute will der Bundesgerichtshof darüber entscheiden, ob es rechtens ist, dass Banken in ihren Formularen lediglich die männliche Anredeform verwenden. Karin Janker (SZ) kritisiert den Spott, den jene, die sich wie die Klägerin für weibliche Formen der Ansprache einsetzen, schnell ernten. Es gehe in der Sprachpolitik nicht um Befindlichkeiten von Prinzipienreiterinnen, denn Sprache sei das Medium, in dem sich Menschen begegneten und in dem sie streiten würden.  Die Autorin hofft, dass das Urteil des BGH hier für mehr Sensibilität sorgen und Klarheit darüber schaffen werde, wo subtile Diskriminierung beginne.

Diesel-Abgas-Affäre: Das Hbl (Sönke Iwersen/Jan Keuchel) hat mehr als 200 Urteile im Zusammenhang mit der Dieselaffäre ausgewertet. In den meisten Fällen würden dem Autobauer VW Betrug attestiert. Die Richter hielten es nicht nur für erwiesen, dass Volkswagen seine Kunden betrogen hat. Es sei auch unvorstellbar, dass dieser Betrug ohne Wissen der obersten Führungsebene geschehen sei, heißt es im Handelsblatt. Während die Positiven Urteile für VW-Kunden grundsätzlich überwiegen würden, sei das Landgericht Braunschweig, nur 40 km vom VW-Firmensitz entfernt, für Volkswagen ein Fels in der juristischen Brandung. 99 Prozent der dortigen Entscheidungen seien zugunsten von Volkswagen ausgegangen.

BVerwG zu Dieselfahrverboten: Die FAZ (Jan Hauser) fasst Reaktionen der Kommunen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten zusammen. Während Hamburg ein Verbot in mehreren Straßenzügen plant, stellen Städte wie Essen alternative Programme vor.

LG Köln – Raser-Verfahren: Am Montag hat vor dem Landgericht Köln das erneute Verfahren gegen zwei junge Autofahrer, die sich im Kölner Stadtzentrum ein Rennen geliefert und dabei einen Unfall verursacht hatten, bei dem eine Radfahrerin getötet wurde, begonnen. Der Bundesgerichtshof hatte die erste Entscheidung des Kölner Gerichts mit der Begründung teilweise aufgehoben, die ausgeurteilte Aussetzung der Haftstrafen zur Bewährung sei nicht angemessen. Die FAZ (Reiner Burger) fasst das bisherige Verfahren und die Hintergründe zusammen.

AG Hamburg-Altona – "ACAB": Vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona muss sich eine Obstverkäuferin vor Gericht dafür verantworten, dass sie ein T-Shirt mit dem Buchstabenkürzel "ACAB", das für "All cops are bastards" steht, getragen haben soll. Ursprünglich hatte die jetzt Angeklagte einen Strafbefehl über 750 Euro erhalten, den sie jedoch nicht akzeptierte. Die taz.hamburg (Andreas Speit) fasst die Hintergründe zusammen und weist auf bisherige einschlägige Rechtsprechung hin.

OLG Düsseldorf zu Preisabsprachen bei Kaffee: Im Wirtschaftsteil informiert die FAZ darüber, dass die Drogeriekette Rossmann Rechtsmittel gegen die vom Oberlandesgericht Düsseldorf verhängte Geldbuße von 30 Millionen Euro wegen verbotener Preisabsprachen bei Kaffee eingelegt hat. Ursprünglich hatte das Bundeskartellamt eine Geldbuße von 5,5 Millionen Euro verhängt, nach der Beschwerde von Rossmann hatte das OLG drastisch auf 30 Millionen Euro erhöht.

LG Freiburg – Hussein K.: Wie die FAZ (Rüdiger Sold) und die SZ berichten, hat der Pflichtverteidiger von Hussein K., dem der Mord an einer Studentin vorgeworfen wird, für die Anwendung des Jugendstrafrechtes plädiert. Sollte dennoch Erwachsenenstrafrecht angewandt werden, so sprach er sich dafür aus, nicht die besondere Schwere der Schuld festzustellen und eine Entscheidung über eine anschließende Sicherungsverwahrung erst nach Strafverbüßung zu treffen. Der Angeklagte selbst habe sich am letzten Verhandlungstag an die Eltern des Opfers gewandt und sich entschuldigt, heißt es im Artikel. Der Nebenklagevertreter schloss sich im Wesentlichen dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an und empfahl dem Gericht, Hussein K. wegen Mordes, sexueller Nötigung und der Vergewaltigung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Haftstrafe zu verurteilen. Am 22. März soll das Urteil verkündet werden.

LAG Niedersachsen zur Kündigung wegen Islamismus-Verdachts: Wie zeit.de meldet, hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Kündigung eines VW-Mitarbeiters wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur salafistischen Szene für unwirksam erklärt. Der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten 'Jihad-Bewegung' und der damit begründete präventive Entzug des Reisepasses seien als Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres ausreichend, hinzutreten müsse eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses, so das Gericht.

OLG Frankfurt zu Theo Zwanziger: Das Land Hessen muss dem ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger keine Entschädigung wegen der gegen ihn geführten Ermittlungen zahlen, meldet lto.de. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und weiterer Delikte im Zusammenhang mit Geldzahlungen rund um die WM-Vergabe an Deutschland. Das OLG konnte darin jedoch keine Amtspflichtverletzung erkennen.

Hanseatisches OLG: Drei Syrer sind in Hamburg wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS zu Freiheitsstrafen bis zu sechseinhalb Jahren verurteilt worden, meldet spiegel.de. Das Gericht war überzeugt, dass die drei eingereist waren, um in Deutschland Anschläge zu verüben.

Recht in der Welt

USA – Waffenrecht: Die FAZ (Andreas Ross) beschreibt den Umgang mehrerer US-Bundesstaaten mit der Forderung nach Bewaffnung des Lehrpersonals. In Florida etwa wurde eine entsprechende Reform des Waffenrechts auf den Weg gebracht. Darin werden konkrete Regelungen zur Bewaffnung und erforderlichem Schießtraining getroffen. Martin Klingst (zeit.de) führt weitere Reformen an, wie die Heraufsetzung des Alters auf 21 Jahre, die aber ein Verbot der gefährlichen, halbautomatischen Waffen vermeiden. Dies liege insbesondere an der großen Macht der Waffenlobby NRA.

Sonstiges

Oskar Gröning gestorben: Der frühere SS-Mann Oskar Gröning ist, wie unter anderem FAZ (Alexander Haneke) und Spiegel.de (Sven Becker/Jörg Diel u.a.) melden, vor Antritt seiner Haftstrafe gestorben. Gröning wurde 2015 wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ende 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde Grönings zurückgewiesen, mit der er sich gegen die Ablehnung des Aufschubs der Vollstreckung gewandt hatte. Gröning hatte kürzlich ein Gnadengesuch an die niedersächsische Justizministerin gerichtet, über das aber vor seinem Tod nicht mehr entschieden wurde.

Twitternde Polizei: Wie die FAZ (lahe.) im Medienteil mitteilt, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten die Aktivitäten der Polizei in Online-Netzwerken untersucht. Darin wird festgestellt, dass die Polizei Online-Medien grundsätzlich für Mitteilungen nutzen dürfe. Sie sei dabei allerdings verpflichtet, sich in den eigenen Beiträgen um Neutralität und Richtigkeit zu bemühen. Für die Fahndung nach Verdächtigen brauche es eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage. Beim Blockieren von Beiträgen muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.

Umfrage zur Justiz: Die FAZ (Marcus Jung) widmet sich im Wirtschaftsteil jetzt auch der im Auftrag des Rechtsschutzversicherers Roland durchgeführten Umfrage zum Vertrauen der Bürger in die Justiz. Immer mehr Bürger würden die hohe Auslastung der Gerichte bemängeln, heißt es zu den Ergebnissen. Der Deutsche Richterbund hat daraufhin die Regierung aufgefordert, die im Koalitionsvertrag angekündigten 2.000 neuen Richter- und Staatsanwaltsstellen schnell zu realisieren und das Prozessrecht zu effektivieren. Gefragt wurde in der Studie auch nach dem Diesel-Abgasskandal. In diesem Zusammenhang haben sich 79 Prozent der Befragten für die Einführung einer Sammelklage ausgesprochen. Wurden jedoch die vermeintlichen Nachteile – vor allem das Entstehen einer Klageindustrie nach amerikanischem Vorbild – benannt, sank die Zustimmung zu diesem Instrumentarium auf 63 Prozent.

Lizenzen: In einem Gastbeitrag für das Hbl stellt Rechtsanwalt Christian Harmsen eine Studie vor, aus der hervorgeht, dass die Zahl von Patentstreitigkeiten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe.

 

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lto/ms/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. März 2018: Groko startet / Frauenanrede in Bankformularen / Oskar Gröning gestorben . In: Legal Tribune Online, 13.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27479/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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